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Kapitel 1

Das Leben ist wie ein Pfeffersteak, sinniere ich und spiele mit den verkohlten Überresten des Hornviechs auf meinem Teller. Da meint man, der ganze Mist obendrauf sei gut, aber schmeckt das Teil dadurch wirklich besser?

Ich blicke auf und sehe meinen Verlobten Richard, der mir gegenüber sitzt.

Gerade ist er dabei, den Ober von oben herab zu behandeln.

Richard behandelt jeden von oben herab, ein ausgezeichneter Trick für jemanden, der so klein ist. Klein von Statur, kleingeistig und, kaum wage ich es zu sagen … nun, sagen wir einfach, auch andere, ziemlich wichtige Bereiche fallen bei ihm klein aus.

Richard ist meine Pfeffersoße, meine Garnierung, mein sich ringelndes Stück Lollo Rosso, das am Tellerrand klebt. Sieht ja recht appetitlich aus, schmeckt aber bemerkenswert bitter. Als kleiner Mann umgibt sich Richard ganz besonders gern mit großen Dingen. Große Wohnung (Penthouse, klar), großes Auto, große Brieftasche und das entsprechend große Selbstbewusstsein.

Er ist ein Idiot, aber meine Mutter liebt ihn. Ich habe genau ein Jahr, acht Monate und sechs Tage gebraucht, um festzustellen, dass ich ihn nicht liebe. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Machen Sie ein Jahr, acht Monate, sechs Tage, drei Stunden und dreizehn Minuten daraus. Die Sekunden lasse ich weg, ich habe sowieso schon zu viel Zeit vergeudet. Ich stehe auf und greife nach meiner Handtasche.

Richard lächelt flüchtig. Er rechnet mit einem weiteren Besuch auf der Damentoilette, um mich für ihn herauszuputzen. Ich würde ihn als Ego-Hedonisten bezeichnen – nur an seinem eigenen Vergnügen interessiert. Er ist vergnügungssüchtig, aber nicht vergnüglich. In Richards Leben kreist alles um … Richard.

Er hat sein ganzes Leben sich selbst gewidmet und erwartet von allen anderen in seiner Umgebung, seinem Beispiel zu folgen. Genau das mache ich heute Abend. Und er hat gnädig befunden, dass ich zum Anbeißen aussehe.

Herausputzen: dieses Wort berauscht und erregt ihn. Das ganze Drumherum, die Kerzen im Restaurant und der teure Wein, ist eine Farce, die seiner Meinung nach den Schlüssel zum zweiten Teil des Abends enthält, zum wichtigen Teil des Abends, zum sexuellen Teil des Abends. Seine Belohnung dafür, dass er das Gelaber, die Langeweile und das nervige, peinlich genau durchgeführte Werberitual hinter sich gebracht hat.

Ich öffne meine Handtasche. In dem Durcheinander aus zerknüllten Taschentüchern, Kleingeld, Schlüsseln, angeknabberten Lippenstiften und Röhren mit vertrockneter Wimperntusche liegt eine Packung Kondome.

Mit Noppen.

Auch meine Gedanken schweifen zum späteren Teil des Abends, wo ich wie üblich werde versuchen müssen, Richards kleinen Pimmel irgendwie in einen geringfügig größeren Pimmel zu verwandeln, während Richard sich mit diesem selbstgefälligen Grinsen auf dem Gesicht zurücklehnt, als würde er mir eine große Ehre zuteil werden lassen.

Meine Entschlossenheit wächst. Ich atme tief durch und taste in meiner Tasche nach den Schlüsseln zu Richards Wohnung, den Schlüsseln zu Richards Leben.

»Richard«, probe ich im Kopf, »ich will nicht mehr mit dir zusammensein, und ich gehe jetzt.«

Ich öffne den Mund.

»Richard …«, vernehme ich meine eigene Stimme, die sich jedoch anhört, als käme sie aus weiter Ferne. »Ich will nicht … äh … ich will nicht.«

»Was willst du nicht?«, schnauzt er mich an, verärgert darüber, dass ich stotternd seine Beschwerde über das Essen unterbrochen habe.

Wieder öffne ich den Mund, doch diesmal kommt gar nichts heraus.

»Also?«, drängt er gereizt, weil er es eilig hat, den eingeschüchterten kleinen französischen Ober weiter runterzuputzen.

»Ich will nichts zum Nachtisch, und ich muss mal.«

Atemlos stoße ich die Worte hervor und schiebe meinen Stuhl zurück. Dann stürze ich quer durch das Restaurant, als stünde mein Hintern in Flammen. Dabei sind die einzigen Backen, die brennen, die in meinem Gesicht.

Auf der Toilette lehne ich meine glühende Stirn gegen den Spiegel und beobachte, wie die glatte, makellos saubere Fläche unter meinem Atem beschlägt. In dem unscharfen Spiegelbild kann ich mein Gesicht erkennen, das vertraut und doch völlig fremd wirkt. Warum sieht man eigentlich nie so aus, wie man glaubt auszusehen? Manchmal komme ich an meinem eigenen Spiegelbild vorbei und lächele, weil die Person, die meinen Blick erwidert, mir vage bekannt vorkommt. Ich starre die seltsamen dunklen Augen an, die ziemlich verschwommen zurückstarren. Ist das wirklich mein Gesicht? Das einzige, was ich wiedererkenne, ist meine Angst. Die Angst vor dem Alleinsein. Als Teil eines Paares wird man als normaler Mensch betrachtet. Als Single ist man plötzlich Teil einer Statistik.

Wie wohl das Leben ohne Richard ist? Gab es je ein Leben ohne Richard? Manchmal kommt es mir nicht so vor. Gibt es denn ein Leben nach Richard? Ebenso wie das Leben nach dem Tod ist es ein unbekanntes Phänomen. Doch eines weiß ich ganz genau: Ich bin zu jung zum Sterben. Es mag ja ein Leben nach Richard geben, doch falls ich versuchen sollte, dieses unbekannte Terrain zu erkunden, bringt meine Mutter mich um.

Ich glaube, ich leide unter der typischen Krankheit des Jahrzehnts.

Ich weiß, dass ich etwas will, aber ich weiß nicht wirklich, was dieses Etwas ist. Etwas Besseres? Etwas anderes?

Einen Moment lang denke ich nach. Etwas Besseres, etwas anderes … auf jeden Fall etwas Größeres!

Bei diesem Gedanken muss ich laut kichern.

Ich kehre zum Tisch zurück. Meine Pfeffersoße ist erkaltet und erstarrt, genau wie mein Liebesleben. Jetzt oder nie. Ich nehme noch einen Schluck Burgunder, wappne mich innerlich, nehme all meinen Mut zusammen und öffne den Mund.

»Richard …«, setze ich an.

»Richard? Richard Trevelyan!«

Eine elegante Brünette, die von Kopf bis Fuß in Versace gehüllt ist und gerade von einem Ober zu ihrem Tisch geführt wird, bleibt abrupt stehen und späht durch den dezent beleuchteten Raum zu unserem Tisch herüber.

