Autor

Die Autorin
Marlena Noah, geboren 1991, verbrachte ihre Kindheit und Jugend sowohl in Deutschland als auch in den USA. Obwohl sie heute mit ihrer Familie wieder in Nordrhein-Westfalen lebt, kehrt sie gedanklich oft in die Staaten zurück, denn ihre Romane lässt sie am liebsten in ihrer zweiten Heimat Colorado spielen. Wenn sie nicht gerade dabei ist, berührende Liebesromane zu verfassen, leitet sie eine Übersetzungsagentur und genießt den Alltag mit ihrer kleinen Familie.

Das Buch

Obwohl Samanthas Kindheit nicht leicht war, ist sie Optimistin. Bis eines Tages ihr bester Freund Billy bei einem Autounfall ums Leben kommt. Von einem Tag auf den anderen bricht Samantha alle Brücken hinter sich ab. Sie verlässt Lakewood, Colorado, und damit auch Timothy, die Liebe ihres Lebens, um in New York Medizin zu studieren. Doch auch dort muss sie immer wieder an die Ereignisse in dieser einen Nacht in Colorado denken. Bis die Vergangenheit sie schließlich einholt …

Marlena Noah

Chasing Hope

Am Ende nur du

Forever

Forever by Ullstein
forever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever
Forever ist ein Digitalverlag
der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
April 2017 (1)
 
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017
Umschlaggestaltung:
zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®
Autorenfoto: © privat
 
ISBN 978-3-95818-180-9
 
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PROLOG

Eben waren wir noch Kinder. Jetzt liegt sie dort, ich stehe hier und ich frage mich, wie es jemals so weit kommen konnte. Wer trägt die Schuld daran, dass wir beide heute sind, wo wir sind? Wer ist verantwortlich für die Dinge, die sich ereignet haben?

War es die Schuld von Karen Keller, die ihrer Tochter eine fatale Vorstellung von Liebe vermittelte?

War es die Schuld von Sally Benton und Stuart Tate, die sich zu sehr im Hintergrund hielten?

War es meine, weil ich es hätte besser wissen müssen?

Oder war es am Ende doch einzig die Schuld von Samantha Keller und Timothy Sawyer, die wiederholt die falschen Entscheidungen trafen?

Vielleicht trug niemand die Schuld. Vielleicht waren wir alle verantwortlich, spielten wir doch jeder eine signifikante Rolle in dieser Geschichte.

Aber stimmt das wirklich? War es die Schuld von jedem Einzelnen, weil wir bestimmte Entscheidungen trafen?

Es liegt in der Natur der Sache, dass man, wenn etwas beginnt, in der Regel keine Ahnung hat, wie es einmal enden wird. Wenn man also vor die Wahl gestellt wird, wählt man in der Regel die Option, von der man in diesem Moment überzeugt ist, ohne zu wissen, wie diese Entscheidung ausgehen wird. Man handelt nach bestem Gewissen, man gibt alles. Ist man dann tatsächlich der Schuldige, wenn etwas schiefgeht?

Hat man gute Intentionen oder schlechte? Wer entscheidet, was von beidem es ist? Und wer definiert die Ergebnisse, zu denen diese Intentionen führen?

Wer definiert richtig und falsch? Wer oder was macht einen Menschen schuldig oder unschuldig?

Es ist das alte Spiel »Was wäre, wenn«. Eine andere Situation, eine andere Entscheidung, und nichts von alledem wäre passiert.

Vielleicht.

Die Nacht ist jung, mir bleibt noch etwas Zeit. Wenn ich zurückgehe, es erneut erlebe, vielleicht finde ich dann irgendwann Antworten.

1.

Es mag sein, dass unser Leben nicht perfekt war, aber es war doch verdammt nah dran. Ich weiß nicht, wann das Schicksal sich entschied, uns Steine in den Weg zu legen.

Lone Tree, 24. Mai 2010

Samantha Kellers Blick glitt über die voll besetzten Stuhlreihen der riesigen Halle. Sie sah ein Meer aus Schülern, die freudig zu ihr aufsahen, gehüllt in goldgrüne Talare mit goldenen Kappen auf ihren Köpfen. In den Reihen dahinter saßen Lehrer, Eltern, Geschwister, Freunde, deren Fotoapparate fleißig Aufnahme um Aufnahme schossen, und denen man den Stolz aus meilenweiter Ferne hatte ansehen können.

Samantha warf einen kurzen Blick auf die Karteikarten, die sie in ihrer rechten Hand hielt. Die linke umklammerte noch immer fest das Diplom, das Principle Johnson ihr keine dreißig Minuten zuvor überreicht hatte. Sie holte noch einmal tief Luft, bevor sie zum letzten Teil ihrer Abschlussrede ansetzte:

»Ich weiß noch nicht viel über das reale Leben dort draußen, aber ich weiß genug, um euch und mich heute an folgendes zu erinnern«, wandte sie sich an ihre nun ehemaligen Mitschüler.

»Verwechselt niemals euren Beruf mit eurem Leben, denn das erste ist nur ein ganz kleiner Teil des zweiten. Wir werden diese Turnhalle und diese Schule heute mit nur einer einzigen Sache verlassen, die uns allein gehört. Es wird tausende von Menschen geben, die den gleichen Abschluss haben wie wir, und es wird Millionen von Menschen auf dieser Welt geben, die genau dasselbe wie wir tun wollen. Das Einzige, was uns von ihnen unterscheidet? Wir allein haben die Kontrolle über unser Leben – unser ganz eigenes, gesamtes Leben. Nicht nur unser Leben in einem Büro oder an einem Schreibtisch, oder unser Leben in einem Zug oder vor einem Computerbildschirm. Nicht nur das kopfgesteuerte Leben, aber das Leben unseres Herzens, unserer Seele.

Niemand spricht mehr viel über die Seele, weil es so viel einfacher ist, eine gute Bewerbung zu schreiben, als eine zufriedene Seele zu kreieren. Aber eine Bewerbung, und sei sie noch so gut, wärmt einen nicht in einer kalten Nacht, oder wenn man einsam und traurig ist, oder wenn man die Testergebnisse zurückbekommt, die das gesamte Leben verändern.

