ELISABETH HERING

DER BILDHAUER DES PHARAO


Schutzumschlag und Einband sowie die Federzeichnungen nach ägyptischen Wandbildern schuf Gerhard Stauf

Du willst mir also nicht helfen, Neb’wer? Willst nicht bezeugen, dass das Land, nach dem die Priester des Amon die Hand ausstrecken, schon unserm Großvater gehört hat?

Rui blickt starr vor sich hin, während er diese Worte spricht, und er sieht den Bruder nicht an.

Neb’wer stößt den Atem laut durch die Nase. »Hab ich umsonst gesprochen?« fragt er traurig. »Sag, willst du mich nicht verstehen, oder kannst du mich nicht verstehen?«

»Nein, ich kann dich nicht verstehen!« begehrt Rui auf. »Der Vater unseres Vaters hat das Land vom Pharao erhalten - vom Großen Thut’ mesu, den er als Militärschreiber auf seine Feldzüge in das elende Retenu begleitet hatte. Und so lange einer aus unserer Familie noch irgendwo Schreiber ist in der königlichen Verwaltung, so lange gebührt uns dieses Land laut der Urkunde, die wir besitzen! Auch du hast ein Anrecht darauf! Hast du nicht immer den Anteil von der Ernte erhalten, der dir zustand? Aber wenn ich jenen Geschorenen nachgebe, die mit ihrer Habgier das ganze Land aussaugen, so verlierst auch du dein Eigentum!« »Ich verzichte darauf, Rui, ich habe es dir deutlich genug gesagt! Ich bin nur ein kleiner Schreiber des Rinderverwalters der Großen Königsgemahlin Teje - doch ich habe mein Auskommen. Besser, sich unter den Schutz eines Großen zu stellen, als einen Großen zum Feinde zu haben!«

»Und haben wir nicht Anspruch auf den Schutz eines noch Größeren? Ist der ›Gute Gott‹, der Pharao, nicht Herr der beiden Länder? Herr des Oberen Reiches und Herr des Unteren Reiches? Und hat nicht unser Großvater seinem Vorfahren gedient? Muss uns also der Urenkel nicht schützen gegen die Übergriffe der Priester?«

»Kann er denn sich selbst schützen vor ihren Anmaßungen? Du siehst die Welt nicht wie sie ist, Rui! Ich habe dir das schon oft gesagt. Von Abu, der Stadt des Elfenbeines, wo der Strom durch das Felsengebirge bricht und sich in unser Land ergießt, bis zu den Festungen am Meer ist der dritte Teil des gesamten Landes in den Händen des Amon. Er hat den König gezeugt! Er hat ihn groß werden lassen! Er die Fremdländer unter seine Sandalen gegeben! Und da meinst du Narr, dass der Sohn sich in Widerspruch stellen würde gegen seinen göttlichen Vater? Und ... dass er das tim würde ... um eines kleinen Schreibers willen, der seinem Urgroßvater gedient hat?«

»Aber es gibt doch ein Recht im Lande! Ein Recht und ein Gesetz! In meinem Besitz ist doch die Urkunde, die der Schreiber des Großen Thut’mesu dem Vater unseres Vaters ausgestellt hat! Der Richter wird nicht umhin können, sie anzuerkennen. Und ... wird es ihm nicht vielleicht sogar eine Genugtuung sein? Denn ... ist nicht auch dir bekannt, wie man im Lande über die Priester des Amon spricht? Nicht bekannt, wie unser König, unser Guter Gott Amen’hotep, zu ihnen steht? Dass er selber mit aller Kraft ihren Einfluss einzudämmen versucht? Und dass er einen Prinzen aus dem königlichen Hause nach Norden geschickt hat als Hohenpriester in den Tempel des Ptah und ihn im Rang erhöht hat über den Hohenpriester des Amon?«

»Freilich, Rui, weiß ich das alles. Aber ebenso weiß ich auch, dass keiner der Könige vor ihm so gewaltige Tempel dem Amon errichtet hat, wie unser jetziger Pharao, dieser dritte Amen’hotep I Wer hat den Torbau des nördlichen Heiligtums bis in den Himmel aufgetürmt? Wer hat der Gemahlin des Amon, der löwenköpfigen Göttin Mut, einen Palast erbaut, in dessen Höfen sich ihre granitenen Standbilder zu Hunderten reihen? Wer hat im nördlichen Tempel des Gottes bis zu seinem Frauenhaus im Süden eine Prunkstraße geschaffen, für die ganze Häuserreihen geopfert werden mussten, und hat sie mit widderköpfigen Sphinxen gesäumt? Und hat palmenüberwölbte Alleen angelegt bis zum Ufer des Stromes hinunter, mit Obelisken und Königsstatuen zu beiden Seiten?

Und wenn wirklich einmal der Versuch eines Widerstandes gegen die Macht der Priester des Amon vom König ausgegangen sein sollte - jetzt ist er alt, ist von Krankheit geplagt, vielleicht dem Tode schon nahe. Und Wa’en’re, sein einziger Sohn ...« - »wird erzogen von Eje, dem Leiter der Kampfwagentruppen, und nicht in den Reichsheiligtümern, nicht von den Priestern des Amon!

Und wenn der Prinz auch noch sehr jung ist - steht nicht hinter ihm Teje, seine Mutter? Und ist sie nicht die Tochter eines Priesters des Min? Erzählt man nicht von ihr ...« - »dass sie sehr klug ist! Sehr wohl die Machtverhältnisse im Staate kennt! Sehr wohl weiß, wie weit ihr Einfluss reicht und was ihm entzogen ist!

Rui, mein Bruder! Wenn du ein Kälbchen großgezogen hast mit viel Mühe und Plage, und du gehst, es zu Markte zu führen, und ein Löwe begegnet dir am Wege und duckt sich zum Sprung und brüllt – würdest du dann sagen: ›Mein ist das Kalb! Schon seine Mutter hat meinem Vater gehört, und ich habe es aufgezogen!‹? Und würdest du dann Hilfe erwarten von einem Wildstier, der den Löwen - vielleicht! - auf seine Hörner nimmt? Oder ... wirst du das Kälbchen stehen lassen und davonlaufen und dein Leben retten?«

 

Dieses Gespräch wurde geführt im südlichen Iwni in einem am Rande der Stadt gelegenen Gehöft. Es ist aus getrockneten Lehmziegeln errichtet - größer als die Hütte eines Bauern, aber geringer als das Besitztum eines Vornehmen. Rui, sein Eigentümer, bestellt das Land mit eigener Hand, und er hat dazu keine anderen Hilfskräfte als fünf Söhne und drei Töchter, und Teni, seine Frau.

In Jahren, da der Strom weithin das Land überschwemmt, haben sie ihr gutes Auskommen. Die Felder geben Korn und Flachs, der Garten Zwiebeln und Bohnen, Kürbisse und Lattich. Die Sykomore darin, die den Brunnen beschattet, lässt sie zu ihrer Zeit ihre feigenartigen Früchte ernten, den Samen des Leins zerstampfen sie und pressen daraus öl, und für das Linnen, das Teni und die Töchter zu weben verstehen, tauschen sie ein, was sie sonst noch zum Leben nötig haben. Wenn die Beamten der königlichen Verwaltung kommen, gibt Rui die Steuer an Gerste und Emmer und an Leinwand und Öl - was aber der Garten trägt und was das Geflügel einbringt und die Ziegen und die Schafe, das bleibt ihm unversteuert. Wenn freilich der Strom nicht zur rechten Zeit über die Ufer tritt - wenn er die Felder nicht überschwemmt, so dass die Trockenheit sie zerreißt und kaum ein grüner Halm gegen den Dursttod aufkommt - dann hegt drückende Not über dem Land.