»Na klar ist er es, nicht wahr?« Sie wirft ihre schwarzbraune Mähne zurück, schiebt den Ober beiseite, der prompt einem anderen Gast auf den Fuß tritt, und stürmt auf uns zu. Im Schlepptau hat sie einen ziemlich gut aussehenden, offensichtlich peinlich berührten Mann.

»Wusste ich es doch. Habe ich nicht gleich gesagt, dass da Richard Trevelyan sitzt, Alex, hm?«, redet sie auf ihren Begleiter ein. »Lang, lang ist’s her …«

Sie stürzt sich auf Richard und küsst ihn entschlossen gleich links neben den Mund. Zurück bleibt ein fetter roter Abdruck. Sie hätte ihn genau auf die Lippen getroffen, hätte er den Kopf nicht leicht abgewandt. Ich weiß, dass er das nur getan hat, weil er Knoblauch gegessen hat. Völlig in Ordnung, mich damit zu verpesten, aber sicher kein anderes Mitglied des weiblichen Geschlechts.

»Wie geht’s? Immer noch ganz der gerissene Firmenanwalt?«

Sie lacht, dieses typisch kultivierte Lachen, das leicht und melodiös klingen soll, wie das Klingeln eines Glasglöckchens. Doch es ist genauso falsch wie die Nägel an ihren schmalen, eleganten Händen. Richard lacht ebenfalls. Auch er hat ein falsches Lachen, eine Art Röhren, dieses tiefe, herzliche Lachen nach dem Motto, »Was bin ich doch für ein netter Kerl«. Genau die Art, die durch den ganzen Raum schallt wie ein Gummiball, der schon so manches Glas zu Bruch hat gehen lassen.

»Aber nicht doch, Katharina die Große – was für eine wundervolle Überraschung. Du siehst einfach umwerfend aus, aber das hast du ja schon immer.«

Umständlich erhebt Richard sich und küsst ihr die Hand (Wieder der Knoblauch, er ist nämlich alles andere als ein Kavalier.)

»Und Alex. Wie geht’s dir, alter Freund?« Richard wendet sich an ihren Begleiter, ergreift seine ausgestreckte Rechte mit beiden Händen und schüttelt sie energisch. Er ist davon überzeugt, dass die Stärke des Handschlags die Stärke der Persönlichkeit widerspiegelt.

»Freut mich riesig, euch beide zu sehen. Ist ja eine Ewigkeit her.«

Der Mann namens Alex lächelt mir zu und wartet darauf, vorgestellt zu werden. Doch so höflich ist Richard nicht. Er ist bekannt dafür, sich mit Bekannten in lange Gespräche zu vertiefen, ohne auch nur meinen Namen zu erwähnen, während ich direkt neben ihm stehe.

Doch Alex’ Frau kann ihre Neugier nicht länger zähmen.

»Wer ist denn deine kleine Freundin da, Ricky?«

Ricky! Trotz der Tatsache, dass ich gerade in einem ziemlich wichtigen Moment meines Lebens unterbrochen wurde, kann ich nur mühsam ein lautes Lachen unterdrücken.

»Das ist Felicity«, sagt er.

Anmutig streckt die Frau mir ihre elegante Hand entgegen. Ich bemerke, dass sie an sämtlichen Fingern Ringe trägt. Irgendwo habe ich gelesen, dies sei ein Zeichen dafür, dass eine Frau von einem Mann beherrscht werden will. An dieser Hand funkeln so viele Diamanten, dass es aussieht, als hätte sie sich eine ganze Mine angesteckt. Das Ganze erinnert an einen unerhört ausgefallenen Schlagring – wohl kaum ein Hinweis auf eine schwache Natur, es sei denn, diese schließt eine Schwäche für teure Klunker ein.

»Meine Verlobte«, fährt Richard fort.

Sofort zieht sie ihre Hand zurück und fingert nervös an ihrem dunkelbraunen Haar herum, das so stark glänzt, als nähme sie die gleichen Vitaminpillen, mit denen mein Vater seinen Labrador füttert.

Auf den viel zu perfekten Gesichtszügen der jungen Frau zeichnet sich echtes Entsetzen ab, doch es dauert nicht lange, bis sie sich wieder unter Kontrolle hat.

»Also wirklich, du Schlingel.« Die aufgesetzte Lockerheit ist wieder da, doch ihre Stimme klingt unnatürlich. »Da hast du immer behauptet, Heiraten wäre nicht dein Ding.« Wieder versucht sie ihr Lachen, doch es klingt noch falscher als beim ersten Mal. »Aber ich wusste ja, dass du dich früher oder später einfangen lässt.«

Richard grinst breit. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass hier unterschwellig etwas vorgeht.

»Tja, auch mein Stündchen musste einmal schlagen«, verkündet er strahlend und in dem Versuch, geistreich zu sein. »Weißt du, Kat, es tut echt gut, dich zu sehen. Unser letztes Treffen muss ja Ewigkeiten her sein. Wir haben Jahre nachzuholen. Ich sag dir was«, er reibt sich die Hände wie ein alter Geizhals beim Anblick eines Schatzes, »wie wär’s, wenn ihr euch einfach zu uns setzt?«

Ich unterdrücke ein Stöhnen. In diesem Fall werde ich nie den Mut aufbringen, alles abzusagen; ich kann wohl kaum vor Publikum verkünden, dass ich nicht die Absicht habe, Richard zu heiraten.

Zu meinem Entsetzen strahlt Katherine und will die Einladung annehmen.

»Oh, was für eine gute Idee …«

Dieses Mal unterbricht ihr Mann sie. Entweder ist er einfühlsamer als sie oder er hat meinen bestürzten Blick bemerkt. Wahrscheinlich hält er mich für ziemlich unhöflich.

»Danke, Richard. Das ist wirklich freundlich von dir. Vielleicht ein andermal.« Er hat eine sympathische Stimme, warm, aber nicht zu herzlich, gebildet, aber nicht abgehackt oder falsch.

»Das wäre nett«, sage ich hastig und werfe ihm ein entschuldigendes und dankbares Lächeln zu.

»Ja, wir sollten uns wirklich mal wieder sehen«, sagt Kat zu Richard. Ich habe den Eindruck, dass die Einladung mich nicht einschließt. »Wie du bereits sagtest, es ist wirklich ewig her.« Sie sagt das mit großem Nachdruck, und eine Reihe unglaublich kleiner, gerader weißer Zähne blitzt auf, die zu ihrer unglaublich kleinen geraden Nase passen.

»Das wäre nett.« Richard wiederholt meine Worte, wenn auch in einem völlig anderen Tonfall. »Wir müssen in Kontakt bleiben, jetzt, da wir uns schon wiedergetroffen haben. Moment mal«, er sieht zu mir herüber, und sein Grinsen ist jetzt so breit, dass sein ach so kantiges Kinn im nächsten Augenblick bersten sollte, »ich habe eine himmlische Idee.« Er beugt sich über den Tisch und legt eine Hand auf meine. Schockiert sehe ich nach unten, als hätte ich gerade eine ungewöhnliche und unerwartete Wucherung darauf entdeckt.

»Warum kommt ihr nicht zu unserer Hochzeit?«

»Hochzeit?« Das laserscharfe Lächeln flackert erneut auf und erlischt wieder.

»Tja, die kommt üblicherweise nach einer Verlobung.« Richard lacht.