Deshalb möchte ich euch – uns – folgendes mit auf den Weg geben:

Lasst uns unser Leben leben. Ein echtes Leben, ein tiefgründiges, nicht eines, in dem wir immer nur dem größeren Gehaltscheck, dem schöneren Haus, dem schnelleren Auto oder dem nächsten Abschluss hinterherjagen. Materielle Dinge sind wundervoll, aber sie werden nicht mehr wichtig sein, wenn wir eines Tages unser gesamtes Leben an uns vorbeiziehen sehen.

Lasst uns ein Leben leben, in dem wir nie den Geruch der Sonnenblumen vergessen, die auf den Feldern der Plains wachsen und in jeden Winkel unseres Herzens wehen. Lasst uns ein Leben leben, in dem wir innehalten können, um den Weißkopfadler über die zerklüfteten Schluchten der Front Rage fliegen zu sehen. Ein Leben, in dem wir die Zeit finden, die kleinen Dinge zu genießen.

Lasst uns ein Leben leben, in dem wir großzügig sind, in dem wir andere Menschen nicht vergessen. Eines, in dem wir an unseren Träumen festhalten und die der anderen stärken. Lasst uns Menschen um uns scharen, die uns ohne Wenn und Aber lieben und denen wir die gleiche Liebe entgegenbringen können.

Lasst uns ein Leben leben, in dem wir nicht allein sind, in dem wir Briefe schreiben und Nächte durchwachen und verrückte Dinge tun, die wir nie vergessen werden.

Doch was am wichtigsten ist: Lasst uns alle ein Leben führen, auf das wir stolz sein können; jetzt, in zehn Jahren, in fünfzig Jahren. Eines, von dem wir unseren Enkelkindern mit leuchtenden Augen berichten können.

Liebe Lehrer, liebe Familien, und vor allem liebe Mit-Absolventen des Jahrgangs 2010: Lasst uns glücklich werden – das ist alles, was ich mir für uns wünsche.«

Tosender Applaus brach los. Hunderte Schüler sprangen von ihren Stühlen, Jubelschreie erklangen, ein Blitzlichtgewitter brach los. Samantha schüttelte hastig die dargebotenen Hände der Schulleiter und Funktionäre, der Vertrauenslehrer und Coaches, bevor sie vom Podium mitten in die Masse überschwänglicher Schüler hineinhüpfte. Gefangen im Chaos der aufgeregten Schüler konnte sie kaum etwas sehen, doch plötzlich griff eine warme Hand nach ihrer und zog sie ein kleines Stück durch die Menge, bis sie schließlich in der festen Umarmung ihrer besten Freundin steckte.

Dann ging alles ganz schnell. Schulleiter Johnson trat noch einmal ans Podium, rückte das Mikrophon zurecht und verkündete: »Herzlichen Glückwunsch der Abschlussklasse von 2010! Ihr habt es geschafft!«

Freudentränen und lautes Gelächter erfüllten die Luft, die Jubelschreie wurden immer lauter. Dann segelten die dunkelgrünen Graduation-Caps von mehr als dreihundert Absolventen gleichzeitig durch die Luft und es schien, als würde für einen kurzen Moment die Welt stillstehen.

Samantha hob den Kopf Richtung Decke. Wie in Zeitlupe flogen die grünen Hüte mit den goldenen Quasten aufwärts, schienen dort oben beinahe für einen Moment zu verharren, bis sie zurück gen Boden taumelten. Sie schloss die Augen und sog den Moment in sich auf. Freude, Erleichterung und ein unbestimmtes Gefühl von Freiheit verwoben sich zu einem Strudel positiver Emotionen, die ihr beinahe das Gefühl gaben, als könne sie schweben; einfach die Füße vom Boden heben und davonsegeln durch die Luft, über die Berge, irgendwohin, wo es keine Sorgen und Probleme gab. Für wenige Sekunden fühlte Samantha sich, als würde ihr die ganze Welt mit all ihren strahlendsten Facetten ganz allein gehören.

Umso unerwarteter kam der plötzlich Stich des Misstrauens in ihrem Herzen. Sie hatte keine Ahnung, woher er plötzlich kam, aber er war da und sie konnte ihn nicht ignorieren. Im nächsten Moment schüttelte sie das unbestimmte Gefühle ab und musste über sich selbst schmunzeln. Heute war ein guter Tag, vielleicht der beste überhaupt, und sie würde ihn – verdammt noch mal – in vollen Zügen genießen. Sie war jetzt frei und unbeschwert, da bliebt keine Zeit für trübselige Gedanken.

Im nächsten Augenblick hatte sie auch schon keine Zeit mehr länger darüber nachzugrübeln, denn als zwei starke Arme sich um ihre Taille schlossen und der Mann, zu dem diese Arme gehörten, Samantha lachend durch die Luft wirbelte, hatte der Freudentaumel sie wieder fest im Griff.

Als sie wieder festen Boden unter ihren Füßen spürte, drehte sie sich herum und warf ihre Arme um Timothys Hals, der fröhlich grinsend hinter ihr stand.

»Kannst du es fassen? Es ist wirklich vorbei!«, jubelte sie in sein Ohr.

Schmunzelnd presste Timothy seine Lippen auf ihre Wange. »Heute ist der erste Tag vom Rest unseres Lebens.«

Samantha nickte so euphorisch, dass ihre blonden Locken wild durch die Luft flogen. Lachend wischte Timothy sich einige Haarsträhnen aus den Augen.

Im nächsten Augenblick hielten beide sich die Ohren zu, denn Sally kam laut quietschend durch die Menge auf sie zugehüpft. »Hey, beste Freunde der Welt!«, flötete sie aufgeregt und presste ihren beiden Freunden einen feuchten Schmatzer auf die Wangen. »Wir haben’s geschafft!«

Stuart, den sie an der Hand mit sich zog, verzog das Gesicht. »Sally! In dieser Tonlage kannst du vielleicht mit Delfinen kommunizieren, aber bitte nicht mit uns!«

Dem spitzen Ellbogen, der sich daraufhin seinen Rippen näherte, wich er gekonnt aus. Stattdessen strubbelte er einmal liebevoll über Sams ohnehin schon wirres Haar und klopfte Timothy auf die Schulter.