Ganz so schlimm zwar ist es in diesem Jahr nicht gewesen - aber die Wasser des Stromes waren nur mäßig gestiegen, und mancher Acker, der ein andermal reichlich Frucht getragen hatte, war diesmal unbestellt geblieben. Der König hatte die Steuern gesenkt und die Kornspeicher aufgetan - die kleinen Leute, die keine Vorräte besaßen, wurden vom Guten Gott gespeist. Doch Rui war stolz gewesen, dass er den Beamten, die kamen, die Ernte abzuschätzen, zeigen konnte, dass seine Felder nicht unfruchtbar geblieben waren. Er hatte Gräben gezogen und mit seinen Söhnen das Land bewässert. Tag für Tag hatten sie die schweren Krüge vom Ufer des Stromes hinauf geschleppt, waren am Abend todmüde auf ihr Lager gefallen und hatten mit Sonnenaufgang die Arbeit von neuem begonnen. Und nun hat Rui die Genugtuung, dass seine Kinder in diesem Winter nicht gerade zu hungern brauchen!

Nicht jeder hat seinem Land so viel abzuringen verstanden wie er. Mancher hat mit verschränkten Armen vor der staubigen und aufgesprungenen Erde seines Ackers gestanden und tatenlos das Land dem Durst überlassen, denkend: ›Wenn der Gott es nicht tränkt, was will ich unternehmen?‹ Mancher auch hat sich wohl angestrengt gleich ihm, aber sein Land ist höher gelegen oder ist weniger gut im Boden. Und selbst die Felder, die dem Tempel des Amon gehören, sind zum Teil schlechter als die seinen. Und das auch ist es ja, was die Herzen der Amonspriester so gegen ihn erregt, zumal es ihnen schon lange ein Dorn im Auge gewesen ist, dass seine Äcker inmitten der ihren liegen.

Damals freilich, als Thut’mesu dem Großvater Land zuteilte, hatte noch weit und breit viel Boden dem König gehört, der Ahn hatte ein Stück erhalten, das günstig lag und das gute Erde aufwies. Aber schon unter seinem Sohn, dem zweiten Amen’hotep, war eine Schenkung nach der ändern an die Tempel des Amon gegangen, bis rund herum alles in seiner Priester Händen war. Und auch im Tempel des Month waren Statuen des Reichsgottes aufgestellt worden.

Ein vierschrötiger, breitgesichtiger Mann ist Rui, mit Augen, die unter buschigen Brauen heraus trotzig auf den Bruder blicken, der aufgestanden ist, um sich zu verabschieden. Wie - dreimal hat Rui nach ihm geschickt, bis er sich endlich bequemte, nach Iwni heraus zu kommen? Und es ist doch gar nicht weit von No-Amun, der Hauptstadt, in der Neb’wer wohnt, bis zu dem Ort, wo sein väterliches Anwesen liegt und also auch seine Heimat ist! Und nun will er nicht einmal beim Bruder übernachten? Schlägt gar die von Teni für ihn bereitete Mahlzeit aus mit der Begründung, dass er wohl wisse, wie knapp die Ernte gewesen sei und wie viele Köpfe Rui zu ernähren habe? Und nun verabschiedet er sich mit vielen Worten und beteuert noch einmal sein eigenes Unvermögen, ermahnt den Bruder auch noch einmal zur Besonnenheit - doch Rui verstummt unter seinem Redeschwall, er begleitet ihn auch nur wenige Schritte bis gerade vors Haus - nur so weit, wie es der notdürftigste Anstand erfordert, geht nicht mit ihm zum Strand, hilft ihm nicht, das Boot ins Wasser zu stoßen - mag das doch einer der Söhne tun (oder auch nicht), er kümmert sich nicht darum - zu tief sitzt die Bitterkeit in seinem Herzen.

Abbildung

Ist es denn wahr, was der Bruder gesagt hat, dass Amon den Königen die Macht verliehen hat und dass sie deshalb sich ihm beugen müssen? Oder ist es wahr, was viele der Leute aus Iwni sagen, dass nicht Amon die Könige großgemacht hat, sondern die Könige den Amon, indem sie ihm Tempel bauten und ihn mit Tempelgut mästeten, bis seine Priester sich größere Macht anmaßten, als sie ihnen, den Königen selbst, zugestanden? Ist es wahr, dass Rê-Harachte, der Falkengott, der die Sonnenscheibe auf seinem Haupte trägt und den man in Iwni unter dem Namen Month verehrt, der ältere Gott ist, und dass der Urhügel, die erste Erhebung des Landes, die aus dem Nun, dem Urgewässer, stieg, gar nicht No-Amun ist, wie die Amonspriester behaupten, sondern dass es das nördliche Iwni ist, das lichte Sonnenauge in diesem Land?

Und kann er überhaupt - kann er sein Erbe ohne Widerspruch den Priestern überantworten und ihnen, wie sie es von ihm fordern, die Hälfte seiner Erträgnisse geben - kann er das tun, ohne die Maat zu beleidigen, die Göttin der Gerechtigkeit, der Ordnung, der Wahrhaftigkeit? Denn wenn er dereinst, an jenem Tage der Angst und des Zitterns, vor den unerbittlichen Zweiundvierzig steht, den Totenrichtern, die sein Herz auf die eine Schale der Weltenwaage legen und auf die andere das Standbild der Maat - wie wird es ihm dann ergehen, wenn er jetzt feige ist und das Unrecht geschehen lässt?

 

Es dauert nicht lange, da wird ein Richter nach Iwni gesandt, den Streit zwischen Rui und den Priestern des Amon zu schlichten.

Zu Tode erschrocken ist Teni, als zwei Leute vom Polizeitrupp, zwei hochgewachsene, schwarze Mato’i, kommen, um Rui vor Gericht zu entbieten. Kein Wort hatte der Gatte von diesem Handel ihr gegenüber verloren! Als er mit Neb’wer sprach, hatte sie in der Küche gestanden, das Mahl für den Gast zu bereiten. Nur abgerissene Gesprächsfetzen waren ihr zu Ohren gedrungen, und sie hatte keinen Sinn daraus entnehmen können.

Klein und zart ist die Frau des Rui. Vierzehn Geburten haben ihren Leib erschöpft, der Tod von sechsen ihrer Kinder ihre Seele abgemattet. Still tut sie ihre Arbeit in Haus und Hof und Garten, nimmt hin, was die Götter ihr schicken an Freude und Kummer, sagt auch diesmal kein Wort des Vorwurfs zu ihrem Mann, den sie vom Felde holt, sieht ihn nur mit einem stummen Blick von der Seite an. Wie eingefallen sein Gesicht ist! Wie müde sein Schritt!