Wenn du wüsstest, fährt es mir durch den Kopf.

»Am siebenundzwanzigsten August – nur noch sieben Wochen, nicht wahr, Schätzchen? Morgen in sieben Wochen, um genau zu sein.« Zärtlich lächelt er mir zu. Jetzt weiß ich mit Gewissheit, dass etwas nicht stimmt.

»Ihr müsst kommen, ich bestehe darauf. Wenn ihr Fliss eure Adresse gebt, schickt sie euch umgehend eine Einladung, nicht wahr, Schätzchen?«

Zwei Schätzchen innerhalb von zwanzig Sekunden. Das ist nicht der Richard, den ich kenne und verabscheue.

»Alexander und Katherine Christian, 16 Belvoir …« Schicke Adresse. Ich überfliege die Karte, die eine äußerst verstimmte Katherine Christian Richard in die Hand gedrückt hat, während sie ihm ein »Ruf mich an« zuflüsterte, das ihr Mann, das halbe Restaurant und ich hatten hören können.

»Nettes Mädchen, findest du nicht auch?«, bemerkt Richard, sobald sie außer Hörweite sind.

Finde ich nicht, aber ich werde ihm nicht die Gelegenheit verschaffen, meine spontane Antipathie gegen Katherine Christian als Eifersucht zu missverstehen.

»Wer ist sie, Richard?«

»Eine Ex.« Er fällt mit chirurgischer Präzision über seine Haricots verts her.

So viel war mir auch schon klar.

»Wie ex?« Ich bin nicht gereizt, nur neugierig.

»Och, ist jetzt schon ein paar Jahre her.«

»Was ist passiert?«

»Sie wollte mehr, als ich zu der Zeit zu geben bereit war.« Er sieht mich aus klaren braunen Augen an, den Mund voller Bohnen und Seezunge. »Sie war am Boden zerstört, als ich die Beziehung beendet habe«, fügt er hinzu.

Er wartet auf eine Reaktion. Ich weigere mich, ihm eine zu zeigen und schweige.

Er versucht es erneut. »Sie hat mich angebetet, weißt du.«

Wenn du so toll bist, warum hat sie dann einen anderen geheiratet?, denke ich wütend.

»Natürlich hat sie ihn nur geheiratet, um sich über mich hinwegzutrösten«, erklärt er selbstgefällig, womit er unwissentlich meine Frage beantwortet.

Ich sehe zu ihrem Tisch hinüber. Alex Christian fängt meinen Blick auf und lächelt. Er hat ein sehr nettes Lächeln. Außerdem hat er ein nettes Gesicht, einen athletischen Körper – geschmeidig und muskulös –, und trägt einen tadellos geschnittenen dunkelgrauen Anzug von Armani, der ihm extrem gut steht.

»Er sieht sehr nett aus«, sage ich herausfordernd und werfe noch einen verstohlenen Blick hinüber. Ehrlich gesagt hätte ich nichts dagegen, mich mit jemandem wie Alex Christian über Richard hinwegzutrösten. Wie hat Katherine den bloß an Land gezogen? Stimmt, sie ist schön, aber aus dem, was ich in der kurzen Zeit von ihr gesehen habe, schließe ich, dass diese Schönheit so tief reicht, wie ein hauchdünnes Blatt Papier dick ist. Ich mag mich irren, und es ist vermutlich nicht fair, Leute, die man kaum kennt, so schnell abzuurteilen. Aber ich bin seit vier Jahren Lehrerin und habe die Erfahrung gemacht, dass erste Eindrücke oft zutreffen. Obwohl auch ich mich schon getäuscht habe – ein Beispiel dafür sitzt mir gerade gegenüber. Und natürlich stimmt Richard nur widerstrebend zu, dass Alex Christian in der Tat ein sehr netter Mann ist.

»Oh, das ist er«, räumt Richard ein. »Ein anständiger Kerl, wirklich. Ziemlich erfolgreich. Hat eine kleine, aber recht gut gehende Werbeagentur.«

Er misst den Wert eines Menschen stets an seiner sozialen Stellung, aber wie üblich widerstrebt es ihm, andere als seine eigenen Leistungen anzuerkennen. Ein »ziemlich erfolgreich« aus Richards Mund ist gleichbedeutend mit dem »sehr erfolgreich« anderer.

»Warum um Himmels willen hast du sie eingeladen?«

»Warum nicht? Schließlich sind sie alte Freunde. Wenn ich genauer darüber nachdenke, hätte ich sie eigentlich längst auf die Gästeliste setzen sollen. Was ist los, Felicity? Willst du etwa nicht, dass eine Ex von mir zu unserer Hochzeit kommt? Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«

Ja, das würde ihm gefallen, das dürfen Sie mir glauben. Ein bisschen Eifersucht ist Balsam für sein Ego, das sowieso schon unverhältnismäßig verhätschelt wird.

»Sie ist einfach Atem beraubend, nicht wahr?« Jetzt ist er nicht mehr zu halten. »Eine richtige Schönheit.«

»Wenn man auf so was steht«, murmele ich gelassen und fahre mit dem Finger über die stumpfe Klinge meines Buttermessers. »Auf mich hat sie eher ein bisschen künstlich gewirkt. Irgendwie falsch. Falsche Nägel, falsche Wimpern, falsches Lachen. Da fragt man sich doch, ob andere Teile ihrer …« Ich deute auf mein eigenes, durchaus echtes Dekolleté.

»Oh, ich kann dir versichern, die sind echt.« Richard grinst. »Ich habe schließlich Erfahrungen erster Güte.«

»Wohl eher Güteklasse 1A«, entgegne ich und starre ihn wütend an. Ich bin nicht sauer, weil er mich provoziert, sondern weil er glaubt, mich zu provozieren.

»Oho, sind wir also doch eifersüchtig!«, kräht er zufrieden, um dann gönnerhaft hinzuzufügen: »Mach dir nichts draus, Schätzchen. Denk einfach dran, dass ich ja trotzdem dich heirate.«

»Das denkst du«, würde ich ihm am liebsten entgegenbrüllen, doch inzwischen bin ich doch wankelmütig, und der Augenblick der Enthüllung ist somit erst einmal vorbei. Ich arbeite mich stetig bis zum Boden einer weiteren Flasche Wein vor, während ich darauf warte, dass Richard sein Mahl beendet. Er kaut jeden Bissen immer erst hundert Mal, bevor er schluckt. Er erinnert mich an ein ewig wiederkäuendes Rind.

Nach dem Dessert, das ich auslasse, und dem Kaffee, den ich nicht hätte auslassen sollen, wenn man bedenkt, wie viel Wein ich in der Zwischenzeit intus habe, verlangt Richard endlich die Rechnung. Mit einer schwungvollen Bewegung reicht er dem Ober seine Platinum-Kreditkarte und erklärt dann, dass er nur schnell Katherine und Alex auf Wiedersehen sagen will.

Ich kann sehen, wie er sein extrasauberes braunes Haar glatt streicht, als er in den goldgerahmten Spiegel an der gegenüber liegenden Wand blickt, während er sich zwischen den Tischen hindurchschlängelt.

