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VAGANT-TRILOGIE 1

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PETER NEWMAN

Ins Deutsche übersetzt von
Helga Parmiter

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Titel der Originalausgabe: THE VAGRANT

Copyright © 2015 by Peter Newman

German translation copyright © 2017, by Amigo Grafik GbR.

Print ISBN 978-3-95981-495-9 (Oktober 2017)
E-Book ISBN 978-3-95981-496-6 (Oktober 2017)

WWW.CROSS-CULT.DE

Für Em,
für die Erhellung des Wegs

Inhalt

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREISSIG

KAPITEL EINUNDDREISSIG

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

KAPITEL DREIUNDREISSIG

DANKSAGUNGEN

KAPITEL

EINS

Das Licht der Sterne weicht grellem Neonlicht. Leuchtschriften drängen sich von allen Seiten auf und heißen jeden Neuankömmling in Neu Horizont willkommen.

Der Vagant bemerkt es nicht, sein Blick ist fest auf den Boden gerichtet.

Menschen übersäen die Straßen wie lebender Abfall. Ihre Augen sind so hohl wie ihr Gelächter. Stimmen betteln und Hände greifen … bedürftig, aggressiv.

Der Vagant bemerkt es nicht und geht weiter, dabei umklammert er mit einer Hand den Mantel am Hals und hält ihn fest geschlossen.

Aufgeregte Rufe lassen vor ihm eine Menge zusammenlaufen. Eine Mischung aus Halbblütern und Zuhältern, Händlern und Zuschauern eilt in großer Zahl herbei. Auf der Straße erheben sich Plattformen auf unsicheren Beinen aus Altmetall. Drahtkäfige stehen darauf. In diesen kauern zitternde Gestalten, die darauf warten, verkauft zu werden. Für einige der Versammelten bietet die Fleischauktion neue Sklaven, für andere frisches Fleisch.

Unbemerkt geht der Vagant weiter durch den Tumult.

Das Zentrum von Neu Horizont wird beherrscht von einem riesigen Schrottplatz, der »Der Eisenberg« genannt wird und eine Hinterlassenschaft des Krieges ist. In seinem Herzen liegt der ausgeschlachtete Kadaver eines abgestürzten Himmelsschiffs. Seine Fracht aus Panzern und Jagdfliegern wurde beim Absturz hinausgeschleudert und bildet eine Umgrenzung aus verstreutem Metall am Fuß des Bergs.

Opportunistisch wie immer haben die Bewohner von Neu Horizont das Innere ausgehöhlt und Tunnel hineingegraben, um Lebensräume und Geschäfte zu schaffen und die Schätze des Himmelsschiffs zu verkaufen. Erbeutete Lampen hängen überall und färben die Schatten ein.

Ein Tunnel wird von einem flackernden, grauweißen Leuchtreifen erhellt. In dem fahlen Licht hat die niedrige Decke die Farbe von geronnener Milch angenommen.

Schwerfällig betritt der Vagant den Tunnel, knickt in den Beinen ein, senkt den Kopf und hält den Rücken gerade.

Sich krümmende Regale säumen die Wände. Sie sind vollgestopft mit Flaschen, Dosen und Rohren. Der Besitzer der rostigen Höhle kauert auf dem Boden und säubert eine Spritze mit einem zerlumpten Tuch. Er mustert den Vaganten aus einem blutunterlaufenen Auge.

»Ein neuer Kunde?«

Der Vagant nickt.

Spritze und Lappen werden schnell beiseitegelegt und gelbliche Finger aneinandergerieben. »Ah, willkommen, willkommen. Ich bin Doktor Zero. Ich nehme an, Sie haben von mir gehört?«

Der Vagant nickt.

»Natürlich haben Sie das, deshalb sind Sie hier. Nun, womit kann ich Ihnen dienen? Sie sehen müde aus. Ich habe die beste Auswahl an Muntermachern diesseits des Bruchs, oder vielleicht etwas, um zu entfliehen?« Seine Augen funkeln verführerisch und schmierig.

Der Vagant hält immer noch mit einer Hand seinen Kragen geschlossen, während seine bernsteinfarbenen Augen die Regale absuchen. Bei einem kleinen Tiegel, dessen Etikett zu einem gleichmäßigen Grau verblasst ist, leuchten sie auf.

»Ah, ein anspruchsvoller Kunde«, sagt Doktor Zero beeindruckt. »Es kommt nur selten jemand, der weiß, wonach er sucht. Das meiste Gesindel hier kann nicht einmal Sternenstaub und Sägespäne auseinanderhalten.« Er hebt den Tiegel auf und schnipst etwas Klebriges von dessen Deckel herunter. »Ich nehme an, wer immer Sie geschickt hat, weiß um die Seltenheit guter Medizin … und ihre Kosten.«

Als Antwort kniet der Vagant sich hin und legt zwei Platinmünzen auf den Boden. Dann gibt er ihnen einen Stoß, damit sie zum Doktor gleiten.

»Ich hoffe, Sie versuchen nicht, mich hereinzulegen.« Der Doktor hebt sie auf und tippt beide nacheinander mit dem Finger an. Die Münzen vibrieren, und kurz erfüllt ein zweitö-niger Klang den beengten Raum. Einen Moment lang spricht keiner der beiden, weil durch das Geräusch Erinnerungen wach werden.

Doktor Zero hält sie gegen das Licht. Die beiden sauberen Scheiben passen nicht zu seiner fahlen Haut. »Ich bitte um Verzeihung.« Er gibt den Tiegel schnell heraus in der Hoffnung, dass kein Wechselgeld verlangt wird. »Sollten Sie noch etwas anderes benötigen, dann zögern Sie nicht, wieder herzukommen.«

Doktor Zero beobachtet, wie der Vagant davongeht. Seine Finger verschränken sich ineinander, entflechten sich und verschränken sich wieder. Er hebt die Spritze auf, denkt eine Weile nach und sticht sich dann damit in den Finger. Beim Schmerz des Einstichs zuckt er kurz zusammen. Ein kleiner Blutstropfen erscheint auf seiner Fingerspitze. Er wartet, bis dieser so groß ist wie eine kleine Erbse, und flüstert dann seine Botschaft.

Der Vagant macht sich auf den Weg zum Stadttor, das berühmt dafür ist, immer offen zu stehen. Der Demagoge, dämonischer Verwalter der Stadt, behauptet, das sei so, weil Neu Horizont jeden aufnimmt – eine Lüge, um zu verschleiern, dass es nicht funktioniert. Die großen Motoren, die das Tor antreiben, schweigen, weil wichtige Teile schon vor langer Zeit gestohlen oder zerstört wurden.

Die Schreie von Bettlern vermischen sich mit wuchtigem Hämmern und dem Geschmack nach Schweiß. Eine durch das Leben vorzeitig gealterte junge Frau zerrt am Arm des Vaganten. »Hey, kommst du von Zero? Willst du teilen?« Sie streicht sich mit der Hand über ihren kurvenlosen Körper. »Du machst mich high, ich reite dich. Richtig high, richtig guter Ritt.« Der Vagant bleibt stehen und starrt auf die Hand, bis die Frau sie wegzieht. Er geht weiter und ein Schwall Flüche folgt ihm.