Rui entnimmt einem großen Tongefäß, das ein der Wand seines Schlafgemachs lehnt und zur Aufbewahrung wichtiger Dokumente dient, die Urkunde, sagt mit einer Stimme, die harmlos klingen soll: »Sei ganz ohne Sorge! Das Recht ist auf meiner Seite!« und entfernt sich rasch. Teni tritt in die Tür und blickt ihm nach, umfasst mit den Augen seine breitbeinig schreitende, etwas vornübergeneigte Gestalt, und das Herz krampft sich ihr zusammen.

Der Gerichtstag findet im Vorhof des Tempels statt - des Tempels von Iwni, der dem Rê-Harachte geweiht ist. Sein Falkenkopf, der die Sonnenscheibe trägt, blickt von jeder Wand des ummauerten Raumes, in den das pralle Tageslicht ungehindert einbricht, da es von keiner Überdachung abgehalten wird.

Doch nicht nur die Gestalten des Sonnengottes sind im Tempel verewigt, sondern auch die seiner beiden Gattinnen - der ›Erhabenen‹, und der › Großen Göttin von Iwni‹ - und die der ändern Götter der Großen Neunheit. Da steht Min, der die Fruchtbarkeit schenkt, Thot, der die Schrift erfand, ja, und dort auch ein Standbild des Amon, der sich zum König der Götter aufschwang; Rui erkennt ihn an seiner doppelten Federkrone.

Eine Menge von Leuten stehen im Vorhof herum. Rui erfasst mit einem einzigen Blick, dass es lauter Hörige des Amon sind, die für ihn arbeiten auf seinen Feldern und in seinen Gutshöfen.

Als Rui erscheint, erhebt sich ein Murren, doch er tut, als höre er es nicht, und stellt sich abseits.

Dann wird er aufgerufen.

Er muss sich durch die Menge einen Weg bahnen, fühlt feindselige Blicke von allen Seiten, sieht aber weder nach rechts noch nach links, starrt nur geradeaus und hält die Papyrusrolle mit dem königlichen Siegel krampfhaft in seiner Rechten. Unwillig treten die Leute zur Seite.

Doch kurz bevor er den Raum erreicht hat, den die Mato’i zwischen den Gerichtsbeamten und der Menschenmenge freihalten, stellt ihm jemand ein Bein. Er schlägt lang hin, und um sich im Fallen abzufangen öffnet er unwillkürlich die Hände und die Papyrusrolle entfällt ihm und ist im nächsten Augenblick wie vom Erdboden verschlungen. »Meine Urkunde!« schreit Rui, und die Wut bebt in seinem Herzen. »Du hast es gesehen, Oberaufseher des Gerichts, dass ich sie in den Händen hielt und dass man sie mir entwendet hat!«

Doch ehe der Beamte des Königs noch ein Wort sagen kann, ruft Bata, der Amonspriester, dazwischen: »Was hast du gesehen, Wedelträger des Königs? Ich sah, dass Amon selbst es war, der diesen Mann da zu Fall brachte - vor seiner Statue lag er hingestreckt, und der Gott holte sich mit eigener Hand die Urkunde vom Estrich!« Und: »Mit eigener Hand!« »Der Gott!« »Vom Estrich!« »Ich hab es gesehen!« schreien die Menschen um ihn herum.

»Das ist ein abgefeimtes Spiel!« Mit zwei Schritten steht Rui neben dem Priester. »Du wusstest, dass das Recht auf meiner Seite ist! Meinst du, ich lasse es mir auf diese Art aus der Hand schlagen?« Und ehe einer ihn hindern kann, fasst er das Bild der Maat, eine ellengroße Statuette aus Alabaster, die vor dem Richterstuhl steht, und schmettert sie Bata über den Schädel, dass er blutüberströmt zusammenbricht. »Die Wahrheit hat dich erschlagen!« schreit er wie außer sich, »die Gerechtigkeit hat dich gefällt!«

Und der Beamte des Königs, der gekommen war, einen Vermögensstreit zu schlichten, fällt ein Urteil wegen Priestermordes.

 

An diesem Tage wurde Dhotmes aus der Kindheit gestoßen.

Keine acht Jahre ist er alt - der jüngste Sohn des Rui und der Teni - wie das Unglück über seine Familie hereinbricht. Die Leute des Amon strömen ins Haus und nehmen alles mit, was sie finden: Jede Elle Leinen, jeden Scheffel Korn, jeden Krug Öl. Die Mutter schleppen sie ins Webhaus, die Schwestern ins Kornhaus, die Brüder werden den Hirten zugeteilt, und schließlich bleibt nur der Kleine noch übrig. Nackt steht er vor der Schwelle seines Vaterhauses, verstört, keines Wortes mächtig. Man gibt ihn einem Manne mit, der das Gesinde des Amon mit Fisch und Wildgeflügel versorgt: »Richte ihn ab, zu angeln und Reusen zu legen und Enten im Röhricht zu fangen - vielleicht taugt er wenigstens dazu!«

 

Der Mann, der den Widerstrebenden hinter sich herzerrt, heißt Ay. Er wohnt in einer Hütte, die auf einer Erdaufschüttung am verschilften Ufer des Stromes gelegen ist und aus zwei kleinen Räumen besteht. Ein Weib hat er nicht, und auch keine Kinder. Er gehört auch nicht zu den Söhnen des Landes kämet, sondern ist ein Gefangener aus dem Süden, aus dem elenden Kusch. Sein Haar steht ihm wollig vom Kopf, und seine Hautfarbe ist schwarz. Eine Decke gegen die Nachtkälte kann er dem Jungen nicht geben, und nicht einmal eine Ziegelbank steht in der Hütte, die doch wenigstens einigen Schutz gegen Schlangen und Skorpione gewährt. In einen Strohhaufen, der auf den Lehmboden geschüttet ist, muss Dhotmes sich einwühlen. Trotzdem fallen ihm gleich darauf die Augen zu.

Schon früher ist Dhotmes einige Male auf dem Strom gewesen, wenn ihn die älteren Brüder im Papyrusnachen zum Fischfang mitnahmen. Doch die Mutter hatte es nicht gerne gesehen. Musste der Kleine schon den Gefahren der Tiefe ausgesetzt werden? - »Ist er stark genug, das Netz hochzuziehen?« hatte sie gefragt. »Hat er Geduld, hinter der Angel zu sitzen? Lasst ihn zu Hause, er ist noch ein Kind!«

Jetzt sagte das niemand mehr. Jetzt warf ihn Ay ins Wasser, um ihm das Schwimmen beizubringen, lehrte ihn, aus den scharfen Stängeln des Röhrichts Reusen zu binden, lehrte ihn, Jagd auf die Wasservögel zu machen. Man konnte sie mit dem Wurfholz treffen, konnte sich aber auch, ein Schilfbündel auf dem Kopf und bis ein den Mund im seichten Wasser stehend, langsam an sie heranpirschen. Freilich musste man dann blitzschnell zugreifen und das scheue Geflügel sehr fest halten - gar nicht so leicht war es für den Jungen, mit einer Ente, die aus Leibeskräften mit den Flügeln schlug, das Ufer wieder zu erreichen. Und doch brachte es Dhotmes darin bald zu solcher Fertigkeit, dass ihm der träge Ay den Entenfang nicht ungern allein überließ.