In meinen Augen ist Richard der Inbegriff von Eitelkeit. Er hat eine lang anhaltende Liebesbeziehung zu Spiegeln und verbringt vor dem Weggehen mehr Zeit im Badezimmer, als ich es je tun würde.

Ich kann nicht umhin zuzugeben, dass er sehr attraktiv ist. Als er den Raum durchquert, folgen ihm mehrere weibliche Blicke. Das Problem ist nur, dass ich ihn in etwa so attraktiv wie Wochen alten Hüttenkäse finde. Was ich dann noch mit dem Kerl mache, fragen Sie sich? Wie kann sich eine junge Frau mit jemandem verloben, dem sie am liebsten die Visage polieren würde, weil er alles andere als unsterbliche Liebe und Hingabe in ihr hervorruft?

Tja, als ich Richard zum ersten Mal begegnet bin, hat er mich einfach umgehauen, wortwörtlich sozusagen.

Richard ist Rechtsanwalt.

Ich bin Lehrerin.

Und ich bin eine schreckliche Autofahrerin.

Er hat mich vertreten, als aus einem kleinen Unfall ein riesiger Rechtsstreit wurde. Bis die abschließende Anhörung vor Gericht stattfand, war es ihm irgendwie gelungen, nicht nur den Richter von meiner Unschuld zu überzeugen, sondern auch mich davon, dass es eine echt gute Idee sei, meine Dankbarkeit zu beweisen, indem ich schnurstracks mit ihm in die Kiste steige.

Ich muss zugeben, dass er vor Gericht wirklich beeindruckend war.

Schade, dass er im Bett nicht genauso beeindruckend ist. Doch zu diesem Zeitpunkt hat mich das ganze ritterliche Tamtam so »umgehauen«, dass ich sogar bereit war, die Tatsache zu übersehen, dass er bei unserem ersten Matratzen-Rendezvous nicht nur die Socken anbehalten hat, sondern auch seine lächerliche weiß gepuderte Lockenperücke. Nichtsdestotrotz und obwohl seine Anmache in einem reichlich derben »das Gericht mag dich für unschuldig befunden haben, doch ich befinde dich für schuldig, mein Herz gestohlen zu haben« bestand, was ich zum damaligen Zeitpunkt schrecklich romantisch fand, heute aber für den Gipfel der Peinlichkeit erachte, muss ich beschämt zugeben, dass ich verdammt leicht flachzulegen war.

Die Lässigkeit, mit der Richard mich ins Bett gekriegt hat, mag auch etwas mit der Tatsache zu tun haben, dass ich in der Schule immer diejenige war, die nie einen Jungen abgekriegt hat. Ich hatte jede Menge guter Kumpels, aber ganz entschieden keine heißen Dates.

Dass es sich um eine reine Mädchenschule handelte, hat meine Chancen auch nicht gerade erhöht. Doch wenn man bedenkt, dass ich sie mit achtzehn verlassen habe und dass Richard mit sechsundzwanzig wirklich der erste Mann war, der ein dauerhaftes Interesse an mir zeigte, dann kann man mir keinen Vorwurf daraus machen, dass ich denke, etwas an mir stimme nicht (eine Meinung, die regelmäßig von meiner heiratswütigen Mutter vertreten wird). Und ebenso wenig dafür, dass ich die Gelegenheit zu einer Beziehung mit jemandem beim Schopfe ergriffen habe, der zumindest rein äußerlich alles zu haben schien, was eine Frau sich nur wünschen kann.

Zum ersten Mal im Leben konnte ich mich in mütterlicher Anerkennung sonnen, etwas, das meine Mutter nie zuvor ausgestrahlt hatte. Zumindest nicht in meine Richtung.

Ihre übergewichtige, unterdurchschnittliche Tochter hatte sich endlich einen Kerl geangelt. Und zwar keinen x-beliebigen, sondern einen, mit dem man vor Familie und Freunden prahlen konnte.

Obwohl Richard alles zu haben scheint, was eine Frau sich nur wünschen kann – Aussehen, Charme, Geist, Erfolg und einen halbwegs guten Geschmack –, kam leider nie etwas davon mir zugute. Er gehört zu den Männern, die einen auf der Tanzfläche bei einem romantischen Slow in die Arme ziehen, um dann den ganzen Song lang über die Schulter hinweg einer anderen hinterher zu gaffen.

Vermutlich ist es nicht seine alleinige Schuld. Wie heißt es so schön: Dazu gehören immer zwei. Vielleicht habe ich ihn nicht so glücklich gemacht, wie ich es hätte tun können. Vielleicht habe ich mich auch nicht als der Mensch entpuppt, für den er mich hielt.

Vielleicht liegt es an ihm, vielleicht an mir. Geht es aber darum, ob wir füreinander bestimmt sind, gibt es kein Vielleicht mehr. Da, meine Lieben, gibt es nur noch ein klares Nein.

Er braucht eine halbe Stunde, um sich zu verabschieden. Mit jeder Minute werde ich wütender und betrunkener. In regelmäßigen Abständen erschallen das falsche, klirrende Lachen und das herzhafte Röhren.

Alex Christian ist auffällig ruhig, obwohl von meinem Platz aus schwer zu beurteilen ist, ob er von den zweien absichtlich oder unabsichtlich ausgeschlossen wird, oder ob er es so will. Schließlich kehrt Richard an unseren Tisch zurück. Er schnurrt wie eine zufriedene Katze.

»Nettes Paar. Eine Schande, dass wir den Kontakt verloren hatten. Wir müssen sie mal zum Essen einladen.« Er greift nach ihrer Visitenkarte, die neben meinem leeren Glas liegt, und lässt sie in der Brusttasche seines Sakkos verschwinden.

Bei Katherine und Alex Christian drängt sich das Thema Essen geradezu auf.

Sie ist zum Kotzen, er zum Anbeißen.

Ich rotte jede Spur meiner Identität aus, indem ich mich entspanne und an Richard Gere in einer weißen Uniform denke. Er trägt mich ins Schlafzimmer, ohne zu murren – mich und meine vierundsechzig Kilo. Er legt mich auf das breite Bett und bewundert meinen prachtvollen Körper (Cellulite existiert nicht auf Zelluloid). Er beugt sich vor, um mich zu küssen. Seine Züge verschwimmen. Er wird zu dem vertrauten Unbekannten mit dem unsichtbaren Gesicht und der leidenschaftlichen Umarmung. Ist diese Traumgestalt derjenige, nach dem ich suche? Wie soll ich einen Gesichtslosen wiedererkennen? Ich öffne die Augen, und ein leibhaftiger Richard zittert einen Moment lang über mir wie ein hartnäckiger Terrier, der einen Setter besteigt.

Er erstarrt, seufzt und verschwindet aus meinem Blickfeld. Innerhalb weniger Sekunden ist er eingeschlafen. Ich bleibe zurück und schnappe frustriert nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Es mag verrückt sein, etwas Gutes aufzugeben, doch sicher ist es vollkommen irre, an etwas Schlechtem festzuhalten.

Ich greife nach dem Glas Wein neben meinem Bett. Ich rauche nicht, also gönne ich es mir, gelegentlich zu viel zu trinken. Heute ist so eine Gelegenheit. Allmählich fühle ich mich wieder umwerfend mutig und frei. Ich bin bereit, die Fesseln der Langeweile und Angepasstheit abzustreifen und zur Freiheit zu streben.