Ein großes, hundeartiges Tier sitzt aufrecht mitten auf der Straße. Von teuflischen Einflüssen verdorben ist es größer als seine Vorfahren – angsteinflößend, bösartig … ein Hundegezücht. Es ist kein Hundeführer zu sehen und die üblichen unbekümmerten Nichtsnutze von Neu Horizont machen einen weiten Bogen darum.

Der Vagant tut es ihnen gleich.

Die Kreatur beobachtet ihn aus ungleichen Augen. Eins ist ein Hundeauge, das bei der schlechten Beleuchtung schwarz und ausdruckslos wirkt, doch das andere ist menschlich. Erkennen flackert darin auf. Irgendwo außerhalb der Stadt beobachtet der Hundeführer alles und betrachtet den Wanderer durch die ausgetauschten Augäpfel.

Eine Weile verharren beide reglos. Die Menge folgt dem Beispiel der verblassenden Sterne über ihren Köpfen und zieht sich nach und nach in die Dunkelheit zurück.

Das Hundegezücht hechelt schwer. Sein stinkender Atem fügt sich in den Mischmasch aus Rauch und Fäulnis ein, den man in Neu Horizont Luft nennt.

Der Vagant rennt nicht davon. Das wäre zwecklos. Im Laufe der Jahre hat verzweifelte Beute vieles versucht, um ihren Geruch vor diesen Mischlingen zu verbergen: Parfüm, Schlamm, Exkremente … sogar das Blut von anderen Rudelangehörigen des Hundegezüchts.

Vergebens.

Die Jäger folgen nicht dem Körpergeruch. Der Vagant weiß das … und deshalb sind der Rest des Rudels und ihre Hundeführer tot.

Knurrend steht das Hundegezücht auf. Abfall klebt an seinen blutverkrusteten Läufen. Es schleppt sich mühsam vorwärts durch den Unrat.

Der Vagant sieht regungslos zu.

Acht Meter von ihm entfernt, stößt sich das Hundegezücht ab. Der Sprung ist eine schwache Geste, nur mehr eine Andeutung seiner üblichen Kraft.

Der Vagant macht einen Schritt rückwärts und das Tier landet erschöpft vor seinen Füßen. Seine Flanken heben und senken sich, es keucht und schnauft. Schwärzliches Blut tropft aus seinem Hinterteil. Bald wird es sterben. Das Knurren wird leiser und zu einem Winseln, das in ein pfeifendes Japsen übergeht.

Der Vagant geht um den Körper herum, aber das Hundegezücht ist noch nicht ganz tot. Mit letzter Kraft schnappt es nach ihm. Es ist zu langsam, um seinen Knöchel zu erwischen, aber die langen Zähne graben sich in den Mantel.

Der Vagant zerrt daran, einmal, zweimal, während das Hundegezücht ihn aus halb geschlossenen Augen anstarrt. Die Kiefer bleiben in einer letzten Trotzreaktion fest geschlossen und halten den verschlissenen Stoff fest. Der Vagant zerrt fester, bis der Stoff an den Zähnen entlang reißt. Endlich kommt er frei, doch das hat seinen Preis; der Mantel klafft während des Gerangels auseinander.

Die Augen des Hundegezüchts öffnen sich ein letztes Mal und weiten sich angesichts dessen, was zum Vorschein kommt.

In der Ellenbeuge schlummert nichtsahnend ein Baby, dessen Pausbäckchen mit Fieberflecken überzogen sind. An der Seite des Vaganten baumelt ein Schwert, von dessen Kreuzstück zornig ein einzelnes Auge starrt. Es erwidert den sterbenden Blick des Hundegezüchts und späht hindurch, um die Essenzverbindung zu finden, die den Weg zu seinem verdorbenen Führer weist. Eilig geht der Vagant auf das große Stadttor von Neu Horizont zu und zieht seinen Mantel wieder eng um sich zusammen.

Die vom Rost angefressenen Tore ragen hoch auf. Dicke Ketten sind über die gesamte Länge festgefroren. Rechts steht die Ruine eines Wachturms. Das zerschmetterte Dach baumelt an erloschenen Kabeln.

Der Vagant läuft durch seinen Schatten und überquert die Stadtgrenze. Zielstrebig geht er in die Finsternis hinaus.

Felsbrocken liegen verstreut in der kargen Landschaft wie die Zahnreihe eines Riesen. Wiederholte Bombenangriffe und giftige, dämonische Energien haben ihren Tribut von der Umwelt gefordert. Der Boden ist mit Kratern wie Pockennarben übersät. Nirgendwo sind Bäume oder Farben zu sehen und nur sehr wenig Lebendiges. Man hat den Verwüsteten Landen ihren Namen ohne jede Ironie verliehen.

In der Nähe ist ein Schrei zu hören, der schnell gedämpft wird. Das genügt. Der Vagant dreht sich um und geht auf das Geräusch zu.

Hinter einer schartigen Felsplatte sitzt der Hundeführer und hält seinen Kopf mit den Armen umschlungen. Das dunkle Tierauge ist in seinem Schädel abgestorben und lässt seine Nervenenden brennen. Der Führer weiß nicht, dass er gefunden wurde. Der Vagant geht in die Hocke und legt das Baby vorsichtig in den Staub. Dann steht er langsam auf. Seine Klinge singt durch die Luft. Jetzt wird der Führer aufmerksam. Er krabbelt rückwärts, Versprechungen sprudeln über seine Lippen, bis der Schatten des Vaganten auf ihn fällt.

Plötzlich ist es still.

Spindeldürre Menschen und aufgeblähte Fliegen versammeln sich im Zwielicht. Beide werden von dem noch warmen Kadaver des Hundegezüchts angelockt. Bis zum Morgen haben sie ihn bis auf die Knochen abgenagt. Bis zum Nachmittag ist die Hälfte der Menschen gestorben, weil ihre Mägen das gehaltvolle Fleisch nicht verdauen können. Bis zum Abend streiten die Nekrohändler sich um ihre Skelette.

In Neu Horizont wird nichts verschwendet.

KAPITEL

ZWEI

In den Außenbezirken von Neu Horizont hat sich eine Karawane zusammengefunden und bereitet sich darauf vor, im Morgengrauen aufzubrechen. Der Vagant schließt sich ihr an und mischt sich unter die zerlumpte Ansammlung aus verlorenen und vergessenen Händlern und Reisenden.

Achsen knarren, Packtiere grunzen und Leute scharren mit den Füßen. Als Neu Horizont wie ein verblassender Albtraum zurückbleibt, lösen sich die Zungen und unbestimmte Unterhaltungen werden gemurmelt.

Die gelbe Hälfte der Sonne geht an diesem Tag als Erste auf und überzieht den Himmel mit Gold. Die von Aberglauben regierten Händler betrachten das als gutes Zeichen. Einer geht sogar so weit, sein Getränk mit einem Nachbar als Zeichen seiner Dankbarkeit zu teilen. Für die meisten verändert die Farbe allerdings nur die Palette der Hoffnungslosigkeit.