Dhotmes gewöhnte sich bald an das Leben an und in und auf dem Wasser. Ja, wenn nicht die Sehnsucht nach Vater und Mutter gewesen wäre, hätte es ihm in der Hütte des Ay fast besser gefallen als im elterlichen Hause. Denn das Gehöft des Vaters hatte auf Wüstenboden gestanden, und für jeden Baum, für jeden Strauch hatte das Wasser vom Ufer des Stromes herangeschleppt werden müssen. Aber hier - wie wimmelte es hier von Leben aller Art!

Dhotmes lernt, die Wasservögel zu unterscheiden: den weißen Ibis, den zu fangen sich jeder Mensch scheut, da er dem Thot geheiligt ist, den Löffelreiher mit der nackten Gurgel, den karminroten Augen und dem gelben Federband, das sich um seinen Kropf schlingt, den kleinen, dickhalsigen, großköpfigen Regenpfeifer, die Störche, die nur zu bestimmten Zeiten von Norden kommen und sich in großen Scharen in den Sümpfen niederlassen, aber hier niemals nisten, niemals Junge auf- ziehn, die Pelikane, denen ein Sack am breiten Schnabel hängt, und die großen Kormorane mit ihren wie Bronze glänzenden Schwingen.

Die beste Beute freilich, der nachzuschleichen sich immer lohnt, sind die wilden Gänse und Enten. Dhotmes sieht ihnen zu, wie sie gelassen zwischen den roten Blüten des Lotos dahinschwimmen, wie sie im Röhricht verschwinden und wieder hervorkommen. Er kennt die Stellen, an denen sie nisten, holt aus dem Nest ihre Eier, ihre Jungen. Weich ist der Flaum so eines kleinen Tierleins, und um des geringen Fleisches willen würde man es nicht fangen. Aber die Mägde im Gutshof ziehen die Tiere auf und haben im Herbst dann ein leichtes, sie zu mästen, indem sie ihnen die Körner in den Schlund stopfen, sodass sie fett werden und dabei nicht so zäh sind wie das wilde Geflügel.

Einmal sieht Dhotmes auch ein Krokodil. Auf einer Sandbank liegt es und sonnt sich, und Vögel sitzen auf seinem Rücken. Der schwarze Ay macht schnell ein paar Ruder Schläge, um aus der gefährlichen Nachbarschaft fortzukommen, und Dhotmes starrt erschrockenen Auges auf das missfarbene Ungeheuer, vor dem ihn die Mutter immer gewarnt hat. War es Sobek, der Gott der Tiefe?

Sind die Götter schrecklich? Stark - und schrecklich? Und wie besänftigt mein sie? Wissen das nur die Priester? Und muss man deshalb tun, was sie wollen? Darf man deshalb nicht, wie es der Vater getan hat, sich ihnen widersetzen, damit sie den Zorn der Götter nicht auf einen lenken?

Scheu blickt Dhotmes sich um, ob Ay ihn nicht beobachte, dann nimmt er den größten Fisch, den er an diesem Tage aus der Reuse geholt hat, und wirft ihn ins Wasser zurück. »Für dich ... Sobek!« flüstert er; aber der Gott auf der Sandbank rührt sich nicht.

 

An einem der nächsten Tage hat sich eine Schar Wildenten an einer Stelle des Flusses niedergelassen, die sehr seicht ist. Ay schickt Dhotmes aus, sich anzupirschen. Auch dem Jungen reicht das Wasser nur bis zu den Knien, und er bindet sich ein Schilfbündel am Kopf fest und kriecht in der Hocke über den schlammigen Grund.

Ein Erpel schwimmt unweit von ihm über die Wasserfläche, verschwindet im Röhricht, taucht wieder auf. Dhotmes bleibt stehen und regt sich nicht.

Das Tier kommt näher. Gründelt ein einer besonders seichten Stelle. Kommt noch näher. Dhotmes hält den Atem an. Und dann plötzlich, wie ein Pfeil von der Sehne, schnellt er sich aus der Hocke auf und greift zu - sonst hat er immer versucht, die Beine der schwimmenden Vögel unter Wasser zu fassen, hier aber gelingt es ihm, den gründeln- den Erpel von oben zu packen.

Stark ist das Tier. Schlägt mit den Flügeln um sich. Aber mit beiden Händen hält Dhotmes es fest und kämpft mit ihm. Und plötzlich erkennt der Knabe etwas, was ihm noch nie bisher vor den sehenden Augen aufgegangen ist: Erkennt, dass der Vogel schön ist!

Wie sein Gefieder im Farbenspiel glitzert! Wie das Grün seines Halses in allen Tönungen leuchtet und sich dann plötzlich gegen das stumpfe Braun absetzt! Wie die Schwingen sich spreizen! Wie ihr Schattenspiel über den Wasserspiegel huscht!

Unwillkürlich lockert er den Griff, und der Erpel entflieht. Sein Flugbild ist das Letzte, was sich dem Knaben einprägt: der lang ausgestreckte Hals, der schwirrende Schlag der tief am Leib eingesetzten Schwingen. Dann reißt ihn Ays zorniger Ruf aus der Verzauberung.

Was war geschehen? War die Welt eine andere geworden als vordem? Langsam und aufrecht steigt er aus dem Wasser und lässt die Püffe des enttäuschten Schwarzen über sich ergehen.

 

Seit jenem Tage fängt Dhotmes keinen Vogel mehr. Immer flattern sie auf, ehe er zugreift, immer verfehlt sein Wurfholz das Ziel. Schließlich sieht Ay sich gezwungen, sich beim Aufseher über ihn zu beklagen. Der hat die Lederpeitsche schnell bei der Hand, und rote Striemen brennen auf des Jungen Rücken, als man ihn in die Ziegelei führt.

Hier streicht er nun tagaus, tagein den zähen, mit Häcksel vermischten Lehm des Stromes in Formen, klopft die feuchten Ziegel heraus und schichtet sie zum Trocknen auf. Kein Bad erquickt seinen Körper und macht die Hitze erträglich, kein Röhricht gibt Schatten, kein blühendes, sich regendes Leben bringt Abwechslung ins endlose Einerlei. Müde werden die Glieder, stumpf die Sinne, abgemattet die Seele.

Dann, nach Monaten, kommt er aus der Ziegelei in die Töpferei. Sitzt an der Drehscheibe, die er mit der linken Hand in Bewegung setzt, während die rechte dem rohen Klumpen Ton Gestalt verleiht, die durch den Schwung der Scheibe ihre schöne Regelmäßigkeit erhält.

Lust bereitet es ihm, das Gefäß unter den Händen emporwachsen zu sehen. Hier ist dem Menschen alles anheimgegeben: Von seiner Absicht hängt es ab, ob das Gefäß schmal wird oder breit, niedrig oder hoch, von seinem Augenmaß, ob es plump wird oder zierlich, hässlich oder schön. Er kann dunkleren Ton nehmen oder helleren. Er kann auf die Gefäße einen Überzug von einem besonderen mit Wasser vermischten ganz feinen Schlamm auftragen, der sie nach dem Brennen wasserundurchlässig macht. Und er kann sie verzieren auf alle möglichen Arten.