Zu Richard-freier Freiheit.

Ich sehe zu ihm hinüber, auf sein Gesicht, das so verwundbar im Schlaf aussieht. Empfand ich früher bei diesem Anblick Zärtlichkeit, so bin ich jetzt nur noch angeödet. Richard ist eine schlechte Angewohnheit, und ich bin entschlossen, mich davon zu befreien. Ich schnappe mir meine allseits präsente Handtasche, die neben dem Bett steht. Ich habe weder Stift noch Papier, also behelfe ich mich mit einem Kassenzettel und einem dunkelrosa Lipliner.

Ich bin mir nicht sicher, was ich schreiben soll. Nachdem ich mein Sprüchlein Wochen lang im Geiste geübt habe, ist mein Hirn ziemlich leer. Nur über eines bin ich mir in diesem Durcheinander hundertprozentig sicher: Richard und ich sind nicht dazu bestimmt, den Rest unseres Lebens miteinander zu verbringen.

Ich hatte mir einen wundervollen Vortrag über verschiedene Werte und eine bessere Zukunft für uns beide zurechtgelegt, wenn wir getrennte Wege gehen, aber das kommt mir in diesem Augenblick viel zu abgedroschen vor. Und viel zu freundlich.

Es ist typisch Frau, aber auch ich nehme immer die Schuld für alles, was schief läuft, auf mich und entschuldige mich überschwänglich für jede Unannehmlichkeit. Ich bin netter, wenn ich nüchtern bin, doch im Augenblick bin ich alles andere als nüchtern, dafür aber bereit, meine schlechten Eigenschaften zu übersehen und die ganze Banalität unserer Beziehung ihm anzulasten, ob das nun fair ist oder nicht.

Du bist ein kleiner Schlaffi, Richard. Leb wohl.

Dieser Abschiedsbrief ist kurz, aber erfreulich durchtrieben. Ich lese die Zeile noch einmal und kichere, aber nicht zu laut, schließlich will ich ja unseren schlafenden kleinen Rüpel nicht aufwecken. Leise stehe ich auf und tappe auf meinen Achtunddreißigersohlen über den fickfreundlichen Teppich. Richards Schlafzimmer ist prunkvoll, doch unpersönlich. Beherrscht wird es von dem überdimensionalen, ovalen Bett, das mitten im Zimmer auf einer Art Podest steht, auf dem man normalerweise einen Thron erwarten würde.

Es hat mich immer gewundert, dass er keine verspiegelte Decke hat. Er ist ein Mann für Spiegeldecken. Er kann an keinem Schaufenster vorbeigehen, ohne sein eigenes Spiegelbild begutachtet und sich selbstgefällig zugelächelt zu haben. Andererseits ist er ziemlich orgasmusgeil. Ich vermute, dass es ihn aus dem Takt bringen würde, alle fünf Sekunden innehalten zu müssen, um seinen perfekt gebauten Körper im Spiegel über sich zu bewundern.

Eine als Schrankfront verkleidete Tapetentür führt zum benachbarten Bad mit dem weiß gefliesten Boden und den goldenen Armaturen. Es ist sehr spartanisch eingerichtet. Auf der Glasablage unter dem großen Badezimmerspiegel steht Safari for Men in diversen Varianten: als Aftershave, Deodorant, Körperlotion und Duschgel. Diese Flaschen und einige flauschige weiße Handtücher sind die einzigen Beweise für eine menschliche Existenz in diesem Raum. Im Abfluss sind keine Haare, auf dem Boden liegen keine leeren Klopapierrollen, in der Ecke stapelt sich keine Dreckwäsche. Der Toilettendeckel ist heruntergeklappt, und die Handtücher hängen ordentlich auf den heizbaren Haltern.

Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, benetze meine Achselhöhlen mit Richards Aftershave und schmiere mir mit einem Finger Zahnpasta auf meine Schneidezähne. Dann wische ich mir aus purer Gemeinheit meine immer noch pflaumenroten Lippen – Richard küsst selten – an dem schneeweißen, jungfräulichen Handtuch ab und hinterlasse eine lange rote Schliere; die Jungfrau ist entjungfert.

Ich kenne Richard jetzt so lange, und noch immer sind keine Sachen von mir in seiner Wohnung. Entschuldigung, in seinem Penthouse. Er hat mir nie verboten, ihr meinen persönlichen Stempel aufzudrücken, aber er hat mich auch nie dazu ermuntert. Ich weiß, die meisten Menschen würden eine Einladung gar nicht erst abwarten, sondern dafür sorgen, dass sie wenigstens alles Notwendige zur Sicherheit dort haben. Doch aus irgendeinem Grund habe ich nie etwas hierher gebracht. Nicht mal eine Zahnbürste. Ich kehre ins Schlafzimmer zurück und ziehe mich an. Als ich mich aufs Bett setze, um meine Schuhe anzuziehen, dreht sich Richard irritiert zur Seite, wobei er die Decke mit eisernem Griff mitreißt und laut furzt.

Inzwischen ist es drei Uhr früh. Die Straßen von Oxford sind verlassen. Meine Wohnung, mein Heim, ist das totale Gegenstück zu Richards Wohnung; sie ist klein, doch sehr persönlich. Hier herrscht das Chaos. Das ist mir eigentlich nicht recht, doch nach achtundzwanzig Jahren unter der Fuchtel einer tyrannischen Mutter ist Schlampigkeit ein willkommener Weg, um die eigene Unabhängigkeit zu betonen.

Ich fühle mich schuldig, doch befreit, und schenke mir mein übliches Ritual des Duschens und sorgfältigen Abschminkens. Stattdessen lasse ich mich angezogen aufs Bett fallen und futtere einen Riegel Mars, den ich mir aus dem Kühlschrank geholt habe. Aus irgendeinem Grund kriege ich immer Heißhunger, wenn ich blau bin.

Mir ist klar, dass ich am nächsten Morgen beim Aufwachen aussehen werde wie ein Panda, mit der Wimperntusche, dem pflaumenfarbenen Lidschatten und dem schwarzen Kajal um meine blutunterlaufenen Augen, aber ausnahmsweise ist mir das egal. Zum Teufel mit dem Versuch, mein Aussehen um meines Liebeslebens und meines zukünftigen, hoffentlich faltenfreien Glücks willen zu bewahren – zumindest das, was ich an Aussehen habe.

Eine gute Seele sagte einst zu meiner Mutter: »Fliss wird nie hübsch sein, aber es gibt Augenblicke, da sieht sie schön aus.«

Ist es nicht seltsam, wie manche Bemerkungen, ganz egal wie gedankenlos sie hingeworfen wurden, einen ein Leben lang brandmarken?

Ich habe versucht, einen dieser seltenen Augenblicke festzuhalten, in denen ich zwar nicht hübsch bin, aber als schön bezeichnet werden könnte, um ihn dann ganz nach Belieben zu reproduzieren, doch es funktioniert nicht. Man sollte meinen, in letzter Zeit hätte ich mehr Glück gehabt, bei allen Hätscheleien, denen ich mich in Vorbereitung auf das »große Ereignis« unterworfen habe. All die Maniküren, Sauerstoffampullen, Cellulite-Massagen, die Pediküren, die Algenwickel, der grässliche Schmerz beim Epilieren … O Mann, vor ein paar Wochen wollte meine Mutter mich sogar dazu überreden, mir die Lippen aufspritzen zu lassen. Aber wahrscheinlich kann ich von Glück sagen, dass sie mir nicht gleich eine Ganzkörpermodellage mit Hilfe der plastischen Chirurgie vorgeschlagen hat.