»Tolle Rede übrigens«, verkündete er an Samantha gewandt, nur um dann scherzhaft hinterherzuschieben: »Warum sie allerdings ausgerechnet dich als Abschlussredner ausgesucht haben, ist mir immer noch ein Rätsel.«

Samantha schickte ihm einen bösen Blick. »Könnte daran liegen, dass ich deutlich bessere Noten hatte. Und Vorsitzende der Schülervereinigung bin. Und –«

»Jajaja, du bist ein Streber. Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß!«

Er boxte Samantha spielerisch in die Seite, als sie ihm die Zunge herausstreckte.

Sally unterbrach das Geplänkel. »Wir sollten unsere Kappen suchen gehen. Unsere Familien warten sicher schon – gleich kommt der Fotograf für die Familienaufnahmen.«

Wie aufs Stichwort erschien ein weiteres Paar Arme wie aus dem Nichts und legte sich um Samanthas Schultern

»Hey, Butterfly.«

Sich auf dem Absatz ihrer gefährlich hohen Schuhe umdrehend, fiel Samantha dem Neuankömmling um die Schultern.

»Billy! Da bist du ja!«

Liebevoll streichelte der junge Mann, der soeben zu der Gruppe getreten war, den blonden Lockenkopf seiner besten Freundin, bevor er sich, einen Arm weiterhin um ihre schmalen Schultern lassend, an seine restlichen Freunde wandte. Während er Stuart und Timothy überschwänglich die Hände schüttelte, drückte er Sally einen schnellen Schmatzer auf die erhitzte Wange.

Nachdem die Glückwünsche verteilt worden waren, wandte er sich wieder an Samantha, die mittlerweile leise ein paar Worte mit Timothy tauschte.

»Was meinst du, Kleine? Wollen wir uns in das Chaos stürzen und ein paar Bilder für das Familienalbum machen?«

Sam runzelte verwirrt die Stirn. »Mom ist nicht hier, das weißt du doch.«

Grinsend schüttelte Billy den Kopf. »Und was ist gegen ein Bild mit deinem Bruder einzuwenden?«

Es dauerte einen Moment, bis Sam diese Information verdaut hatte. Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr hübsches Gesicht. »Mein Bruder?«, flüsterte sie leise.

Das warme Gefühl, das sich in diesem Moment in ihrer Herzgegend ausbreitete, war für Sam kaum in Worte zu fassen. Sie hatte die Hälfte des Tages zwar damit verbracht, immer wieder nervös ihre Rede einzustudieren. Die andere Hälfte aber hatte sie insgeheim den Moment gefürchtet, in dem sie wie bestellt und nicht abgeholt danebenstehen würde, wenn ihre Klassenkameraden und speziell ihre Freunde sich zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern für das Familienalbum verewigen lassen würden. Denn Sam hatte keine Familie im eigentlichen Sinne. Nicht mehr.

Aber Billy hatte recht. Er war ihr Bruder, ihre Familie. Ebenso wie Sally und Stuart. Und auch Timothy.

Samantha schüttelte lachend den Kopf, als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte. »Du meinst, ob ich Lust habe auf ein Foto mit meinem kleinen Bruder? Immer doch, kleiner Mann!«

Billy schob sie eine Armlänge von sich, um sie eingehend zu betrachten. Er runzelte die Stirn und hob skeptisch eine seiner buschigen Augenbrauen, die dadurch beinahe unter seiner grünen College-Kappe verschwand. »Ich weiß ja nicht, ob du heute Abend irgendwann auf den Kopf gefallen bist, aber als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war ich noch gut drei Monate älter als du. Hat sich daran was geändert?«

»So wie ich es sehe, bin ich seit heute offiziell keine Highschool-Schülerin mehr.« Zur Bekräftigung hielt sie das gefaltete Diplom in ihren Händen in die Luft und wackelte einige Male damit vor Billys Augen. »Du, mein Freund, aber schon.«

»Erbsenzählerei«, murmelte Billy. »Thunderridge vergibt die Diplome eben erst in ein paar Wochen. Es ist alles nur eine Frage der Zeit, bis wir beide arme Collegestudenten sind.«

Um sie herum kam die Schülermasse langsam in Bewegung und strebte auf den Ausgang zu, wo der Fotograf bereitstand um die heißbegehrten Absolventen-Aufnahmen zu knipsen. Samantha und ihre Freunde reihten sich in die lange Schlange mit ein. Und während Timothy ihre Hand fest umklammert hielt und Sally vor ihr mit Billy und Stuart scherzte, überlegte Sam, ob es überhaupt möglich wäre, glücklicher zu sein, als sie es in diesem Moment war.

Knapp drei Stunden später, nachdem alle Fotos geknipst, alle Glückwünsche entgegengenommen und alle Hände geschüttelt worden waren, fand Samantha sich an dem, wenn es nach ihr ging, schönsten Ort der Welt wieder.

Hoch oben, auf der höchsten Klippe der Foothills, weit über den Dächern von Lone Tree, saß sie inmitten ihrer Freunde auf einem flachen Felsvorsprung und ließ die Füße über dem steilen Abgrund baumeln. Hinter den Freunden erstreckte sich ein flacher, umzäunter Schotterplatz, auf welchem Samanthas klappriger Ford direkt neben dem Eingangstor parkte. Die rostigen alten Buchstaben, die oben auf dem Tor angebracht waren und gefährlich in der scharfen Brise des Frühlingsabends schwankten, wiesen den Platz an den Klippen als »Daniel’s Gate« aus. Dahinter erstreckte sich eine große Wiese, auf der Bisons und Bergziegen einträchtig und gemächlich im Schein der untergehenden Sonne grasten.

Samantha konnte sich nicht mehr erinnern, wann sie das erste Mal mit Billy hier heraufgekommen war, aber sie erinnerte sich noch gut an das Gefühl, das die atemberaubende Aussicht auf das Tal damals in ihr ausgelöst hatte. Denn seit diesem Tag verspürte sie es jedes Mal, wenn sie hier oben war. An keinem anderen Ort und zu keiner anderen Zeit fühlte sie sich jemals so frei und unbeschwert wie hier oben. Meilenweit über den schnurgeraden Straßen und immer gleichen Häusern der Vorstadt, schienen ihre Sorgen und Probleme winzig klein und beinahe so, als würden sie vom scharfen Westwind einfach über die weite Ebene der Plains davongetragen, bis sie ihr nichts mehr anhaben konnten.