Unermüdlich ist Dhotmes im Erfinden von Ornamenten. Erst ahmt er die Muster nach, die man ihm Vormacht - aber bald erscheinen sie ihm tot in ihren starren Formen und Linien, die sich immer wieder nur zu Dreiecken und Vierecken, höchstens zu Kreisen und Spiralen fügen, und er beginnt, den Mustern Leben einzuhauchen. Jedes Blatt, jede Blüte ergibt ja, aneinandergereiht, ein Ornament. Und nicht minder Fische und Vögel, ja selbst Schlangen und Skorpione und überhaupt jegliches Getier. Er gräbt die Linien mit sicheren Schnitten in den noch feuchten Ton und füllt, wie man es ihm gezeigt hat, die Vertiefungen mit einer bunten Paste aus, ehe er die Gefäße zum Brennen trägt. Mim lobt ihn, und er wird rot vor Freude.

Nicht nur Gefäße werden in der Töpferei hergestellt, sondern auch Amulette und allerlei Grabbeigaben, die man mit farbiger Glasur überzieht. Bald lernt Dhotmes auch dieses, und besondere Freude macht es ihm, aus dem Ion Uschebti herzustellen, jene Figürchen, die man dem Toten ins Grab mitgibt, damit sie, wenn er im Jenseits zu irgendwelchen Arbeiten aufgerufen wird, statt seiner antworten sollen: »Hier bin ich!«

Man hatte zwei zueinanderpassende Formen aus gebranntem Ton, in die man den frischen Ton presste, und wenn mein sie auseinandernahm, konnte man die rohen Uschebti daraus herauslösen. Sie wurden dann, ehe sie in den Brennofen keimen, mit Glasur färben angemalt, erhielten Augen und Nase und Mund, Ohren und Haare, und es gingen sehr viele solcher ›Antworter‹ aus dieser Werkstatt hinaus, denn die Priester des Amon waren auch nicht unsterblich, und da sie schon im Diesseits die schwere Arbeit gemieden hatten, fühlten sie wenig Verlangen, im Binsengefilde des Jenseits zu Fronarbeit herangezogen zu werden.

Mit der Zeit lernt Dhotmes aber mehr, als nur flink und geschickt zu arbeiten. Er lernt es, sich unter den Menschen zu bewegen.

Wenn ein Aufseher die Werkstatt betritt, so senkt er den Blick, und er hebt ihn erst, wenn er angesprochen wird. Lacht ein Vorarbeiter, so lacht er mit, selbst aber hütet er sich, einen Scherz zu machen, der vielleicht einen Höhergestellten beleidigt. Denn er ist der Kleinste und der Geringste im ganzen Hause, und wenig würde es ihm nützen, widersetzlich zu sein. So aber ist er wohlgelitten bei seinem Meister, und es wird ihm manchmal sogar gestattet, seine Mutter zu besuchen, die im Webhaus tagein tagaus hinter dem Webstuhl hockt und graue Haare und einen krummen Rücken bekommen hat.

 

Auf dem Weg zu einem solchen Besuch geschieht es, dass er am Brunnen, an dem er vorübergeht, zwei junge Mägde sieht. Die eine hat soeben Wasser geschöpft und füllt mit dem Ledereimer die irdenen Krüge, die andere sitzt daneben auf einem Feldstein und trinkt aus der hohlen Hand. Es ist ein alltäglicher Anblick, nicht wert, die Augen zu heben, aber wie er seines Weges so unbeirrt vorbeigeht, ruft die eine, die auf dem Stein sitzt: »He, du Bursche! Willst du nicht auch ein paar Tropfen Wasser? Es ist heiß heute!« und spritzt ihn an. Die Tropfen springen ihm ins Gesicht und auf die Brust. Er blickt zu dem Mädchen hin, halb geärgert, halb belustigt. Ein Blick trifft ihn aus großen schwarzen Augen, und er sieht, dass die Lider von langen Wimpern bewachsen sind und Nase und Stirn in einer kaum sich voneinander absetzenden Linie verlaufen. Niemals bis heute, so scheint es ihm, hat er ein solches Mädchengesicht gesehen - eine so feinflüglige Nase, Lippen, die sich öffnen gleich einer aufspringenden Frucht, eine so zärtliche Rundung des Kinnes. Aber obgleich es ihn mit großer Gewalt nötigen will, stehen zu bleiben und dies Bild in sich hinein zu trinken, ist da eine noch größere Macht, die ihn zwingt, davonzulaufen, so schnell seine Füße ihn tragen. Und nur noch von Weitem dringen die Worte der ändern Magd an sein Ohr: »Lass ihn! Was willst du mit ihm? Er ist noch ein Kind!«

 

Ganz atemlos kommt er an diesem Tage im Webhaus an. Die Mutter blickt nur flüchtig zu ihm hin. Sie hat noch nicht so viel Ellen gewebt, wie ihr vorgeschrieben waren. Und bald gehen die Sterne auf.

Er hockt hinter ihr am Boden nieder, sieht dem Schiffchen zu, das hin und her schießt, immer hin und her, und: »Mutter«, sagt er plötzlich und ganz unvermittelt, »hast du nicht zwei Ellen Leinen für mich, dass ich mir einen Schurz umbinden kann und nicht mehr nackt gehen muss wie ein Kind?« Aber sie, die täglich eine Elle um die andre webt, hat nichts, ihres Sohnes Blöße zu bedecken, sondern sagt nur, ihn vertröstend: »Wenn es mir gelingt, an einem Tag mehr fertigzubringen als mir aufgetragen ist, will ich den Aufseher bitten, mir zu schenken, wie viel du benötigst.«

Er bleibt bis nach Sternaufgang im Webhaus und isst auch dort. Die Magd, die die Küche leitet, kennt ihn, und sie steckt ihm einen noch warmen Fladen zu. Aber soviel er sich auch umsieht unter den Frauen, die aus und ein gehen während des Essens - das Gesicht, das er sucht, taucht nicht auf.

Er begegnet ihm auch nicht am nächsten und nicht am übernächsten Tage. Nicht auf dem Feldstein am Brunnen, und nicht im Kornhaus, wo seine Schwestern den Mahlstein schieben. Nur am Nachthimmel sieht er es hängen, zwischen dem Mond und dem Abendstern. Und als er tags darauf an seiner Arbeit sitzt und die Formen auseinandernimmt, eine Antworterfigur daraus zu lösen, lacht es ihm aus dem sonst so ausdruckslosen Köpfchen des Uschebtis entgegen.

Da nimmt er einen Klumpen Ton, knetet ihn und formt, formt und knetet: langes, offenes Haar - eine Stirn, die in einer Linie mit der Nase verläuft - große, nachtdunkle Augen - einen Mund, der sich öffnet gleich einer aufspringenden Frucht. Nur die Lider, die mit langen Wimpern die Augen überschatten, wollen ihm nicht gelingen.

»Beeilt euch, Männer!«

›Das ist die Stimme des Aufsehers‹, denkt Dhotmes, ›der mit den Arbeitern am Brennofen spricht. Gleich wird er hinter mir stehen.‹ Und er ballt den Ton, aus dem er das Mädchengesicht geformt hat, zu einem Klumpen zusammen und drückt ihn in die Form.

Aber am Abend nimmt er sich feuchten Ton in seine Kammer mit, und im Licht des erwachenden Tages, ehe die ändern sich vom Lager erheben, formt er den Kopf noch einmal - und besser. Und versteckt ihn im Stroh der Schütte, auf der er schläft.