Bald wird der Horizont von einem rötlichen Schimmer überzogen, der den zweiten Sonnenaufgang des Tages ankündigt.

Einst hat ein einzelner Stern diese Welt erwärmt. Niemand erinnert sich an diese Zeit, obwohl sich alle einig sind, dass es damals besser gewesen sein muss. Die Menschen glaubten, das Ende der Welt sei gekommen, als die Sonne auseinanderbrach, doch weder explodierten die beiden Sternbruchstücke wie vorhergesagt, noch ließen sie Feuer und Zerstörung vom Himmel herabregnen. Stattdessen setzten sie ihre langsamen Umlaufbahnen um den Himmel und umeinander wie betrunkene Tanzpartner fort, die sich auch lange nach dem Ersterben der Musik noch weitermühen.

Der Vagant nähert sich einem der größten Wagen und lenkt die Aufmerksamkeit des Fahrers von dessen Selbstgedrehter auf sich. Ein Wort wird um den Stummel herumgequetscht: »Ja?«

Der Vagant wirft einen Blick zum hinteren Teil des Wagens und sieht dann wieder den Fahrer an. Eine weitere wertvolle Münze wechselt den Besitzer und der Vagant darf hinein.

Jenseits des Vorhangs ist der hintere Bereich des Wagens mit Kisten, zerkratztem Plastik und verbeultem Metall vollgestopft. Es wird kein Platz verschwendet, sogar die Gerüche quetschen sich zwischen die Kisten. Einige sind mit grobem Leinentuch bedeckt, doch das sind Ausnahmen; die meisten stellen ihre Waren offen zur Schau.

Der Vagant ist nicht interessiert. Er wirft einen Blick über die Schulter und zieht dann den Stoff zwischen sich und die Welt da draußen.

In der beengten Abgeschiedenheit legt er seinen Mantel und sein Schwert ab und kauert sich unbeholfen mit dem Baby hin, das er hereingeschmuggelt hat. Der Säugling schläft unnatürlich tief. Er ist für die grobe Behandlung der letzten Tage durch das sich verschlimmernde Fieber unempfänglich.

Mit dem Ärmel tupft der Vagant ihm die Stirn ab und pustet dann kühlende Luft auf das gerötete Gesicht. Das Baby zieht die Nase kraus und wendet den Kopf träge zur Seite. Als es sich langsam regt, zieht der Vagant den wertvollen Tiegel hervor, schraubt den Deckel ab und schöpft mit dem Finger etwas lilafarbenes Gel heraus. Er steckt den Finger in den Mund des Säuglings und wartet. Zahnlose Kiefer knabbern daran, und dann beginnt das Baby zu saugen. Noch zwei weitere Male bietet der Vagant ihm Medizin auf seinem Finger dar. Das Baby schluckt alles gierig.

Eine Weile dösen beide, eingelullt vom Knarren des Wagens und den schaukelnden Bewegungen.

Ohne Vorwarnung erklingt ein Flüstern aus den Tiefen des Wagens.

»Hilf mir.«

Der Vagant erstarrt und dreht sich dann zu einem großen Metallkäfig um. Schmuddelige Finger ziehen das darüberliegende Tuch beiseite und das Gesicht eines Kindes kommt zum Vorschein – kein Halbblut, das von verdorbenen Menschen geboren wurde, doch auch nicht frei geboren und auch kein Reinblut. Seine Gesichtszüge sind scharf, sein Körper klein und dünn, geformt vom Überleben durch Küchenabfälle und Gerissenheit. Ihm entgeht nichts und es starrt mit offenem Mund auf das Bild vor seinen Augen.

»Das Schwert«, keucht der Junge. »Du bist ein Seraphritter. Ich dachte, diesseits des Bruchs seien alle tot.« Seine Stimme verrät unterdrückte Aufregung und etwas Ungewohntes spiegelt sich in seinen Augen – die Möglichkeit einer Alternative zu Tod und Schmerz.

»Ich bin Jem«, sprudelt es flüsternd und drängend aus dem Jungen heraus, als ob er Angst hat, dass der Vagant sein Schweigen zum Anlass nehmen könnte, zu gehen. »Meine Mutter treibt Handel zwischen hier und Verdigris, aber letzte Nacht ist etwas schiefgegangen. Eine Gruppe Männer kam, hielt sie fest, und dann kamen andere, die waren zornig und nahmen mich mit. Sie sagten, sie schuldet ihnen Geld. Ich wollte mich wehren, doch dann hätten sie mir noch mehr wehgetan, also habe ich mich klein zusammengerollt wie ein Käfer. Sie schubsten mich in diesen Käfig und haben mich auf den Wagen verladen. Ich muss wieder zurück nach Neu Horizont. Ich muss sie finden und wissen, dass es ihr gut geht.«

Der Vagant sagt nichts.

»Ich bin sicher, dass sie dankbar wäre, sie hat Geld. Nicht viel, aber genug und …« Der Junge bricht ab, unsicher, wie er seine Karten richtig ausspielt. »… sie ist auch hübsch, sehr hübsch.«

Jem ist einer der Letzten, die vor den mageren Zeiten geboren wurden; alt genug, um sich an die Geschichten zu erinnern und damit von Kindesbeinen an gefüttert worden zu sein. Für ihn sind die Seraphritter Helden aus einer Zeit, als Kindheit mehr war als nur die paar Momente zwischen Bewusstwerdung und Enttäuschung. Doch er ist auch ein Kind der Gegenwart und weiß, wie man hartnäckig handelt, wenn es sein muss. Er rezitiert die Worte in geflüstertem Singsang: »Ich berufe mich auf den Brauch der Gnade. Rette mich, beschütze mich, erlöse mich.«

Der Vagant schließt die Augen.

VOR ACHT JAHREN

Zehntausend Seraphritter marschieren in den Kampf, der als die Schlacht der Roten Welle bekannt werden wird. Die meisten kräftigen Männer und Frauen der Region marschieren mit ihnen und werden zu Knappen, Knechten und Soldaten.

Mechanische Einheiten tragen den größten Teil der Armee – für die Ritter sind es vierbeinige Läufer mit Panzergürtelrücken oder Metallschlangen auf Gleisketten; für die Soldaten Wagen und Panzer.

Angeführt werden sie von einer Der Sieben, die von ihrem fliegenden Palast durch den Himmel getragen wird. Dahinter schweben Himmelsschiffe wie Entenküken, die ihrer Mutter folgen.

Der Boden bebt, wenn sie vorüberziehen.

Seit mehr als tausend Jahren wird der Riss im Erdboden, genannt der Bruch, von den Seraphrittern im Namen des Imperiums des Geflügelten Auges bewacht. Es wurde prophezeit, dass der Bruch sich eines Tages öffnen und namenlose Schrecken ausspeien würde. Doch die Jahrhunderte vergingen und dieser Tag blieb aus. Also ließ die Menschheit in ihrer Wachsamkeit nach. Es ist schwer, ein Leben lang wachsam zu bleiben … und über Generationen hinweg noch schwerer. Sogar Die Sieben – zeitlos, makellos, Aufseher des Imperiums – haben sich ablenken lassen und vernachlässigen oftmals ihre Besuche in der südlichen Region. Die ersten Eindringlinge, die aus den Tiefen des Bruchs hinaufschweben, treffen auf arglose Ritter. Gierig danach, zu existieren und sich mit ihren Klauen einen Halt in dieser Welt zu verschaffen, greifen die Dämonen blitzschnell an. Eine verschlafene, tausendjährige Wache endet mit Schreien und Blut.