Die Freunde saßen seit mehr als einer Stunde dort auf der Klippe und beobachteten, wie die Sonne, die langsam hinter den Bergen in ihrem Rücken versank, die Wolkenkratzer der Skyline Denvers in ein warmes, goldgelbes Licht tauchte. Kurz nach ihrer Ankunft am Gate hatten sie sich noch fröhlich und lautstark über den Tag ausgetauscht, aber allmählich hatten die Gespräche nachgelassen und so genossen sie einfach den stillen Abend, während Grillen im feuchten Gras zirpten und die Adler über ihnen ihre Runden drehten.

Es wurde schnell dunkel, als die Sonne letztendlich vollkommen hinter Mount Saint Evans verschwunden war. Unten im Tal wurden immer mehr Lichter angezündet, bis der tiefschwarze Abend schließlich von einem wahren Lichtermeer erhellt wurde. Diese Tageszeit liebte Samantha am meisten – sie liebte die knalligen Lichter der großen Stadt zu ihrer Linken, und die gedämpfteren der Vororte zu ihrer Rechten. Sie liebte die Stille und die Aussicht und das entfernte Rauschen der Autos, die sich in flinken Karawanen über die Interstate 70 zu ihren Füßen die Berge hinaufschoben.

Verträumt seufzte sie und legte ihren Kopf auf die Schulter von Timothy, der neben ihr saß.

»Geht es nur mir so, oder ist dieser Abend irgendwie anders?«, flüsterte Samantha.

Sie spürte Timothys Nicken mehr, als dass sie es sah und schließlich hörte sie auch wie Billy, der auf ihrer anderen Seite saß, ebenso leise antwortete: »Irgendetwas ist anders heute, du hast recht.«

Sally, die ewige Optimistin, lehnte sich gefährlich weit über die Klippe, um Samantha anzulächeln. »Anders ist aber nicht zwangsläufig schlecht, SamSam.«

»Sal hat recht«, stimmte Stuart seiner Freundin zu und drückte ihr einen Kuss auf die vollen Lippen. »Heute ist so viel passiert – unser ganzes Leben hat sich verändert. Das ist es wohl, was uns merkwürdig vorkommt.«

Samantha nickte nur unbestimmt.

Wenige Minuten später machte das Fünfergespann sich zum Aufbruch bereit. Timothy, der sich zunächst nicht zu Sams Frage geäußert hatte, zog seine Freundin auf die Füße, nur um sie dann fest in seine Arme zu ziehen. »Denk daran, was ich dir neulich gesagt habe.« Er schob sie ein kleines Stück von sich und seine Augen trafen ihre. »Alles wird gut. Ich verspreche es dir. Wir werden uns nie verlieren.«

Er wiederholte exakt die Worte, die er kaum eine Woche zuvor zu Samantha gesagt hatte, als die ersten unguten Gefühle sich in ihrer Brust eingenistet hatten. Genau wie an jenem Abend war Samantha auch jetzt, als sie in seine treuen dunkelbraunen Augen blickte, die sie liebevoll musterten, geneigt, ihm blind zu vertrauen. Also nickte sie und setzte ein tapferes Lächeln auf. Timothy strich ihr noch einmal über die Wange, bevor er sie an der Hand fasste und hinter den anderen herzog, die bereits in Sams Auto stiegen.

»Und du bist dir sicher, Sam, dass wir das Auto mit zur Party nehmen wollen? Wir können auch einfach ein Taxi rufen«, sagte Sally, als alle im Wagen Platz genommen hatten und Samantha auf dem Schotterplatz wendete.

Ehe sie eine Chance hatte, zu antworten, übernahm Billy für sie. »Joshuas Abschlussfeier ist ganz hinten in Roxborough. Es reicht schon, wenn wir uns für den Rückweg ein Taxi nehmen. Sonst bezahlen wir uns ja dumm und dämlich.«

Sally zuckte nur mit den Schultern und ließ das Thema dann fallen. Auch Samantha achtete nicht weiter darauf. Ihr Blick war, obwohl er auf die schmale Straße vor ihr gerichtet sein sollte, fest auf den Außenspiegel fixiert, in dem Daniel’s Gate in der Ferne kleiner und kleiner wurde, bis der Platz schließlich ganz hinter einem Hügel verschwand. Sie fragte sich, warum sie das Gefühl hatte, dass Daniel’s Gate schon morgen nicht mehr der Platz sein würde, der es heute war.

Die Party in Roxborough war ein voller Erfolg. Stundenlang feierte Samantha ausgelassen mit all den Menschen, die sie am meisten liebte. Sie tranken lauwarmes Bier, tanzten ausgelassen und schossen unzählige Fotos. Sie scherzten und lachten und hatten die beste Zeit ihres Lebens. Diesen Abend, das wusste Sam, würde sie für immer in ihrem Herzen bewahren, als Andenken an eine Zeit, in der sie so glücklich gewesen war, dass ihr Herz beinahe zu platzen schien.

Sam dachte sich nichts dabei, als sie Billy um kurz nach Mitternacht die Schlüssel zu ihrem Wagen in die Hand drückte. Sie dachte nicht einmal daran, sich zu verabschieden.

2.

Eine falsche Entscheidung, ein unaufmerksamer Moment, und es war vorbei.

Nie hätte jemand ahnen können, welche Auswirkungen die Ereignisse einer einzigen Nacht auf so viele Menschen haben sollten.

Lone Tree, 30. Mai 2010

Die erste Hitzewelle des Jahres hatte das Land fest in seinem Griff. Das satte Grün der Birkenblätter hob sich malerisch vom tiefen Blau des Himmels ab, während die glühend heiße Sonne unbarmherzig auf die Erde niederbrannte und die Felder und Wiesen langsam ausdörrte. Am Horizont zeichneten sich die majestätischen Gipfel der noch immer schneebedeckten Rocky Mountains ab, in der Höhe kreisten zwitschernd die Vögel und auf dem staubigen Boden stimmten die zirpenden Grillen in ihr Lied mit ein.

Es war ein wunderschöner Maitag in Colorado. Ein Tag wie jeder andere und doch so anders.

Samantha Keller hätte ihn nicht mehr hassen können. Fröstelnd zog sie sich die schwarze Strickjacke fester um die Schultern. Obwohl das Thermometer seit Wochen die Dreißig-Grad-Marke knackte und ihr die Schweißperlen auf der Stirn hätten stehen müssen, fror sie bitterlich. Das knielange schwarze Kleid bauschte sich um ihre Beine, anstatt ihr am schweißnassen Körper zu kleben.