Ein Hochgefühl sondergleichen erfasst ihn. Ein Hochgefühl, wie er es noch nie erlebt hat: Nicht eine Blüte, nicht einen fliegenden Vogel - das Abbild eines Menschen haben seine Hände geschaffen!

Hat er die Seele des Mädchens gebannt in den toten Stoff? Wird sie bei ihm sein, auch wenn er die junge Magd nie wieder sieht?

 

An einem der nächsten Abende geht Dhotmes wieder zu seiner Mutter. Vielleicht hat sie nun den Stoff, um den er sie bat, für ihn erübrigt. Dann wird er einen Schurz tragen, nicht aus grobem Bauernleinen, sondern aus Königslinnen, wie seine Mutter es für die Priester webt!

Ja, sie hat es geschafft. Unermüdlich hat sie von Tagesanbruch bis in die Nacht am Webstuhl gesessen, bis der Aufseher sie lobte vor allen andern. Da hat sie sich ein Herz gefasst und ihre Bitte vorgetragen, und der Aufseher selbst hat ein reichlich bemessenes Stück vom Ballen abgeschnitten und ihr überlassen.

Sie kann es sich nicht versagen, selber dem Sohn den Schurz um die Lenden zu schlingen und ihn vom im Knoten zu binden, von dem sie das eine Ende über das andre zieht und dreieckig bis zum Rande des Schurzes herabfallen lässt. »Wie ein Krieger siehst du aus - wie dein Vater, als er so jung war wie du!«

 

Eine Stimme ruft ihren Namen. Und Dhotmes sieht, wie sie zusammenschrickt. »Geh zurück, Kind!« sagt sie, »ich muss noch Wasser tragen!« - »Ich trage es für dich!« - »Nein, Dhotmes, es ist nicht gut, wenn du ihm unter die Augen kommst!« - »Wem, Mutter?« - »Dem Pa’nofer. Dem Bruder des Bata, den dein Vater erschlug!«

Sie nimmt den Krug auf die Schulter und geht. Er hört sie müden Schrittes zum Brunnen tappen, noch langsamer den Weg wieder heraufkommen, drückt sich hinter den Webstuhl, und sie geht an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken - mag wohl denken, dass er schon fort sei.

Dann hört er das Auf- und Zuklappen von Türen, hört die barsche Stimme ein zweites Mal, und plötzlich ein Klirren, wie von einem zu Boden gestürzten und in Scherben gegangenen Gefäß.

›Sie ist hingefallen!‹ denkt er erschrocken, ›erschöpft, wie sie war ...‹, und plötzlich dringt ein Wehlaut an sein Ohr, der ihm ans Herz greift, und ohne sich zu besinnen, stößt er die Tür auf, durch die sie ging, und sieht sie am Boden liegen - und sieht, wie ein Mann mit dem Fuß nach ihr stößt. »Rühr sie nicht an!« schreit er auf. »Schlag mich - aber sie lass in Ruhe!«

Sonderbar - er fühlt fast keine Furcht in seinem Herzen, nur einen maßlosen Zorn - und er starrt dem vor ihm Stehenden herausfordernd ins Gesicht. Wie gut es sich ihm einprägt: der kleine, wulstige Mund ... die abstehenden Ohren ... die über die Nase zusammengewachsenen Brauen ...!

Doch ehe Pa’nofer ein Wort sagen kann, ist die Mutter aufgesprungen, fasst den Sohn an der Hand und zerrt ihn zur Tür. »Hinaus!« schreit sie, »und dass du dich ja nicht wieder hier blicken lässt!« Und eine solche Angst zittert in ihrer Stimme, dass er stumm ihrem Befehl gehorcht und davonrennt.

 

Am nächsten Tag geht ihm die Arbeit schlecht von der Hand. Bei jedem fremden Geräusch zuckt er zusammen. Kamen nicht Schritte über den Sand? Ging nicht eben die Tür? Würde der Hasser ihn suchen? Und was würde er ihm tun? Und die Mutter? Was geschah mit ihr?

Preisgegeben sein der Willkür eines ändern - gab es denn gar kein Mittel dagegen?

Vorsichtig hebt er einen Uschebti aus der Form. Selbst aus dem groben, nichtssagenden Tongesicht grinsen ihm drohend Pa’nofers Züge entgegen: der kleine, wulstige Mund, die abstehenden Ohren, die über die Nase zusammengewachsenen Brauen!

Plötzlich kommt ihn die teuflische Lust an, diese Züge, für jeden sichtbar, aus dem feuchten Ton zu heben.

Ja, das war die Rache! Mochte Pa’nofer als Antworter eingehn in die jenseitige Welt! Mochte er sich abmühen müssen in alle Ewigkeit, der Unmensch, der die Mutter quälte! Mochte er jedes Mal, wenn es etwas besonders Schweres auszuführen gab, antworten müssen: »Hier bin ich!« Mochte ihm beim Pflügen der Rücken steif werden, beim Wasserschleppen der Arm erlahmen, beim Steinbrechen das Herz vor Anstrengung aus der Brust springen!

Ein Gefühl des Triumphes überwältigt den Jungen. Oh, nicht nur in der rohen Gewalt saß die Macht - es gab noch eine andere, eine größere, und er war ihrer teilhaftig auf eine wunderbare Art! Wer hatte ihn gelehrt, was kein anderer konnte? Wer ihm gezeigt, was sonst niemand wusste? Und welchem Gott sollte er dafür danken?

 

Seit dem Tag kommt kein Antworter mehr aus Dhotmes’ Händen, der nicht die Züge Pa’nofers trägt. Hunderte solcher Figuren fertigt er, ohne dass einer darüber spricht. Sie gehen in alle Welt hinaus, denn sofern die Priester die Waren aus ihren Werkstätten nicht selbst benötigen, verkaufen sie sie.

Eines Tages aber betrachtet einer der Gesellen so ein Figürchen etwas genauer, und plötzlich bricht er in Lachen aus. »Das ist ja Pa’nofer!« ruft er aus, »Pa’nofer wie er leibt und lebt!« Und aus der ganzen Werkstatt eilen die Leute herbei und es gibt ein Gelächter ohnegleichen, denn niemand mag diesen Menschen recht leiden.

Nur dem Jungen ist beklommen zumute, doch er zwingt sich, mitzulachen, damit kein Verdacht auf ihn falle. Wusste doch niemand, wer diesen Uschebti hergestellt hat. Aber er hütet sich wohl, noch weitere solcher Antworter zu formen.

 

Einige Monate vergehen, ohne dass sich daraufhin etwas ereignet. Eines Tages jedoch kommt Pa’nofer wutschnaubend in die Werkstatt und hält dem Meister ein solches Figürchen unter die Nase.