Sie hat mich für den Tag gedrillt – na ja, versucht zu drillen trifft es wohl eher –, an dem von jeder Frau erwartet wird, strahlend schön zu sein, nämlich ihren Hochzeitstag – meinen Hochzeitstag –, und das seit meiner Geburt. Es war ihre Idee, mich Felicity zu nennen. Einen mädchenhafteren Namen gibt es wohl kaum. Er passt nicht wirklich zu mir, denn ich bin nicht besonders mädchenhaft.

Ich denke, darin liegt einer der Hauptgründe, warum wir uns nie wirklich verstanden haben.

Sie wollte ein Püppchen, dem sie rosa Kleider anziehen konnte, mit Locken und einem engelsgleichen Lächeln. Etwas, das sie vorzeigen, auf das sie wahnsinnig stolz sein und das sie zu Ballettstunden schleppen konnte.

Stattdessen bekam sie einen ungelenken Wildfang, der schneller aufschoss als ein beim Jäten entgangenes Unkraut im schönsten Teil des Gartens, pausenlos Jeans trug, in den ersten, androgynen Jahren häufig für einen Jungen gehalten wurde und glücklich war, sich auf einem durchschnittlichen Schulniveau durchzuschlagen statt die luftigen Höhen zu erreichen, von denen die Frau Mama träumte.

Ziemlich lange habe ich mir tatsächlich sehnlichst gewünscht, ein Junge zu sein, sodass ich mit meinem Vater fischen gehen oder im Garten bis zu den Achselhöhlen im Dreck hätte wühlen können – sein liebster Zeitvertreib –, ohne mir den Zorn meiner Mutter zuzuziehen. Mit ungefähr vierzehn habe ich schließlich in Form einer reichlich unkontrollierten Schwärmerei für Bono von U2 die Jungs für mich entdeckt. Und plötzlich war ich sehr froh, ein Mädchen zu sein.

Meine Mutter gehört zu den Frauen, an denen die sexuelle Revolution einfach vorbeigegangen ist. Sie wuchs zu einer Zeit auf, als man von Frauen erwartete, die Schule abzuschließen und zu heiraten. Und das war’s. Keine Karriere, keine Wahl und nichts zu sagen in der Zukunft, die einem vorherbestimmt war. Von frühester Kindheit an war ihr eingetrichtert worden – obwohl ich bezweifle, dass sie es jemals wirklich geglaubt hat, daher ihr Groll –, dass Frauen nur für eines gut sind.

Fürs Heiraten.

Zumindest die meisten Frauen. Bei mir ist das was anderes.

Meine Mutter hatte die Hoffnung fast aufgegeben, mich je noch loswerden zu können.

Im Gegensatz zu meiner jüngeren Schwester, Sally-Anne, die hübsch, zierlich und in jeder Hinsicht weiblich ist und immer scharenweise Verehrer hatte, seit sie im zarten Alter von drei Jahren gelernt hat, mit ihren langen schwarzen Wimpern zu klimpern, bin ich etwas zu groß, um anmutig zu wirken, total süchtig nach Schokolade, die ich in meinem Kühlschrank und auf meinen Hüften horte, total unbeleckt von der wundervollen Gabe weiblicher Tücke und laut meiner Mutter ein hoffnungsloser Fall.

Deshalb liebt sie auch Richard so sehr. Das ist, als würde man seine Tochter in der Erwartung an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen lassen, einen kläglichen letzten Platz zu belegen, um dann herauszufinden, dass sie den ersten Preis gewonnen hat. Und dieser erste Preis ist Richard Trevelyan.

Als ich ihm begegnet bin, konnte meine Mutter ihr Glück kaum fassen. Er hatte alles, was ein Mann ihrer Meinung nach haben musste. Sie liebt ihn, meine Schwester Sally liebt ihn, und nur mein wunderbar einfühlsamer Vater findet, er sei ein Arschloch. Aber seit wann zählt Dads Meinung? Ich glaube, meine Mutter würde Richard selbst heiraten, wenn sie könnte.

Ich kann nicht glauben, dass ich ihn je heiraten wollte. Eine Hochzeit in Weiß, mit allem Drum und Dran, und ich sehe aus wie ein Himbeerbaiser in dem Fummel, den meine Mutter ausgesucht hat. Jetzt hängt er da, gleich hinter der Tür, und verhöhnt mich wie der Geist von Miss Havisham in Große Erwartungen von Charles Dickens.

Nicht dass ich je große Erwartungen in Bezug auf ein Leben mit Richard gehabt hätte. Er ist der leichte Weg, die vernünftige Wahl. Aber was ist mit dem Glück, diesem ekstatischen Hochgefühl, das man empfinden sollte, wenn man kurz davor steht, den Mann seiner Träume zu heiraten? Was ist mit dem Romantikfaktor? Was mit den pochenden Herzen und den aufspringenden Blusen? Ich fürchte, gar nichts.

Wenn ich an Richard denke, verspüre ich nicht das Verlangen, lyrisch zu werden oder Berge zu versetzen. Ich will keine Kinder von ihm, und ich will nicht einmal seine Schmutzwäsche waschen – ein wahrer Härtetest für die Liebe.

Wenn ich Richard ansehe, will ich sein Gesicht nicht mit Küssen bedecken. Ich will nicht über ihn herfallen und ihm die Klamotten vom Leib reißen. Stattdessen würde ich ihm viel lieber dieses ewige, selbstgefällige Idiotengrinsen ausprügeln.

Es ist wohl nicht weiter überraschend, dass ich zu dem Schluss gelangt bin, ihn nicht zu lieben.

Die einzige Euphorie, die ich seit langem fühle, stellt sich ein, wenn ich dieses Kleid ansehe und mir vor Augen halte, dass ich das verdammte Ding doch nicht tragen muss.

Allein sein Anblick löste normalerweise schon ein ungutes Gefühl in mir aus. Traurig, nicht wahr? Einer Hochzeit sieht man doch sonst freudig entgegen, insbesondere der eigenen. Welcher Teufel mich geritten hat, der Heirat mit Richard zuzustimmen, höre ich Sie fragen, wenn doch allein der Gedanke an seine Atemgeräusche Mordgelüste in mir auslöst?

Ich glaube, zum Teil liegt es an meinem Selbstwertgefühl oder vielmehr dem Mangel daran. Ich hatte ernsthaft angefangen zu glauben, dass ich keinen abkriegen würde. Meine Mutter hatte es mir so lange eingebläut. Als Richard dann um mich anhielt – begehrenswert, erfolgreich, klein, dunkel und gut aussehend, wie er war –, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf. Und wenn man sich so danach sehnt, verliebt zu sein, ist es sehr leicht, sich einzubilden, man sei es tatsächlich.