Samantha wusste, warum. Sechs Tage. Sechs Tage war es her, seit ihr das letzte Mal warm gewesen war.

Sechs Tage, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte.

Sechs Tage, seit ihr Herz zu Eis erstarrt war.

Sechs Tage, seit Billy gestorben war.

»Sam, es hat einen Unfall gegeben.«

Blicklos starrte das junge Mädchen in die Ferne, ohne ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie bemerkte nicht, wie der laue Wind um ihr Gesicht streichelte, oder wie die Sonne ihre Haut versengte. Sie spürte nichts mehr.

Verdammt, Billy.

Wie konnte er sie hier nur alleine sitzen lassen?

Wütend trat Samantha mit dem Fuß nach einem herumliegenden Klumpen Erde, der sich auf die steinerne Wegumrandung geschummelt hatte. Er rollte ein Stück davon, dann zerbrach er in seine Bestandteile. Auf ihren schwarzen Ballerinas blieb ein hässlicher brauner Fleck zurück.

»Es tut mir leid, Miss Keller. Wir konnten nichts mehr für ihn tun.«

Das Grab war noch frisch. Samantha hatte zugesehen, wie es zugeschüttet wurde, wie die Kränze und Gestecke auf der frisch angehäuften Erde platziert wurden.

»Wir haben den Riss in seiner Milz zu spät bemerkt. Wir konnten ihm nicht mehr helfen.«

Samantha ballte die Hände zu Fäusten. Unnachgiebig gruben sich ihre Fingernägel in die bloße Haut ihrer Handflächen. Sie spürte keinen Schmerz. Auch den Blutstropfen, der langsam und dunkelrot hervorquoll, ihre Hand hinunterrann, und dann auf den staubigen Boden tropfte, bemerkte sie nicht.

Verdammte Ärzte.

Ihr Handy vibrierte in ihrer Hosentasche, aber sie ignorierte es. Es war sowieso nur wieder Sally. Oder Stuart. Oder Timothy. Irgendwer, der wissen wollte, warum sie nicht bei diesem verdammten Kaffeetrinken war.

Was interessierte sie das noch? Was interessierten sie ihre Freunde?

Billy war tot. Billy war tot.

»Miss Keller, mein Name ist Officer Donoughey. Können Sie mir ein paar Fragen beantworten?« – »Ja.« – »Miss Keller, hatte Mr. Owen heute Abend etwas getrunken?« – »Ja. Ja, hatte er.« – »Und Sie haben ihm trotzdem Ihre Autoschlüssel gegeben?« – »Er wollte nach Hause, ich noch nicht.«

Scheiße.

Sie hätte ihn nicht mit ihrem Auto fahren lassen sollen. Er war völlig betrunken. Waren sie ja schließlich alle. Nur weil er sich das Taxi sparen wollte. Und jetzt war Billy tot.

Ihr Handy vibrierte wieder. Unwillig zog sie es aus der Handtasche. Der Name Stuart Tate leuchtete auf dem Display. Natürlich. Konnten sie sie nicht endlich in Ruhe lassen?

Billy war tot. Und sie verstanden es nicht.

»Sam, geht es dir gut?« – »Sam, hör bitte auf zu weinen.« – »Sam, Billy hätte nicht gewollt, dass du so trauerst.«

Pah, was wusste die schon. Er war ihr bester Freund gewesen. Ihr Bruder. Ihre Familie.

Sie hatte die ewigen Mitleidsbekundungen so satt. Die Art, wie ihre Freunde sie anstarrten, als könnte sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Die angeblich gut gemeinten Ratschläge. Sie hatte nichts davon verdient.

»Du musst weitermachen, Sam.« – »Du musst zu dir kommen, Sam.«

Du musst, du musst, du musst.

Sie musste gar nichts. Er war tot.

Und ihre Freunde erstickten sie mit ihrer Zuneigung.

»Butterfly, gib mir deinen Autoschlüssel.« – »Wieso?« – »Mir ist langweilig, ich will nach Hause.« – »Du bist betrunken.« – »Na und?« – »Na gut, meinetwegen. Aber bring dich nicht um. Und wenn, dann pass auf, dass wenigstens das Auto heil bleibt.«

Sie hatte gelacht. Witze gemacht. Verdammte Sam.

»Sam!«

Samantha kniff die Augen zusammen, als die Stimme ihres Freundes über den idyllischen Friedhof schallte. Bis vor sechs Tagen hätte ihr seine Stimme ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Bis Billy starb und ihre Welt in Scherben zerbrach.

Endlich riss sie den Blick von den Kränzen vor sich los und drehte sich um.

Da waren sie. Timothy vorweg, Sally und Stuart hinterher.

Am liebsten hätte sie bei ihrem Anblick zynisch gelacht, wie sie dastanden in ihren schwarzen Trauerkleidern. Was wussten die schon von Trauer? Nichts. Gar nichts.

Ein paar Schritte entfernt blieben Sally und Stuart unschlüssig stehen, während Timothy auf sie zutrat.

Klar, schickt ihren Freund vor, vielleicht reißt sie ihm nicht den Kopf ab. Weil sie ihn liebt. Als ob das noch einen Unterschied machte. Billy hatte sie auch geliebt. Und was hatte es ihr genützt? Oder ihm?

»Sam, wir bleiben für immer Freunde.« – »Für immer?« – »Ja, für immer.«

»Du bist ja noch hier.«

Verdammt, konnte Timothy nicht endlich diese verdammte Einfühlsamkeit in seinem Ton abstellen?

»Ja.« Bitter, stur. So klang die neue Sam. Sam ohne Billy. SamohneBilly.

»Wir haben versucht dich anzurufen.«

»Weiß ich.«

»Warum bist du nicht rangegangen?«

»Keine Lust.«

»Sammie.« Sie sah wie Timothy mit der Hand verzweifelt in seine Nasenwurzel kniff, die Augen schloss und sich bemühte, den mitfühlenden Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten. Einen Moment wirkte es, als würde die Gereiztheit Überhand gewinnen, dann hatte er sich wieder im Griff.