Ein Mann entkommt; ein Knappe, der flieht, als der Kampf beginnt. Er trägt die Neuigkeit der Katastrophe nach Norden, über das Meer und bis zur Strahlenden Stadt – der Hauptstadt des Imperiums und das Allerheiligste Der Sieben.

Auf Knien erstattet er stotternd seinen Bericht – ein stammelndes, immer wieder von Entschuldigungen unterbrochenes Durcheinander. Er muss es noch viele Male wiederholen, während er die Kommandokette hinaufgereicht wird, bis man ihn zum Kommandanten der Ritter bringt, dem obersten Militärbefehlshaber des Imperiums. Innerhalb weniger Minuten nachdem dieser die Geschichte gehört hat, bringt er die Angelegenheit und den Jungen direkt zu Den Sieben, um Rat zu erbitten.

Nach zwei Tagen des Schweigens beschließen Die Sieben, den Knappen wegen Stümperei zu bestrafen. Nachdem das erledigt ist, verfallen Die Sieben in Grübelei, was als Nächstes zu tun sei. Dreizehn Monate nach der Ankunft der ersten Eindringlinge wird entschieden, dass die Armeen des Geflügelten Auges in voller Stärke hinausreiten sollen. Gamma von Den Sieben führt sie an und verlässt ihr Allerheiligstes, ihre Brüder und Schwestern und die ihr Ergebenen zum ersten Mal seit Menschengedenken.

Langsam durchquert die glorreiche Parade das Imperium. Die Jungen und Starken jeder Region werden mitgenommen. Das lässt die Anzahl und den Stolz anschwellen. Neue Rekruten kommen bereitwillig herbei, denn alle wollen Teil der Geschichte werden.

Als die Armee schließlich am Bruch eintrifft, warten die Feinde auf sie. Aus der Schlucht erheben sie sich zischend in die Luft wie eine Wand aus großen Blutwolken. Sie sind aus nicht erkennbaren Bestandteilen zusammengesetzt und nicht auseinanderzuhalten – bis auf ihre Zähne. Die sind wie grinsende Messer, Seite an Seite, Abertausende hungrige Mäuler.

Die Armee des Geflügelten Auges formiert sich und der Bruch würgt seltsame, vielbeinige Dinge hervor … ein Strom aus kreischenden Käfern, die auf die Lebenden zukrabbeln.

Die Soldaten antworten mit Kanonen und Blitzen und die Ritter ziehen ihre singenden Schwerter.

Auf dem Boden werden namenlose Monster zerfetzt, durchbohrt oder erschossen. Sie zerfallen zu Schlamm, ihre Körper können die Form so weit von ihrer Heimaterde entfernt nicht halten. Am Himmel flattern dunkle Gestalten zwischen den Geschütztürmen des schwebenden Palasts umher und pflücken die Männer einzeln von den Zinnen. Gelegentlich gelingt es einem Geschützturm, eine dieser Gestalten in Brand zu setzen. Dann leuchten ihre blauen Venen von innen heraus, während sie als flammender Hautfetzen zur Erde stürzt.

Schließlich kommt etwas Machtvolles aus dem Bruch zum Vorschein. Im Laufe der Zeit wird es als Usurpator oder Ammag oder Grüne Sonne bekannt werden, aber noch besitzt es keine Gestalt und wirkt wie ein grüner Schatten … ungeborene Bosheit. Wo immer es vorüberzieht fallen leere Hüllen in sich zusammen, die nur wenig mit den tapferen Männern und Frauen gemein haben, die sie noch vor wenigen Momenten waren.

Eine Welle der Angst läuft durch die Armee und ihre Gedanken wenden sich der Möglichkeit einer Niederlage zu.

Gamma von Den Sieben beobachtet die Schlacht mit Augen, die den Himmel widerspiegeln. Als sie sieht, wie die wahre Bedrohung sich offenbart, gibt sie ihren Bediensteten ein Zeichen. Diese öffnen die Türen für sie, während sie sich reckt und die dünne, sie umschließende Steinschicht zerschmettert wie ein Vogel, der seinem Ei entschlüpft.

Auf Schwingen aus Silber und Feuer stößt sie auf den Feind hinab. Ihr Schwert ist ihr Kampfschrei und sein Ruf verwandelt die teuflischen Feinde zu Asche. Als sie sich nähert, zögert das formlose Ding und zieht sich in die Sicherheit des Bruchs zurück. Es ist nicht bereit, sich ihr zu stellen – noch nicht. Wie ein Pfeil nimmt Gamma die Verfolgung auf und keine Kreatur des Bruchs wagt es, sich ihr entgegenzustellen. Die Feinde stieben davon wie Blätter in einer Brise, bis Gamma auf der dunklen, veränderlichen Oberfläche ihres Gegners landet und ihr Schwert tief in seine Formlosigkeit stößt.

Stumm, da es nicht schreien kann, wogt sein Schmerz in Strängen kochender Essenz nach außen. Es versucht zu fliehen und Gamma verfolgt es. Ihr Schwert lässt Hass in die Wunde fließen und sät Samen seiner selbst in den Feind. Sie schweben in ihm, ruhen und warten darauf, aufzublühen.

Es ist gezwungen, sich von der gähnenden Leere abzuwenden und sich ihr widerwillig zu stellen.

Sie kämpfen.

Man sagt, sie habe gut gekämpft. Man sagt, sie sei gut gestorben. Der Kommandant der Ritter würde nichts anderes dulden. So oder so, Gamma von Den Sieben fiel an jenem Tag.

Der Befehl zum Rückzug erfolgte bald darauf. Kaum zweitausend überleben den ersten Rückzug.

Es gibt keinen zweiten Rückzug.

KAPITEL

DREI

Gegen Nachmittag haben die zerbrochenen Sonnen die Plätze getauscht, sodass die Berge gold gesprenkelt sind und der Himmel rot getupft. Die Karawane setzt ihren langsamen und einsamen Weg nach Norden fort.

In einem der Wagen steht eine Käfigtür offen. Davor reckt sich glücklich ein kleiner Junge. Er beobachtet den Mann, der ihn gerettet hat, mit erwartungsvollem Blick. Offensichtlich möchte er, dass der Mann ihn begleitet; vielleicht hofft er sogar, dass dieser Teil ihres Lebens werden könnte – ein Gefährte für seine Mutter, ein Vater für ihn.

Der Mann hat allerdings keins dieser Dinge angeboten und sitzt schweigend da, während das Baby den Rest der Medizin nuckelt. »Ich nehme an, es heißt jetzt Lebwohl?«, fragt der Junge schließlich.

Der Vagant nickt.

Enttäuscht lässt er den Mann und das Baby allein im Wagen zurück. Ohne das ständige Geplapper des Jungen ist es still.