Der Meister versucht, den Wütenden zu besänftigen. Die Ähnlichkeit sei ja gar nicht so groß, sagt er. Könne wohl nur auf Zufall beruhen. - »Zufall?« braust Pa’nofer auf, »hier! Und hier! Und hier! Lauter Zufall?«, und er schüttet einen Sack voll solcher Dienerfiguren dem Meister vor die Füße. »Wer sie gemacht hat, will ich wissen!«

»Ich habe mehr als zehn Gesellen«, gibt der Meister zurück. »Wie soll ich da wissen, welcher von ihnen ...«

›Verrate dich nicht!‹ flüstert eine Stimme in Dhotmes’ Herzen. ›Verbirg dich nicht, das würde dich verdächtig machen. Aber lenke auch keinen Blick auf dich!‹

»Hundert Stockschläge!« schreit Pa’nofer, außer sich vor Zorn. »Hundert Stockschläge und fünf blutende Wunden dir, wenn du mir den Täter nicht bis zum Abend nennen kannst!«

›Sei still!‹ flüstert die Stimme. › Schweig, und verrate dich nicht!‹

Der Werkstatt bemächtigt sich eine große Erregung. Jeder verdächtigt jeden. Keiner gibt es zu. Nur darauf, dass ausgerechnet der jüngste von ihnen Stücke gearbeitet haben könnte, die so viel Kunstfertigkeit verraten, darauf verfällt niemand. Und Dhotmes sitzt über seine Arbeit gebeugt, als gehe ihn die ganze Aufregung nichts ein. Aber es ist ihm, als täten seine Hände Griff um Griff wie ein totes Werkzeug und als sei alles Leben in ihnen erstorben.

Als sich die Unmöglichkeit herausstellt, dem Täter auf die Spur zu kommen, rät man dem Meister: »Flieh!« Doch der zuckt nur mit den Schultern: »Wohin? Gibt es in unserm Lande auch einen einzigen Ort, wo mich die Priester nicht finden? Oder in der Wüste einen, an dem mich die Grenzwächter mit ihren Hunden nicht aufspüren? Was Amon über den Menschen verhängt, muss er hinnehmen!« Und er setzt sich auf einen Stein unter dem Vordach der Werkstatt und brütet vor sich hin.

›Er ist gut zu dir gewesen‹ flüstert es in Dhotmes’ Herzen. ›Hat dir nicht mehr Arbeit gegeben, als du bewältigen konntest. Hat dich niemals hart geschlagen und er muss an sich halten, um nicht aufzuspringen und dem Meister vor die Füße zu fallen. Aber seine Hände krampfen sich am Schemel fest.

Gegen Abend kommt Pa’nofer zurück. Mit drei Mato’i-Leuten. Und man bindet den Meister am Prügelbock fest.

Doch bevor der erste Hieb fällt, hat Dhotmes sich bezwungen. »Schlagt ihn nicht!« ruft er, »ich war’s!« Und er wirft sich vor Pa’nofer zu Boden.

Dem Mitleid, das die Mato’i mit seiner Jugend fühlen, verdankt er es, dass er mit dem Lehen davonkommt. Kaum aber hat er sich von seinen Wunden erholt, da schafft man ihn in den Steinbruch.

Hier steht der Tod hinter ihm. Denn er ist viel zu jung und viel zu schwächlich, als dass er den Anforderungen der verhärteten Aufseher hätte genügen können. Erst versucht er, ihren Schlägen unter Aufbietung aller seiner Kräfte zu entgehen. Dann schleppt er sich mühsam unter Hieben und Püffen hin. Schließlich befällt ihn ein tiefer Gleichmut, er sinkt am Wege um, und als einer der Aufseher seinen Stock erhebt, sagt ein anderer: »Lass ihn, der steht nicht mehr auf, der ist gezeichnet.«

Wie lange er so in der prallen Sonne dalag und nur noch schattenhafte Bilder vorbeihuschten an seiner Seele, die sich anschickte, sich vom Irdischen zu lösen, wusste er nicht. Und als er merkte, dass einer ihm Wasser einflößte, da meinte er, ein Geist tue das im jenseitigen Gefilde.

Es ist aber Iwti, ein alter Bildhauer aus der Amonstadt, der in den Steinbruch gekommen ist, sich Blöcke für Statuen auszusuchen.

»Bist du verletzt?« fragt lwti. »Hat ein Stein dich getroffen?«

Dhotmes ist zu schwach, um zu sprechen. Er verneint mit einer Gebärde.

 

Die Aufseher haben nichts dagegen, dass der Alte den Knaben auf einen Esel lädt und ihn an das Ufer des Stromes zu einem Boot bringt. Auch ohne Entgelt hätten sie den Unnützen ziehen lassen. So streichen sie schmunzelnd das Maß Korn ein, das Iwti ihnen anbietet, und als der Bildhauer gegangen ist, lachen sie hinter ihm her: »Der Narr! Warum tut er das? Der Junge stirbt ihm am Wege!«

Und wenn man den Alten gefragt hätte, warum er das tat? Er hätte es wohl selbst nicht einmal sagen können.

War es, weil nicht weit von der Stelle, an der er Dhotmes fand, sein eigener Sohn einst unter einem schweren Felsstück lag, das sich beim Absprengen eines Blockes für einen riesigen Pfeiler vom Berg gelöst hatte? Ihn hatte der Meister nicht wieder ins Leben zurückrufen können wie jetzt den Jungen, den er auf einem gemieteten Boot stromab bringt, in seiner Hütte auf ein Lager bettet und mit Milch und Gerstenbrei päppelt, bis sich die Lebensgeister wieder in ihm regen.

Der Meister ist einsam. Seine Frau hat er schon vor vielen Jahren begraben, da Tho’eris, die Göttin der Gebärenden, ihr nicht beigestanden hatte in den letzten Kindesnöten. Und von den drei Kindern, die sie ihm hinterlassen hat, liegen zwei schon im Grabe, und das letzte, eine Tochter, ist mit einem libyschen Soldaten auf und davon gegangen. Wahrscheinlich lebt auch sie nicht mehr, denn er hat seinen Fluch hinter ihr her geschickt.

Eine Zeit lang hatte er mit Gesellen und Lehrlingen gearbeitet, aber da er mürrisch und rechthaberisch war, hielt es keiner lange bei ihm aus. Und als sich einer von ihnen gar ungeschickt anstellte und ihm eine schwere Gipsform auf den Fuß fallen ließ, die ihm drei Zehen zerschmetterte, sodass er seitdem hinkt, da schickte er die Letzten fort und werkt seitdem allein.

Seine Hütte ist nicht groß. Sie ist aus ungebrannten Lehmziegeln gebaut, und sie besteht aus drei Räumen: der Werkstatt, dem Gemach, in dem er schläft, und einer Kammer, in der er allerlei Vorräte hält. Den Raum, in dem die Gesellen gehaust haben, hat er verfallen lassen - jetzt richtet er ihn notdürftig wieder her und macht darin für Dhotmes ein Lager zurecht. Aber als sich der Junge wieder erholt hat, zieht er es vor, auf dem Dach zu schlafen, wo er die Sterne über sich hat und wo er hinter dem Strom und den östlichen Bergen die Sonne aufgehen sieht.