»Komm, Sammie. Wir gehen jetzt nach Hause.«

»Nein.«

»Aber –«

»Lass mich in Ruhe, Timothy.« So viel Emotionslosigkeit in einem Satz. Sie war wirklich gut.

»Sammie, komm schon. Du kannst nicht hierbleiben.«

Das mühsam zugehaltene Fass in ihrem Innern explodierte, als ihr Freund ihr in diesem Moment die Hand auf die Schulter legte.

Unsanft stieß sie ihn von sich, stolperte zwei Schritte zurück und funkelte ihn zornig an.

»Sei still! Sei jetzt endlich still!«, schrie sie, so laut, dass selbst Sally und Stuart, die gut zehn Meter entfernt standen, erschrocken zusammenzuckten. »Natürlich bleibe ich hier.«

Verstört blinzelte Timothy sie an. So hatte sie sich in all den Jahren, die sie sich kannten, noch nie verhalten.

»Okay, okay.« Ergeben hob er die Hände, bemüht, sie nicht noch weiter zu verärgern. Doch es nützte nichts.

»Nein, nichts ist okay, Timothy. Billy ist tot. ER IST TOT. Verstehst du das?« Ihre Stimme zitterte vor Anstrengung und unterdrückten Tränen. »Und ihr erstickt mich. Mit eurem Mitgefühl und den Umarmungen und … und …«

»Oh, entschuldige bitte, dass wir uns um dich kümmern, Sam«, entgegnete Timothy, dem jetzt selbst die Wut in den Adern kochte. »Wir hatten den Eindruck, du könntest es gebrauchen.«

Obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht laut zu werden, brachte sie ihn zur Weißglut. Sie und ihre Abwehrhaltung und die kalten Vorwürfe.

»Verstehst du es nicht? ICH BRAUCHE EUCH NICHT! HAUT AB! HAUT ALLE AB!«

Tränen brannten wie Feuer hinter ihren Augen. Verdammt. Sie würde nicht heulen. Nicht hier, nicht wegen ihm.

Im gleißend hellen Sonnenlicht standen die beiden sich gegenüber und starrten sich minutenlang stumm in die Augen, bevor Timothy einen letzten wütenden Atemzug ausstieß, den Blick abwandte und förmlich in sich zusammensackte.

Seine Stimme war leise, verletzt, als er wieder sprach. »Machst du hier gerade Schluss mit mir? Und beendest die Freundschaft?« Er deutete vage auf Sally und Stuart, die wie zu Salzsäulen erstarrt auf dem Weg standen und das Schauspiel hilflos beobachteten.

Gleichgültig zuckte Samantha mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«

Ihre kalten Worte passten nicht in die Hitze des malerischen Tages.

Schmerzerfüllt verzog Timothy das Gesicht, als hätten ihre Worte ihn dort getroffen, wo es am meisten schmerzte. Es war ihr egal. Alles war ihr egal.

»Okay«, flüsterte er. »Ich verstehe.«

Samantha sah ihn nicht mehr an. Stumm hatte sie sich wieder Billys Grabstelle zugewandt und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Scheißverdammte Welt.

Sie brauchte ihre Freunde nicht. Sie brauchte Billy. Billy, der für sie dagewesen war, als sie niemanden sonst hatte. Ihren besten Freund. Ihren Bruder. Ihre Familie. Er war ihre Familie und jetzt war er tot.

Die Sonne war lange hinter den Berggipfeln im Westen verschwunden, als Samantha aufstand. Je leiser die Vögel geworden waren, desto lauter war das nächtliche Zirpen der Grillen zu vernehmen, die sich munter in Büschen und Bäumen tummelten. Erste Sterne glitzerten verstreut am Himmel. Der Abend war so idyllisch, wie der Tag es gewesen war – vibrierend und lebendig.

Samantha fühlte sich wie gelähmt, abgekämpft und müde. Ihre Umgebung, das Land, das sie so liebte, ignorierte sie in dieser Nacht.

Als sie den Weg hinunter und nach Hause ging, waren Sally, Stuart, und Timothy längst verschwunden.

Sie war endlich allein.

3.

Sie hatte nicht vergessen, sie hatte verdrängt.

Alles, was es brauchte, um ihre kleine glitzernde Blase der Verleugnung zum Platzen zu bringen, war eine unerwartete Begegnung mit ihrer Vergangenheit.

Vielleicht war am Ende alles Aaron Parkers Schuld.

New York City, 15. April 2013

Der wummernde Bass dröhnte ihr in den Ohren und ließ die orangefarbene Flüssigkeit in ihrem Cocktailglas munter umherschwappen, während sie sich langsam einen Weg durch die Menschenmasse hinüber zur Bar bahnte.

Eine Zigarette anzündend, wanderte der Blick ihrer wachsamen Augen über die versammelten Menschen im Club 37, dem neuen It-Club der Stadt.

Es schien, als gab halb New York City sich in dieser Nacht dort ein Stelldichein; jeder, der etwas auf sich hielt oder zumindest etwas auf sich halten wollte, feierte so ungestüm, dass die Wände bebten. Sie und ihre Kommilitonen mitten darunter.

Auf der gegenüberliegenden Seite des zum Bersten gefüllten Raumes konnte sie mit Mühe ihre Freundinnen erkennen, die eng umschlungen mit diversen mehr oder weniger wichtig aussehenden Anzugträgern über die Tanzfläche wankten. Sie setzte ein schmallippiges Lächeln auf.

Über die Breite des Raumes hinweg fing sie den Blick ihrer Bekannten Jenna Gordon auf. Subtilität war nicht Jennas Stärke und so überraschte es die junge Beobachterin nicht, als die andere Frau begann, auffällige Hand- und Kopfbewegungen in Richtung eines Mannes zu machen, der einige Schritte entfernt einsam über die Tanzfläche stolperte.

Einen Moment lang gab sie sich Jennas stummer Bitte hin und fixierte ihn nachdenklich, dann aber schüttelte sie entschieden den Kopf, eine Augenbraue abschätzig gehoben. Zu blond, zu braune Augen, zu groß.

Genervt verdrehte Jenna die Augen, bevor sie sich abwandte. Sie tat es ihr gleich.

Blöde Zicke! Man sollte meinen, drei Jahre wären genug, um ihren Freunden zu verdeutlichen, nach welcher Art von Mann sie suchte. Es war nicht besonders schwer. Sie waren nie blond, hatten niemals braune Augen und waren nie über einen Meter achtzig groß. Niemals sahen sie aus wie – Nein, Stopp!