Der Vagant starrt die Münzen in seiner Hand an. Jede Einzelne hat die Macht, Leben zu kaufen und zu verkaufen. Nur fünf sind jetzt noch übrig. Die anderen wurden für notwendige Dinge wie Nahrung und Medizin ausgegeben, aber auch für Ablässe – wohltätige Handlungen, die nur wenig dazu beitragen, die Schulden des Gewissens abzutragen.

Die zuletzt ausgegebenen Münzen haben die Freiheit des Jungen erkauft, eine Ziege und ein Minimum an Privatsphäre für die Reise. Von diesen dreien kann nur die Ziege als Notwendigkeit erachtet werden. Nicht viele Kreaturen überleben die Verwüsteten Lande ohne Veränderungen. Nach dem Eintreffen der Höllenbrut sind die meisten gestorben oder wurden von der verdorbenen Energie verändert, die aus dem Bruch entwich. Im Laufe der Zeit haben die von ihr infizierten Überlebenden sich fortgepflanzt, sich dabei aber immer weiter von ihrer ursprünglichen Form entfernt, bis sie nur noch ein Schatten ihrer selbst waren.

Die Ziege ist zwar mager, übellaunig und stur, ansonsten aber ist sie von der Verderbnis verschont geblieben und eine verlässliche Quelle für kraftlose, graue Milch.

Allmählich wird die Karawane langsamer und bildet einen Kreis wie eine Katze, die sich ihr Lager bereitet. Räder und Knochen ächzen, während Wagen und Packtiere zum Stillstand kommen. Die Menschen essen ihre sparsamen Rationen und beäugen dabei neidisch die Kost ihrer Nachbarn.

Mit frischer Kraft erwacht das Baby und beginnt zu weinen. Das Fieber löst endlich seinen Griff und der Hunger meldet sich mit aller Macht zurück.

Der Vagant steht schnell auf und klaubt seine Sachen zusammen. Er hebt das Baby hoch und bedeckt es wieder mit seinem Mantel. Eingehüllt in die warme Dunkelheit beruhigt sich das Baby etwas, aber es murrt immer noch, während der Vagant aus dem Wagen klettert.

Als er sich der Ziege nähert, beäugt sie ihn mit deutlichem Argwohn. Sie versucht sich ihm zu entziehen, aber der Draht, mit dem sie am Wagen angebunden ist, hält sie fest. Im Gegensatz zu vielen der Menschen, die in dieser Karawane gefesselt mitgeführt werden, bleibt die Ziege aufsässig. Der Vagant arbeitet allerdings schnell und bald hat die Ziege sich seinen Wünschen gefügt und kaut teilnahmslos, während er die kostbare Flüssigkeit in einem alten Zinnbecher sammelt. Ein Mann nähert sich, halb verhungert wie alle anderen. Seine Augen sind voller Verzweiflung. »Hey, Kamerad«, beginnt er mit zuckendem Mund. »Geht’s dir gut?«

Der Vagant neigt langsam den Kopf.

»Was hast du da? Is das ein Baby auf deinem Arm?«

Geräusche der Karawane sind deutlich zu hören, während die beiden Männer einander ansehen – Leute kochen auf notdürftigen Lagerfeuern, Bolzen werden festgezogen, gebogene Speichen wieder gerade gehämmert, Schwertklingen geschärft.

»Komm schon, Mann, ich war nicht der Einzige, der es gehört hat. Und ich bin auch nicht der Einzige, der sich dafür interessieren wird. Also lass uns reden.« Er kratzt die wunden Stellen an seinem Kinn und fährt mit seinem Ansinnen fort. »Ich hab dich beobachtet und ein paar Ideen, was du im Schilde führst. Du hast da ein Unverdorbenes, oder? Du glaubst, du bist schlau, es so rauszuschmuggeln. Ich wette, du willst es irgendwo im Norden verkaufen und dir ein nettes Sümmchen auf die Seite schaffen. Die Sittenlose bietet ne Menge für kleine Mädchen und du könntest nen großen Reibach machen, wenn du’s bis dorthin schaffst. Ich hab einen Kontakt da oben, der freie Verkäufe mit den Fleischhändlern vermittelt und keine Fragen stellt. Also, wie wär’s? Wir könnten Partner sein – du hast die Ware und ich die Kontakte. Wir teilen den Profit und das bleibt alles schön unter uns. Was sagst du?«

Die Augen des Vaganten ziehen sich kaum merklich zusammen.

»Wenn’s dir nicht gefällt, kann ich natürlich auch mit n paar Freunden von mir reden und wir könnten dir den Knirps ganz unentgeltlich abnehmen. Deine Entscheidung.«

Mit Bedacht stellt der Vagant den Becher mit der Milch auf den Boden und legt das Baby daneben.

»Oh, das is ja hübsch. Ich hoffe wirklich, es ist n Mädchen, ehrlich.«

Der Vagant steht auf und macht einen Schritt nach vorn. Er ist einige Zentimeter größer als der Mann.

»Also, was sagst du?«

An seiner Seite unter dem Mantel zucken die silbernen Schwingen, die sich um den Griff des Schwertes winden, und die Klinge summt ganz leise. Das Blut des Mannes ist mehr als verdorben, es ist durch die Höllenenergie dickflüssig.

»Nun?«

Die rechte Hand des Vaganten öffnet und schließt sich, er runzelt missbilligend die Stirn. Er schiebt die Hand unter seinen Mantel und zieht eine Münze aus der Tasche, die er dem Mann anbietet. Dabei legt er einen Finger an die Lippen.

»Ist es das, wofür ich es halte?« Die Münze ist bereits verschwunden. »Nicht gerade, worauf ich gehofft hatte, aber meinetwegen, abgemacht. Ich hab nichts gesehen.«

Zurück im Wagen füttert der Vagant das Baby mithilfe eines Gummiröhrchens. Er lauscht den Geräuschen der Räder, die sich draußen drehen, und den Stimmen der Leute, die flüstern und tratschen.

Viele Meilen südlich von Neu Horizont verkümmert der Gefallene Palast. Nach der Schlacht der Roten Welle hinkte er über den Himmel und floh vor dem Bruch und dem endlosen Strom der Monster, die aus dessen felsigem Schoß geboren wurden.

Der Palast konnte nicht entkommen und wurde von einem Schwarm, der ihn verfolgte, vom Himmel gepickt, bis er die Erde ein letztes Mal küsste, dabei ein neues Tal in die Landschaft schnitt und einen der großen Südflüsse umleitete. Jetzt ist der Gefallene Palast für alle Zeiten von fauligem Sumpfland umgeben.

Geschütztürme und Mauern neigen sich schräg nach rechts, wirken im Tageslicht wie trunken durch ihren ungesunden Neigungswinkel. Unbemerkt von den armen Seelen, die durch die steilen Straßen laufen, huscht ein Bote im Zickzack heran, dessen Flügel wie winzige Motoren summen.

Im Gefallenen Palast gibt es kein Glas mehr. Die Fenster wurden beim Absturz zerschmettert und überzogen den Boden mit einer Schicht billigen Kristalls. Die Scherben sind inzwischen alle verschwunden, vom längsten Splitter bis zum winzigsten Stückchen, alles wurde gestohlen.