 

Iwti denkt erst gar nicht daran, sich Dhotmes zum Gesellen anzulernen. Zu viel hat er sich über seine Leute geärgert, da er zu jenen gehört, denen niemand etwas rechtmachen kann. Aber das Wasserschleppen begann ihm schwerzufallen, und sich ein Feuer anzufachen und eine Mahlzeit zu kochen bedeutete, sich Dung und Stroh beschaffen zu müssen, Gerste für den Brei auf dem Mahlstein zu reiben oder Bohnen weichzukochen - lauter Dinge, die ihm lästig sind. So lebte er von Brot und Bier und Öl, von Datteln und Feigen; aber es ist ihm doch nicht unrecht, dass er nun wieder jemanden hat, der ihm ein warmes Mahl bereiten kann. Und als Dhotmes gar eines Tages mit einer Angel fortgeht - woher hat er sie sich bloß verschafft? - und mit ein paar Fischen zurückkommt, die er auf heißen Steinen brät, da ist Iwti doch froh, dass er sich den Jungen gekauft hat.

Obwohl der alte Bildhauer keine große Werkstatt hat, mangelt es ihm niemals an Aufträgen. Denn er ist bekannt als ein gewissenhafter Arbeiter, der es bei seinen Bildern an nichts fehlen lässt, stets auch der kleinsten Nebensächlichkeit seine ganze Liebe zuwendet und ein Stück nur dann aus der Hand gibt, wenn es an allen Stellen bis zur letzten Feinheit gediehen ist. Er lässt sich bei der Arbeit von niemandem treiben. Wenn ein Kunde ihn bedrängt, pflegt er zu sagen: »Ich arbeite nicht für die Lebenden, sondern für die Toten. Und die - haben Geduld!«

Ja, für die Toten! Sie wohnen im westlichen Gebirge in ihren Häusern der Ewigkeit, in ihren Grabkammern, die tief in den Felsen hinein gehauen sind. Dort ruht der mumifizierte Leib in seinem prächtigen Sarg. Und es werden Standbilder des Verklärten aufgestellt, in denen der Ka Wohnung nimmt. Darm findet er dort auch alles, woran er sich im Leben erfreut hat: Essen und Trinken, Fischfang und Entenjagd, Rinderherden, die von seinen Hirten geweidet werden, Äcker, die seine Landarbeiter bestellen, Kornhäuser, in denen Gerste und Emmer hoch aufgeschüttet liegen, feines Linnen, das seine Weberinnen weben. Denn dieses alles ist in den Bildern, die die Wände des Grabes bedecken, festgehalten, damit der Ka davon lebe in alle Ewigkeit.

 

Dhotmes ist schon mehrere Wochen im Hause des alten Iwti beschäftigt, als ihn der Meister zum ersten Mal mitnimmt zum westlichen Gebirge, wo er das Grab eines Schreibers der königlichen Verwaltung in Arbeit hat.

Der Tag hat noch kaum begonnen, die Felswand des Wüstensaumes ist in den Purpur der Morgensonne getaucht. Auf steiniger Straße schreiten sie ihr entgegen. Der Morgendunst hebt sich in einen strahlendblauen Himmel, doch ehe die Hitze drückend wird, haben sie das Grab erreicht.

Die Kammern sind finster, sodass der alte Iwti bei Lampenlicht arbeiten muss. Das Rizinusöl, das er in die tönernen Lampen gießt, erhält er von seinem Auftraggeber, und auch die Dochte, die dazu nötig sind. Sie spenden eine helle weiße Flamme, und sie rußen nicht, wenn man nicht vergisst, etwas Salz ins Öl zu tun.

Abbildung

Dhotmes’ Arbeit ist es, die Lampen sauber zu halten, die Dochte zu beschneiden, wenn sie angekohlt sind, und mit dem Feuerbohrer die Flamme zu erzeugen, an der er sie anzünden kann. Vor allem aber ist es seine Aufgabe, hinter dem Meister zu stehen und die Lampe zu halten, während Iwti arbeitet. Und was sich nun hier, in dem flackernden Lichtschein, seinen Augen darbietet, das sind andere Bilder als die, die er einmal kindlich auf Krüge und Töpfe gezeichnet hat!

Nichts gibt es, was der Meister nicht darstellen kann! Gastmähler, die der Herr des Grabes und seine Gattin ihren Freunden bereiten - wie deutlich sieht man sie auf ihren bequemen Sesseln vor den Speisetischen sitzen, wo sie von Sklaven bedient werden. Zwei von diesen füllen ein Trinkgefäß, ein anderer legt einem Gast ein Blumengewinde um, ein Mädchen gießt der Herrin Wein in die Schale, und Sängerinnen, Harfen- und Lautenspieler verschönen das Fest mit ihrer Musik.

Und Gärten entstehen unter Iwtis Händen - Gärten mit allen Arten von Bäumen: fiederblättrige Palmen, die Trauben von Datteln tragen, und Sykomoren mit ihrem herzförmig-eckigen Laub und den länglichen Früchten; Weiden mit ihren schmalen, langen, versetzt um die Zweige sich reihenden Blättern, und Eiben mit ihren breiten, stumpfen, tief dunkelgrünen Nadeln.

Dhotmes fühlt kaum, wie die Arme ihm zittern, die er ausgereckt halten muss, um dem Meister das Licht an die richtige Stelle scheinen zu lassen. Er nimmt die Lampe unbewusst aus der rechten Hand in die linke und aus der linken in die rechte, aber seine Augen hängen an den Strichen, die auf der hell getünchten Wand erscheinen, und wenn er das ganze Bild fertig vor Augen sieht, ist er nicht sicher, ob nicht ein Zauber dahinterstecke, ob nicht ein Gott dem Alten die Hand geführt habe. Ja, ein Gott sicherlich! Chnum vielleicht, der die ersten Menschen aus Ton geformt, oder Thot, der die geheimnisvollen Zeichen erdacht hat, die der Alte neben seine Bilder auf die Wand setzt.

 

Heiße Wünsche brennen auf in des Jungen Herzen. Wenn er das alles doch ebenfalls könnte!

Oftmals nimmt er heimlich ein Stück Kreide oder Holzkohle, oder was sonst an Geeignetem ihm in die Hand fällt, und versucht, die Linien der Figuren, die er beim Meister gesehen hat, auf einer Tonscherbe nachzuahmen. Aber es geschieht selten, dass er mit seinen Versuchen zufrieden ist, und dieses Nachzeichnen scheint ihm viel schwerer zu sein als das Nachbilden eines Gesichtes in Ton.

Auch kommt er nicht oft dazu, sich solchen Übungen hinzugeben, da er große Scheu hat, sie den alten Iwti sehen zu lassen, und da er auch den ganzen Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang tätig ist, denn der Meister leidet es nicht, dass er müßiggeht, und findet immer eine Arbeit für ihn. Da muss er Gruben für die Abfälle graben (und in dem steinigen Wüstenboden ist das nicht leicht!), da das Hüttendach ausbessern - vom Wasserschleppen und Körnerzermahlen ganz zu schweigen. Und des Nachts, wenn er bei hellem Mondschein auf dem Hausdach vielleicht genügend Licht gehabt hätte, fallen ihm vor Müdigkeit nach wenigen Strichen schon die Augen zu.

Trotzdem lässt es ihm keine Ruhe. Er müht sich ab in der Mittagsglut, wenn der Meister sich und ihm eine Ruhepause gönnt, und er hat ein verborgenes Plätzchen ausfindig gemacht unter einem vorstehenden Felsen in der Nähe des Grabes, in dem sie arbeiten, und sucht sich Kalksteinsplitter und Tonscherben zusammen, wo immer er sie finden kann.