Wütend schob die Frau den unerwünschten Gedanken zur Seite. Die Männer, für die sie sich entschied, waren immer dunkelhaarig, mit hellen Augen, verhältnismäßig klein und wollten nie mehr als eine Nacht.

Weil sie es so wollte.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als der Barkeeper einen weiteren Tequila Sunrise vor ihr platzierte. Er nickte zum anderen Ende des Tresens hinüber und sie drehte sich herum, um die Gestalt, die dort saß, im gedämpften Licht des Clubs besser ausmachen zu können. Abschätzend taxierte sie ihn. Schwarzes Haar, grüne Augen, eventuell nicht einmal größer als sie selbst; das Gesicht zu ebenmäßig und überheblich verzogen, um männlich und attraktiv zu wirken. Er war perfekt.

Lächelnd trank sie einen Schluck aus dem pinken Strohhalm. Als sie das Glas vor sich auf dem klebrigen Tresen absetzte, zwinkerte sie dem Fremden flüchtig zu.

Ein unerwünschter Gedanke stahl sich zwischenzeitlich in ihren Kopf und sie fragte sich für einen Moment, der wievielte Cocktail das an diesem Abend eigentlich war. Der vierte? Der fünfte?

Innerlich schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Es war völlig egal.

Morgen Früh, wenn der Hörsaal auf sie wartete, würde sie sowieso jeden Einzelnen von ihnen bereuen. So war es immer. Es hielt sie jedoch nicht davon ab, jeden Abend in irgendeiner neuen, angesagten Bar zu verbringen.

Als sie wieder von ihrem Drink aufsah, starrte der Unbekannte noch immer unverwandt in ihre Richtung. Kurz entschlossen stand sie auf, strich ihre kurzen schwarzen Haare aus der Stirn, zupfte den Saum ihres pinken Kleides zurecht und machte sich leicht schwankend auf den Weg zu ihrem unverhofften Flirt. Bemüht, den altbekannten Ekel bestmöglich zu unterdrücken, quetschte sie sich zwischen den klebrigen und verschwitzten Leibern der anderen Gäste hindurch.

Nein, heute ekelte sie sich nicht mehr. Alles hier hatte sie mit den Monaten lieben gelernt – die Clubs, die Männer, die allumfassende Enge, das Leben in der großen Stadt.

Stattdessen arbeitete sie intensiv daran, den überheblichen, grenzwertig arroganten Gesichtsausdruck, den sie mit Vorliebe tagsüber wie eine schützende Maske zur Schau trug, von ihren schmalen Wangen zu vertreiben. Männer wie der Anzugträger, der ihr den Drink gekauft hatte, waren, so ihre Erfahrung, arrogant und selbstgefällig genug für zwei. Sie hatten eine Schwäche für naive, unsichere Mädchen. Die Rolle konnte sie spielen wie keine andere. Ob es an der ständigen Übung lag oder daran, dass sie selbst jahrelang so ein Mädchen gewesen war, interessierte sie wenig. Wichtig war nur das Ergebnis.

Nur noch wenige Schritte trennten die Frau von ihrem Ziel, als sie plötzlich angerempelt wurde. Ehe sie überhaupt eine Chance hatte zu reagieren, ergoss sich der Inhalt ihres Glases über ihr Kleid und hinterließ einen hässlichen dunklen Fleck.

Konnte der Kerl nicht aufpassen wo er hinging?

Den Mund bereits zu einer spitzen Bemerkung geöffnet, wirbelte sie auf den gefährlich hohen Absätzen ihrer Pumps herum, vor Wut kochend, doch bei dem Anblick ihres Gegenübers erstarb ihr jedes einzelne Wort auf den dunkelroten Lippen. Ein zerknirscht aussehender Mann stand vor ihr. Er musste beinahe brüllen, um die laute Musik zu übertönen, die unnachgiebig aus den Boxern wummerte. »Tut mir wirklich leid.«

Sie starrte nur weiter unverwandt in sein Gesicht, unfähig ein Wort zu sagen. Versteinert beobachtete sie die Miene des blonden Mannes. Er sah zunächst sichtlich verwirrt aus, bevor sein Ausdruck plötzlich entrückt wirkte, als versuchte er, sich an etwas längst Vergessenes zu erinnern. In dem Moment, in dem er sie erkannte, blitzte es kurz in seinen Augen auf.

Zu spät.

»Samantha?« Seine Augen quollen fast aus ihren Höhlen. »Samantha Keller?«

»Aaron«, flüsterte sie so leise, dass er es unmöglich hören konnte. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, ihr Kopf war leergefegt.

Die Art von Begegnung, die sie seit drei Jahren verzweifelt zu meiden versuchte, war auf einmal Realität geworden.

Was jetzt?

Der junge Mann, Aaron, schien ihren inneren Konflikt nicht zu bemerken. Im nächsten Augenblick fand sie sich in seiner Umarmung wieder. Er hielt sie so fest an seine Brust gedrückt, dass sie sich nicht gegen den Überfall wehren konnte, also ließ sie es steif über sich ergehen.

Drei Jahre. Drei Jahre hatte sie sich versteckt, verkrochen, Unterschlupf in New Yorks Ameisenhaufen gesucht. Sie spürte es in diesem Moment, in den Armen Aaron Parkers, so klar und deutlich wie eine Ohrfeige – ihre Vergangenheit hatte sie eingeholt.

Aaron löste sich von ihr und musterte sie eingehend, den Kopf leicht schief gelegt.

Sie fühlte sich unwohl unter seinem bohrenden Blick, geradezu schutzlos, als er mit offensichtlicher Skepsis und Verwirrung ihre äußerlichen Veränderungen wahrnahm. Sam selbst sah ihm stumm dabei zu.

Was sagte man zueinander, nach all dieser Zeit?

»Mensch Sam, es tut so gut dich zu sehen! Was machst du denn hier?«

Aaron grinste sie gutmütig an, mehr als erfreut über ihre überraschende Begegnung. Sie konnte seine Begeisterung nicht teilen.

Also tat sie, was sie immer tat. Sie rückte die selbstherrliche Maske zurück auf ihre Gesichtszüge, straffte die Schultern und stellte sich der Situation.