Viele Öffnungen klaffen – Löcher in den rissigen Bürgersteigen, Türen, Fenster –, aber sie lenken den Boten nicht ab. Er bewegt sich direkt auf einen Turm zu, wo Bronzewände einen aussichtslosen Kampf gegen grüne Flechten führen, die sie immer mehr überwuchern.

An der Spitze des Turms befindet sich ein bogenförmiges Fenster und an diesem Fenster steht eine Menschengestalt. Als die Fliege sich nähert, klappt das Gesicht der Menschengestalt auf wie eine Muschel. Die Fliege landet auf einer überlangen Zunge. Ihre Arbeit ist getan, die hektischen Flügel reglos.

Die Menschengestalt schließt den Mund und schmeckt die Worte, die sich in dem von der Fliege herbeigebrachten Blut verbergen. Sie verdaut beides und eilt in die Finsternis des Turms, unbeeindruckt von der Neigung des Bodens. Sie betritt die Gemächer ihres Meisters, verharrt und wartet darauf, zur Kenntnis genommen zu werden.

Im Dämmerlicht regt sich eine große Masse. Die Bewegung wird von einigen heftigen und doch kleinen Ausscheidungen begleitet. Die Menschengestalt betrachtet die Bandagen auf der Hülle ihres Meisters. Sogar die jüngsten beginnen zu zerfransen. Im Geiste notiert sie, dass die nächste Bestellung eilends erfolgen muss.

Der Usurpator ist jetzt vollends erwacht und bewegt sich. Er füllt den Körper mit Leben, der einst Gamma gehörte, verzerrt ihre Konturen. Er bedeutet der Menschengestalt, näher zu kommen. Die Geste ist schwerfällig und will nicht so recht zum Größten der Höllenbrut passen. Die Menschengestalt ist froh, dass weder die Sittenlose noch der Erste anwesend sind, um sie mit anzusehen.

Die Menschengestalt gehorcht, durchquert eifrig den Raum und drückt die Stirn gegen die ihres Meisters. Ihre weichen Konturen wirken geradezu ätherisch neben der kantigen, auseinanderbrechenden Monstrosität.

Die Köpfe wie Liebende aneinandergelegt, berühren sich die beiden Zungen und Gedanken fließen wie ein reißender Strom zwischen ihnen.

»Ich habe einen Finger im Schädel von einem gewissen Zero, der von singenden Münzen und einem schweigenden Mann erzählt, der seine Schätze verbirgt.«

»Er, der das Rudel erlegt hat?«

»Er muss es sein, Meister.«

»Er, der die Unsrigen zerfetzt hat?«

»Er muss es sein, Meister.«

»Er, der die Arglist bei sich trägt?«

»Es kann niemand anderes sein, Meister.«

»Ich will ihn.«

»Aber Eure Haut nässt, Meister, Ihr müsst ruhen.«

»Die Ruhe wird kommen, wenn die Arglist uns gehört.«

»Wann werdet Ihr aufbrechen, Meister?«

»Sofort. Die Arglist verspottet mich aus den Schatten und ich dürste danach, zu handeln.«

»Und was ist mit der nächsten Bezeigung?«

»Was soll mit der nächsten Bezeigung sein?«

»Sie rückt näher, Meister.«

»So bald schon?«

»Ja, Meister. Sie rückt näher und Eure Majestät müssen gesehen werden, die Ketten müssen nachgezogen werden.«

»So sei es. Doch die Arglist wird zurückerobert werden. Verbreite die Nachricht.«

»Wer wird erwählt, an Eurer Stelle zu gehen, Meister?«

»Die Ritter von Jade und Asche.«

»Ich werde sie entsenden.«

»Der Wandelnde Hammer.«

»Ich werde ihr den Befehl überbringen.«

Sie lösen sich voneinander und die Menschengestalt zieht sich zurück. Dabei wird sie von Gedanken geplagt, die nicht ihre eigenen sind. Das Verlangen ihres Meisters, alles zu beherrschen, hallt in ihrem Geist wider, während sie die Stufen des Turms hinabsteigt. Sie haben in dieser neuen Welt viele Siege errungen und einen großen Teil des Lands für sich beansprucht – doch sie widersetzt sich ihnen bei jedem Schritt, nagt an ihrer Essenz und schält ihre Schutzhüllen ab. Obwohl sie nur wenige Meilen vom Bruch entfernt sind, drückt der Himmel sie feindselig nieder. Die Menschengestalt spürt die Frustration ihres Meisters und noch etwas anderes, eine unerwünschte Gabe, das Murmeln von Angst.

Ausnahmsweise ist sie froh über ihr Getrenntsein … ihre eigene Schlichtheit ist zur Abwechslung einmal beruhigend. Dennoch, das Wissen bleibt und hat sich jetzt festgesetzt: der Usurpator wird schwächer. Die Menschengestalt weiß nicht, wie lange man dies noch vor den Agenten der Sittenlosen oder den Nomaden des Ersten verborgen halten kann.

Sie wirft einen Blick auf ihren eigenen Körper. Die Haut ist weiterhin glatt und unversehrt, ein Beweis für ihre Kontrolle. Die übliche Ruhe der Menschengestalt breitet sich langsam wieder in ihr aus. Sie wendet sich erneut der Aufgabe zu, die Arglist und den Mann, der sie vor ihnen versteckt, zu finden und geht hinaus auf die rutschige Straße.

Sie öffnet den Mund und schmeckt die Luft. Fliegen krabbeln aus ihrem Schlund. Jede saugt ein Tröpfchen der Wünsche ihres Meisters auf, dann schwärmen sie am sich verdunkelnden Himmel aus.

KAPITEL

VIER

Rasselnd und verwahrlost trifft die Karawane an ihrem ersten geplanten Haltepunkt ein: den Feldern von Kendalls Torheit. Obwohl sie verblasst sind, heben die grünen Quadrate sich deutlich von dem unfruchtbaren Staub ab, der sie umgibt.

An einigen Stellen funktionieren noch Maschinen und pumpen trübes Wasser durch Metallrohre, die sich sechs Meter über der Vegetation wölben.

Dort, wo das nicht der Fall ist, laufen Sklaven mit dicken Plastikbeuteln, die sie sich auf den Rücken geschnallt haben, über die Felder wie schwangere Frauen im Rückwärtsgang.

Wachen gehen in Zweiergruppen am äußeren Rand entlang und verstärken den Stacheldrahtzaun, der die Felder umzäunt, durch ihre scharfen Blicke und die schussbereiten Waffen. Ein Ungeborenes hängt an einer Kette mitten über den Feldern und zittert unsichtbar in seiner gewickelten Hülle. Die Außenseite ist uneben und schmutzig weiß … wie ein Ding, das aus den Tiefen des Meeres gestohlen wurde. Die kalkhaltige Masse hier baumeln zu lassen ist eine Herausforderung, aber fruchtbares Land ist so tief im Süden kostbar und die Anwesenheit des höllischen Ungeborenen hält hungrige Käfer und Tiere der Verwüsteten Lande fern.