Und warum jetzt die Kehrtwendung? Eine Frage des Selbstschutzes. Ich bin wie ein kleines Dorf, das vom Walfisch Großstadt verschluckt wird und die eigene Individualität verliert. Oder wie das Steak, das von der Pfeffersoße ertränkt, ausgelaugt und verfälscht wird und dabei seinen Eigengeschmack völlig verliert. Allerdings hat mir jemand einen Rettungsring zugeworfen und mich an Land gezogen.

Dieser Jemand war Caro.

Ich bin seit vier Jahren Lehrerin an der hiesigen Mädchenschule, wo Caro seit neuestem Schauspiel unterrichtet.

Außerdem ist sie eine Freundin aus Kindertagen, die ich zuletzt als rappeldürre, pferdenärrische Elfjährige gesehen hatte. Ich verlor den Kontakt zu ihr, als ihr Vater, ein ziemlich hohes Tier im diplomatischen Korps, eine Stelle in Hongkong antrat. Sie ist vier Jahre älter als ich und hat mich immer schrecklich herumkommandiert, doch ich habe sie unterwürfig verehrt und Wochen lang geheult, als sie weggezogen ist. Viel hat sich nicht geändert seit unserer Kindheit, nur dass sie nicht mehr so lautstark herumkommandiert.

Seit sie wieder in mein Leben getreten ist, hat Caro mir eine neue Perspektive im Dasein gegeben. Sie ist inzwischen selbst glücklich mit einem wundervollen Landwirt namens David verheiratet, dessen Ländereien an der Grenze zu den Chiltern-Hügeln liegen. Er ist fünfzehn Jahre älter als Caroline. Gemeinsam kümmern sie sich um seine beiden Kinder aus erster Ehe im Teenageralter, einen Hund, eine Schar Gänse im Garten und die wunderbarste und idyllischste Beziehung, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe andere Freunde, die glücklich verheiratet zu sein scheinen, doch Caro und David haben das gewisse Extra.

Sie sind dicke Freunde. Sie foppen, unterhalten und ergänzen sich. Dabei sind sie völlig verschieden. Caro ist extrovertiert, lebhaft, künstlerisch, David solide und verlässlich, doch gleichzeitig einfühlsam und fantasievoll – ein seltenes Exemplar von einem Mann. Sie passen perfekt zueinander. Sie zusammen zu sehen hat gereicht, um mir klar zu machen, dass auch ich mehr will.

Ich will jemanden, der mit mir bis zum Morgengrauen über gemeinsame Leidenschaften redet; jemanden, der für seine Frau und deren Freundin ein umwerfendes Essen zaubert, um dann zu verschwinden, ohne es auch nur gekostet zu haben, damit sie in Ruhe quatschen können; jemanden, der mit mir im Mondschein tanzt.

Als ich das letzte Mal bei Caro und David war, hatten wir eine herrlich milde Sommernacht von der Sorte, wo man um Mitternacht die Decke von sich wirft und bei weit geöffnetem Fenster daliegt. Man genießt einfach die leichte Brise, die sacht über den nackten Körper streicht, und lauscht den gedämpften Geräuschen der Nacht.

Nun, in dieser Nacht wurden die gedämpften Geräusche auf freche, aber erfreuliche Weise von Sarah Vaughan unterbrochen, deren Stimme aus einem alten Grammophon drang. Als ich, angelockt von der Musik, auf nackten Sohlen über die glänzenden Dielen zum Fenster schlich, sah ich sie unten, eng umschlungen, wie sie im Obstgarten tanzten. Durch die offenen Balkontüren fiel das Licht auf sie und hüllte sie ein wie ein Bühnenscheinwerfer.

David streichelte Caro über das goldene Haar, während seine andere Hand freundlich, aber mit Nachdruck auf ihrem Hintern ruhte. Ich konnte hören, wie er ihr zur Musik leise »Misty« ins Ohr sang. Von den Obstbäumen rieselten Blütenblätter wie Konfetti bei einer Hochzeit.

Kitschig? Vielleicht.

Romantisch? Auf jeden Fall.

In diesem Moment habe ich mich entschieden. Ich will jemanden, der um Mitternacht mit mir zu alten Schnulzen tanzt, der mir ins Ohr singt, der mich wie eine Freundin und wie eine Geliebte behandelt und für den ich das Wertvollste auf der Welt bin. Verlange ich zu viel? Mag sein, doch ich weiß jetzt, dass Richard und ich das nicht haben und dass ich mehr wert bin. Auf jeden Fall mehr als eine hoffnungslose Beziehung mit jemandem, der ein Verhältnis von neunundneunzig zu eins für ausgeglichen hält.

Nachdem ich mich einmal entschieden hatte, kam es mir vor, als wäre eine tonnenschwere Last von mir genommen. Meine Mutter mault immer, ich solle keinen Rundrücken machen – ich bin gewohnt, Richards Mangel an Zentimetern zu kompensieren –, doch ich bin mir sicher, meine Schultern haben sich unter der Last all meiner Sorgen gebeugt. Bin ich jetzt aufrechter? Ich rappele mich unsicher vom Bett hoch, ziehe mich aus und stelle mich nackt vor den Ganzkörperspiegel, der immer dann kippt, wenn man es nicht will, und der Sally fast eine Gehirnerschütterung einbrachte, als sie in ihrem rosa Brautjungfernkleid davor posierte.

Rosa – würg! Mir gefällt Rosa nicht einmal.

Ich werfe den Kopf zurück und straffe die Schultern. Meine langen braunen Haare fallen bis auf die Schulterblätter. Meine Haut wirkt im Licht der Lampe dunkler. Braune Haare, braune Augen, braune Haut … alles braun, wie bei einer Zigeunerin. Leicht rundlich, aber nicht unattraktiv: volle Brüste, pralles Hinterteil, lange Beine. Gar nicht so übel, denke ich, betrunken wie ich bin und in dem trüben Licht.

Ich richte mich auf, um den Spiegel dazu zu bringen, nicht nur mich, sondern auch meine neue Entschlossenheit zu zeigen.

Doch, ich bin sicher, dass ich mehrere Zentimeter größer bin. Morgen muss ich groß sein, wenn ich Mutter gegenübertrete. Ich werde ihr geradewegs in die eisblauen Augen sehen und ihr sagen, dass die Hochzeit gestorben ist. Sie wird eine neue Fliss erleben, eine starke Fliss, eine, die weiß, was sie will, und mit beiden Händen zugreift. Eine Fliss, die sich einen Dreck darum schert, was ihrer Mutter gefällt oder nicht … Eine Fliss, die sich selbst etwas vormacht und in eben diesem Moment darüber nachdenkt, ob sie nicht lieber ganz schnell zu Richard zurückfahren und den hastig geschriebenen Zettel vernichten soll, der ihrem Leben mit einem Schlag eine ganz neue Richtung geben wird.

Die wunderbare, trunkene Seifenblase droht zu platzen. Ein furchtbares Gefühl der Panik macht sich breit. Soll ich Zuflucht im Schlaf oder in einer weiteren Flasche Wein suchen? Ach, was soll’s, ich kann ja doch nicht schlafen. In der Küche öffne ich eine Flasche guten australischen Shiraz, den ich für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt hatte.