Händler, Reisende und Zuhälter kommen heraus, um die Karawane in Empfang zu nehmen. Alle sind erpicht darauf, die besten Waren und den neuesten Klatsch zu ergattern. Düsteres Grinsen wird zuerst ausgetauscht, eine letzte Annäherung an Begeisterung. Der Vagant wählt diesen Augenblick, um sich davonzustehlen. Er schlüpft hinten aus dem Wagen und nimmt seine Ziege mit.

Ausnahmsweise folgen die Augen der Karawane ihm dieses Mal nicht. Alle sind zu sehr mit ihrer momentanen Gier beschäftigt, um sich an den geheimnisvollen Mann und seine kostbare Fracht zu erinnern.

Ohne einen Blick zurückzuwerfen, entfernt er sich von der lärmenden Zusammenkunft und verschwindet hinter einer Ansammlung zerbeulter Lamellen aus Metall, die als Windschutz für diejenigen dienen, die zu arm oder zu schwach sind, um vollständig umschlossene Unterkünfte ihr Eigen zu nennen. Eine kleine Ferse tritt gegen seinen Bauch. Der Vagant grunzt und geht weiter.

Andere haben sich ebenfalls aus der Sichtweite der Menge zurückgezogen. Ein Mann kauert am Boden und hält etwas Weiches in seinen knorrigen Fingern. Zwei weitere Männer sind dem ersten gefolgt und nähern sich ihm verstohlen und hungrig von hinten. Der Mann hat sich mit einer kostbaren Frucht davongeschlichen. Sie erreichen ihn, als er sie gerade auseinanderbricht. Ein Hauch Süße schwebt durch die Luft. Sie treten ihn, zerren ihn rückwärts und greifen nach ihrem Anteil der Nahrung. Er wehrt sich und sechs Hände tanzen, zerquetschen das wässrige Fleisch der Frucht und verderben es.

Der Vagant beobachtet alles reglos. Erneut wird er unter seinem Mantel von einem winzigen Fuß getreten. Vor ihm dauert der Kampf an. Die Hände haben sich jetzt getrennt und die Füße sind an der Reihe. Sie krachen in die Rippen des ersten Mannes wie ungeduldige Liebende, die begierig auf einen Kuss sind, und noch einen und noch einen …

Der Mann hört auf, sich zu wehren.

Die Sieger teilen sich die lächerlichen Überreste des klebrigen Fruchtfleischs. Das meiste lecken sie von ihren Fingern. Dann schleichen sie unzufrieden davon zu der Ansammlung heruntergekommener Gebäude, die den größten Teil des Lebensraums von Torheit bilden.

Der Vagant geht weiter und hält dabei den Blick auf den festgestampften Staub zu seinen Füßen gerichtet. Ein dritter Tritt lässt ihn scharf den Atem zwischen den Zähnen einziehen. Er sieht sich um – nur die Ziege beobachtet ihn. Er ignoriert ihren bösartigen Blick und öffnet seinen Mantel, um hineinzuspähen. Das Baby ist wach. Ihre Blicke treffen sich und ein paar Sekunden verstreichen. Der Vagant schließt seinen Mantel und geht weiter.

Hinter ihm stöhnt der verprügelte Mann jämmerlich.

Der nächste Tritt ist energischer. Erneut zieht er seinen Mantel beiseite und sieht stirnrunzelnd auf das Baby hinunter. Es hört auf zu treten und sieht zu ihm hoch. Er zieht die Augenbrauen hoch und das Baby lächelt. Diese Abfolge wiederholt sich einige Male und bei jeder Wiederholung lächelt das Baby etwas mehr.

Der Vagant bleibt stehen und seufzt. Er legt einen Finger an die Lippen des Babys und schließt dann fest seinen Mantel. Er dreht sich um und geht zurück zu dem verletzt am Boden liegenden Mann. Die Ziege hat Einwände gegen die Richtungsänderung, da sie von den Feldern wegführt.

Sie stemmt sich dagegen.

Der Vagant zieht fester.

Die Ziege weiß, dass sie nicht gewinnen kann, aber sie versucht es dennoch. Der Miniaturaufstand wird mit einem noch schärferen Zug an ihrer Leine beantwortet. Die Ziege gibt nach … dieses Mal.

»Bitte, nicht mehr!«, fleht der Mann und legt die Arme vor sein Gesicht. »Ihr habt doch schon alles genommen.« Frisch abgebrochene Zähne lassen ihn lispeln.

Der Vagant wartet und ignoriert das enthusiastische Trommeln an seiner Brust und seinem Bauch.

Zaghaft werden die von blauen Flecken übersäten Arme heruntergenommen und eine dazu passende Zusammenstellung aus Rot und Lila auf seinem Gesicht kommt zum Vorschein. »Bist du das neue Auge der Aufseherin? Es tut mir leid.« Durch das Lispeln klingt er trotz seines Alters kindlich. Er ringt nach Atem, bevor er fortfährt: »Ich habe nur die Gunst des Moments genutzt, bitte sag nichts. Es war nur ein Moment. Ich gehe jetzt zurück … ich werde gehen …« Er rappelt sich ein Stück weit auf, bevor er wieder schmerzerfüllt zusammensackt.

Der Vagant schlingt sich die Leine zweimal ums Handgelenk und bietet dem Mann seine Hand an.

Der Mann beäugt sie, als wäre sie eine Bombe oder eine Schlange. Er zögert, dann ergreift er sie und seine Finger zittern im Griff des Vaganten. Die Verletzungen des Mannes und die zusätzlichen Belastungen des Vaganten sorgen für Unbeholfenheit, aber schließlich steht der Mann auf den Füßen und stützt sich schwer auf die Ziege, die diese jüngste Würdelosigkeit mit einem gewissen Pragmatismus hinnimmt.

»Ich danke dir, Fremder … Ich muss mich … wieder zusammenflicken lassen, wenn ich … irgendjemandem von Nutzen sein will. Würdest du mir zu Lil hinüberhelfen? Es ist … direkt da drüben.« Er zeigt auf ein zerbröckelndes Gebäude, das aus einem einzelnen Steinmonolithen herausgesprengt wurde. Lückenhafte Beleuchtung zeigt noch halb den ursprünglichen Namen des Bauwerks.

Der Vagant nickt und macht sich mit ihm auf den Weg dorthin.

Nach ein paar Schritten keucht der Mann: »Muss stehen bleiben … kurz … wieder zu Atem kommen.«

Sie warten. Stille zehrt an ihren Nerven.

Schließlich bekommt der Mann wieder Luft und spricht. »Ich glaube, ich wäre erledigt gewesen, wenn du nicht rechtzeitig gekommen wärst. Hör zu, ich hatte … schon lange nicht mehr … viel Grund zum Reden. Ich weiß, ich sehe nach nichts aus, aber … es gab mal eine Zeit … bevor die Dinge … nun, früher war ich als guter Redner bekannt, wenn du weißt, was ich meine.« Er hustet und wischt sich mit dem Handrücken Blut und Speichel fort. »Also, damals, als Namen noch etwas bedeuteten, nannte man mich Ventris. Wie lautet dein Name, Fremder?«

Der Vagant wuchtet eine schlecht eingepasste Tür auf. Verbogenes Metall kratzt über Stein und lässt das Innere des Gebäudes kurz hinter einem Staubvorhang verschwinden. Nacheinander treten die Gruppenmitglieder ein – eine bizarre Prozession bestehend aus dem Vaganten, einem Verletzten und der Ziege.

Im Raum steht ein Plastikzelt, dessen einstmals weißes Gewebe zu einer fleckigen Cremefarbe gealtert ist, aber es ist eine Insel der Sauberkeit. Man sieht deutliche Spuren, dass viele Schlachten gegen den eindringenden Schmutz stattgefunden haben. Jenseits des kleinen, geschrubbten Kreises säumen Tische und Bänke unterbrochen von schartigen Steinsäulen den Raum. Zwischen Zelt und Eingang steht eine Frau und in ihren Händen liegt eine Waffe. Auch diese ist bemerkenswert sauber …

»Das ist weit genug.« Die Stimme der Frau hält noch an einer gewissen Jugendlichkeit fest, die ihr Gesicht längst verlassen hat.

Der Vagant tritt beiseite und lässt den Verwundeten ins Blickfeld humpeln. Die Strecke war nur kurz, aber sie hat ihn erblassen lassen und seine Wangen wirken unter den Blutergüssen geisterhaft.

»Lass gut sein, Lil«, keucht der Mann. »Er … hilft nur einem alten Mann.«

»Ventris, bist du das da drunter? Bei den Sonnen, du bist ja übel zugerichtet!« Sie wirft den Männern einen herrischen Blick zu und wartet nicht auf eine Antwort. »Nun steh da nicht in meiner Tür und blute alles voll. Kommt hier herüber und schließt die Tür. Ich will nicht, dass jeder glaubt, er könne hier einfach so hereinmarschieren!«

Ihre Befehle werden ohne Widerspruch befolgt und eine Minute später liegt Ventris in dem Zelt. Der Vagant sitzt an der Wand. Sie wurden eindringlich davor gewarnt, etwas anzufassen.

Das Zelt bietet nur die Illusion von Privatsphäre und Stimmen treiben hindurch; Geheimnisse werden auf dem Rücken von Geflüster weitergetragen.

»Also, was ist dieses Mal passiert?«

»Ich war nachlässig.«

»Du warst schon immer nachlässig. Es ist ein Wunder, dass du so lange überlebt hast. Erzähl mir etwas, was ich noch nicht weiß.«

»Zwei der Arbeiter haben mich angegriffen und mich auf dem falschen Fuß erwischt. Die Bastarde haben mich für die Würmer liegen lassen.«

»Halt still. Ich glaube, sie haben dir eine Rippe gebrochen. Wer genau? Nein, lass mich raten, welche aus dem Haufen, die aus dem Norden gekommen sind, Kell oder einer von denen … Das dachte ich mir. Also, was erzählst du mir nicht? Komm schon, Ventris, zwing mich nicht dazu, etwas zu tun, das du bereuen würdest.«

»Ich habe eine kleine Pasha hinausgeschmuggelt. Schätze, ich hatte sie nicht gut genug versteckt.«

Ein Geräusch, als würde ein Ohr mit den Fingern angeschnippt werden, ist zu hören, gefolgt von einem unbehaglichen Grunzen.

»Du dämlicher Trottel! Du hast Glück, dass Kell dich gesehen hat und nicht einer aus der Mannschaft der Aufseherin, oder ich müsste mehr als nur ein paar Fäden benutzen, um dich wieder zusammenzuflicken.«

»So nachlässig war ich nun auch wieder nicht, keiner von denen hat es gesehen.« Wieder das Schnipsen. »Au, lass das, Lil!«

»Und wenn sie bemerken, dass etwas weggenommen wurde, was dann? Ich hätte wirklich Lust, die Fäden wieder herauszuziehen und dich für die Aasfresser nach draußen zu rollen.«

»Du bist eine wahre Freundin, Lil. Gibt nicht mehr viele wie dich.«

»Übertreibe es nicht. Das ist das letzte Mal, hörst du? Noch mehr Dummheiten und ich erschieße dich höchstpersönlich und nehme mir das, was übrigbleibt, um Handel damit zu treiben.«

Unbemerkt fischt sich die Ziege einen Handschuh vom Tisch und kaut darauf herum.

»Und wer«, fährt sie fort, ihre Stimme nicht leise genug, »ist der Kerl, der deinen jämmerlichen Kadaver zu meiner Tür geschleppt hat?«

»Ich will verflucht sein, wenn ich das weiß. Er schwingt keine großen Reden. Hat kein Wort mit mir gesprochen, tauchte einfach aus dem Nichts auf und brachte mich her. Vielleicht ist er einer der Halbblüter? Ich habe Geschichten gehört, dass einige von diesen Unglücklichen keine normalen Zungen haben.«

»Der sieht mir nicht wie ein Halbblut aus.« Etwas Metallisches klappert, als es auf ein Tablett gelegt wird. »Ich weiß nicht, wonach er aussieht, und das macht mir Sorgen. Ich glaube nicht, dass hier viel Platz für einen Händler ist, der nicht rufen kann. Ein Sklave ist er aber auch nicht.«

»Nun, er verfügt über Mittel.«

»Nicht seiner Kleidung nach zu urteilen.«

Das Kichern des Mannes bricht mit einem Zischen ab. »Verdammte Rippen!«

»Und hast du bemerkt, wie er sich bewegt? Er versucht etwas zu verbergen. Ich weiß nicht, ob er missgebildet ist oder bewaffnet, aber ich weiß, dass der Mann Ärger bedeutet.«

»Das sieht dir gar nicht ähnlich, dich damit zu befassen, was ein Mann unter dem Mantel hat, Lil.«

»Ich habe oft genug unter deinen Mantel gesehen, Ventris. Da gibt es nicht viel, womit man sich befassen könnte!«

Eine Weile hört man nur das leise Geräusch der Nadel auf Haut. Schatten fallen durch die blinden Fensterscheiben und Fliegen summen fleißig an der Tür. Dann ertönt ein unregelmäßiges Schnarchen im Zelt und bald darauf tauchen die Frau und ihre Waffe auf.

»Also schön, Fremder, was willst du?«

Der Vagant sieht hoch. Seine bernsteinfarbenen Augen wirken müde.

»Damit das klar ist. Ventris hat nichts, was er dir geben könnte, außer Märchen und Ratschlägen – und die sind weniger wert als die Luft, die mit ihnen ausgeatmet wird. Also, wenn du auf eine Belohnung wartest, kannst du genauso gut wieder gehen.«

Der Vagant wischt diesen Gedanken mit einer Handbewegung beiseite.

»Also, wer bist du und was willst du?« Ihr Blick ist unerbittlich, der Lauf der Waffe unbeirrt auf ihn gerichtet. »Nun, du siehst für mich nicht gerade dumm aus. Du wirkst auch nicht schüchtern, also wie wäre es, wenn du aufhörst, Spielchen zu spielen, und mir ein paar Antworten gibst?«