Meine Katze Hastings (diesen Namen hat sie, weil das Leben mit ihr eine lange Willensschlacht ist), die sowieso schon angewidert ist, weil ich so spät dran bin und ihr nur eine alte Dose Sardinen in Tomatensoße zum Abendessen anbieten konnte, verfolgt mich aus dem Winkel eines ihrer verschlafenen grünen Augen.

Hätte sie Augenbrauen, würde sie sie bis in den Himmel hochziehen. Könnte sie sprechen, würde sie vorwurfsvoll »schon wieder betrunken« sagen. Stattdessen stapft sie, da ich sie von ihrem Platz zwischen dem Weinregal und dem Toaster vertrieben habe, von dannen und rächt sich, indem sie besagte Sardinen in meine Pantoffeln erbricht und anschließend ihre Schnauze an meiner Bettwäsche abputzt.

Kapitel 2

Um halb acht werde ich vom Klingeln des Telefons geweckt. Es gibt nur einen Menschen, der mich so früh an einem Samstag anrufen würde. Einen Menschen, der statt seines üblichen Samstagmorgenrituals, bestehend aus einem heißen Frühstück und lauwarmem Sex, nur ein leeres Bett vorgefunden hat.

»Bist du das, Fliss?«

Mein Schädel hämmert, ich habe einen gewaltigen Kater, Katzenkotze im Haar und kann mich vage daran erinnern, dass ich etwas haarsträubend Unerhörtes getan habe.

»Nein, hier ist die chinesische Wäscherei.«

Angeekelt streiche ich die betroffene Haarsträhne aus meinem Gesicht, klemme mir den Hörer auf die saubere Gesichtsseite und taumele ins Bad.

»Lass den Blödsinn.« Er klingt verärgert. »Was um Himmels willen hast du angestellt?«

»Ich habe geschlafen. Und du?«

»Felicity!«

Oho, mein voller Name. Jetzt weiß ich, dass er verärgert ist.

»Was zum Teufel ist los? Warum bist du nicht hier, und was soll dieser Zettel?«

Zettel? Au Backe. Meine Erinnerung wacht fünf Minuten nach dem Rest meines Gehirns auf. Ich habe ihm einen Zettel geschrieben, nicht wahr? Daran kann ich mich noch erinnern, aber mir will ums Verrecken nicht einfallen, was ich geschrieben habe, beziehungsweise was die zwei Flaschen exzellenten Burgunders für mich geschrieben haben, um genau zu sein.

Ich stecke die linke Kopfhälfte unter die Dusche und fange an, drauflos zu plappern.

»Dieser Zettel? Tja, ja, äh … Ich weiß, es ist feige, einfach eine Nachricht zu hinterlassen, aber ich bin einfach redegewandter, wenn ich die Dinge aufschreibe … Moment mal, kurzer Wechsel.«

Ich klemme mir den Hörer ans rechte Ohr und wasche die linke Seite.

»Felicity!«, donnert Richard, als ich für einen Moment verstumme.

»Tut mir Leid, bin schon fertig … Was hast du gerade gesagt? Ach, ja … ja, also … wie ich schon sagte … wenn ich jemandem ins Gesicht sehe und versuche, etwas Wichtiges zu sagen, ist mein Kopf auf einmal wie leer gefegt. All die sorgfältig einstudierten Sätze sind wie weggewischt, wie verrückte Lemminge, die sich über die Klippen meines Geistes stürzen …«

»Das hier würde ich kaum redegewandt nennen«, faucht er. »Hör auf, so einen Unsinn zu reden. Ich habe dich etwas gefragt, und ich verlange eine Antwort. Was soll dieser Zettel?«

Seine Verärgerung schlägt in Zorn um. Ich höre, dass sein Tonfall harscher wird.

»Nun, die Nachricht spricht doch für sich selbst, oder?«, schlage ich lahm vor. Ich sehe den Inhalt verschwommen vor mir, kann mich aber nach wie vor nicht an den genauen Wortlaut erinnern.

»Felicity!« Vor Entrüstung steigt seine Stimme um eine Oktave. »Ich verlange, dass du mir erklärst, was dieser Zettel soll!«

Er erinnert mich an einen hartnäckigen, lästigen Papagei, der nur einen Satz beherrscht.

Ich denke angestrengt nach. Ja, klar, jetzt fällt es mir wieder ein. Mein vom Kater vernebelter Kopf hüllt mich nicht mehr in Unwissenheit, und plötzlich erscheint die Zeile von letzter Nacht in fetten roten Neonbuchstaben vor meinem inneren Auge.

Ich bin selbst überrascht.

Habe ich das wirklich geschrieben?

Und es überrascht mich, dass ich eher zufrieden mit mir bin statt entsetzt.

»Felicity!« Er brüllt jetzt förmlich wie eine große, hungrige Raubkatze. Ich bin sicher, dass er mich entweder schütteln oder erwürgen würde, wenn er mit den Händen durch die Leitung greifen könnte.

»Tja, Richard«, sage ich langsam, damit er mich auch versteht, denn ich habe nicht die Absicht, alles zu wiederholen. Außerdem ist dann das Zittern in meiner Stimme nicht mehr so deutlich zu hören. »Frei übersetzt würde ich sagen, es bedeutet: Verpiss dich, du langweiliger kleiner Arsch.«

»Ich sehe, was da steht!«, brüllt er. »Aber ich will wissen, was es bedeutet

Einen Moment lang zögere ich, doch der Moment ist sehr kurz.

Jetzt oder nie, der alles entscheidende Punkt. Ich atme tief durch.

»Es bedeutet, dass es vorbei ist, Richard, aus und vorbei, finito. Ist das deutlich genug für dich?«

»Was?«

»Ich habe genug. Ich will dich nicht heiraten.«

Endlich komme ich zum Punkt. Gott sei Dank, es hat lange genug gedauert.

»Was?«, wiederholt er ungläubig.

»Die Hochzeit ist abgeblasen. Ich werde dich nicht heiraten. Die ganze Sache ist verflucht noch mal vorbei …«

Gott sei Dank gibt es das Telefon. Von Angesicht zu Angesicht wäre ich sicher nicht so direkt.

»Das ist doch verrückt. Bist du krank?«, fällt er mir ins Wort. »Das muss es sein. Ich komme zu dir.«

»Nein! Das halte ich für keine gute Idee …«, widerspreche ich, da ich weiß, dass eine direkte Konfrontation im Augenblick meine Kräfte übersteigen würde. Doch es ist zu spät, er hat bereits aufgelegt.

Richard kommt hierher!

Hilfe!

Panisch fege ich in der Wohnung auf und ab, wie eine Wespe, die in einer Limonadenflasche gefangen ist. Wie Sie ja bereits wissen, ist der gewaltige Mut der vergangenen Nacht dem gewaltigen Kater des heutigen Morgens gewichen, was vernünftigem Denken nicht gerade förderlich ist.

Ich wage nicht, Richard gegenüberzutreten.

Wenn ich es gewagt hätte, dann hätte ich nicht den verdammten Zettel geschrieben, sondern es ihm ins Gesicht gesagt und mir enorme Genugtuung verschafft, indem ich hätte beobachten können, wie der selbstgefällige Ausdruck für einen Moment verschwindet.