»Ich wohne hier«, war ihre knappe Antwort.

»Ehrlich? Wow, das gibt’s ja nicht. Man hat ja seit Jahren nichts von dir gehört! Nicht einmal Sally wusste, wo du steckst.«

Tief durchatmen, Sam. Tief durchatmen.

Zittrig holte sie Luft. Es kostete sie, im Gegensatz zu sonst, erhebliche Anstrengung kühl und unnahbar zu wirken. »Ich habe lange mit niemandem aus Lone Tree gesprochen. Ich lebe jetzt schon eine ganze Weile hier.«

Lächelnd nickte Aaron und Samantha fragte sich, ob das kurze Flackern in seinen Augen als Reaktion auf ihre Worte bloße Einbildung war.

»Hast du vielleicht Lust spazieren zu gehen?«

Was? Verständnislos runzelte die junge Frau ihre gepuderte Stirn. Es war drei Uhr in der Früh an einem Donnerstag, und er wollte spazieren gehen? In New York City?

»Wir könnten uns unterhalten«, fuhr er fort. »Hier drin muss man so schreien.«

Sie zögerte. Worüber wollte er mit ihr reden? Gab es überhaupt etwas zu besprechen? Wollte sie mit ihm reden? Sicher, sie waren einmal Freunde gewesen.

Aber das war lange her. Es kam ihr vor wie in einem anderen Leben.

»Ich …na ja, also … ich …«

»Oder hast du etwas, das dich hier hält?«

Zögernd schaute sie über ihre nackte Schulter. Keine Spur war zu sehen von Jenna und ihren Freundinnen, an der Theke wartete kein geheimnisvoller Fremder mehr auf sie, der ihr Drinks kaufen konnte. Sie war allein mit ihrer Vergangenheit.

»Komm schon, Sam. Wovor hast du Angst?«

Vor allem.

Als ihr bewusst wurde, was sie gerade gedacht hatte, schüttelte sie sich wie ein nasser Hund. Nein, sie hatte keine Angst. Sie hatte vor nichts mehr Angst. Je schneller sie es hinter sich brachte, desto schneller würde er sie wieder in Ruhe lassen.

Ja, so würde es sein. Sie konnte zwanzig Minuten opfern, wenn das bedeutete, die nächsten drei Jahre wieder in Ruhe gelassen zu werden.

Einem flüchtigen Impuls folgend, griff Sam nach Aarons Hand und zerrte ihn auf den Ausgang zu. Als sie vor ihrem Freund aus Highschool-Zeiten die wenigen Stufen zur 5th Avenue hinaufkletterte, konnte sie sich dem Gefühl nicht entziehen, dass ihr Leben einmal mehr vor einer großen Kehrtwende stand.

In der kühlen Nachtluft fröstelnd, zog Samantha ihre Lederjacke über. Ihrem Begleiter lauschte sie nur halbherzig.

Sie hatte keine Ahnung, wovon er faselte und es interessierte sie auch nicht.

Irgendetwas hatte sie aufgeschnappt über ein Studium an der Universität in Pennsylvania, seinem ersten Ausflug nach New York und weiteren unwichtigen Details aus seinem langweiligen Leben in der Einöde.

Obwohl seine Geschichten in ihrem Kopf nicht hängen blieben, hatten sie einen beruhigenden Effekt. Vielleicht würde diese Begegnung nicht so grausam werden wie sie es befürchtet hatte.

Bisher hatte sie die Kontrolle über ihre Situation.

Samantha lächelte unwillkürlich, als sich eine Erinnerung in den Vordergrund ihres Bewusstseins stahl. Eine Erinnerung, die das engmaschige Sicherheitsnetz als einzige seit Jahren durchdrungen hatte. Das Sicherheitsnetz, das sie selbst gespannt hatte.

Sie erinnerte sich an einen schlaksigen blassen Teenager, der sich neben ihr über ein Buch beugte, und eine unaufhörliche Reihe Witze riss, meist auf Kosten ihres piepsstimmigen Mathematiklehrers.

»Aaron und Samantha, ich sage es nicht noch einmal! Ruhe jetzt!«

Irgendwann in den letzten drei Jahren war der dürre Junge erwachsen geworden.

Für den Bruchteil einer Sekunde konnte Samantha den Wunsch nicht unterdrücken, dabei gewesen zu sein. Doch es dauerte nur das Flattern eines Augenblickes, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle.

Nicht fühlen. Nicht denken, Sam. Sie hatte jetzt ein neues Leben. Angespannt straffte sie ihre Schulter.

»Hörst du mir eigentlich zu, Sam?« Schmunzelnd stupste Aaron sie an.

»Entschuldige. Ich war wohl etwas abgelenkt.«

Wenn er sich über ihren Ton wunderte – die Worte klangen nicht wie eine Entschuldigung, bei Weitem nicht – ließ er sich nichts anmerken.

»Ist schon gut, es war nicht sonderlich spannend. Erzähl mir lieber, was du seit dem Abschluss so gemacht hast.« Freundlich zwinkerte er ihr zu.

Also wollte er doch über sie reden. Über ihre Vergangenheit. In dieser Stadt hatte sie keine Vergangenheit.

Tonlos setzte sie zu einer Antwort an. »Ich studiere hier, an der NYU. Ein Semester noch, dann mache ich meinen Abschluss.«

Ein Streifenwagen bog mit quietschenden Reifen und heulender Sirene um die Ecke. Aaron zuckte erschrocken zusammen. Samantha ging einfach weiter, vollkommen ungerührt. Kopfschüttelnd schloss er zu ihr auf. »Und dann?«, erkundigte er sich.

»Dann geht’s weiter an der Columbia. Medizin.«

»Medizin?«, fragte er ungläubig. »Ist das dein Ernst?«

»Natürlich ist das mein Ernst.«

»Aber –«, er schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht.«

Samantha sah ihn nicht an. »Was gibt es denn daran nicht zu verstehen?«, fragte sie spitz.

»Nun ja … äh …«, begann Aaron irritiert. »Ich dachte, du wolltest Journalismus studieren? Schreiben? Das war doch immer dein Traum.«

»Von Träumen kann sich niemand etwas kaufen«, entgegnete Sam ungehalten.

Erschrocken blinzelte Aaron sie an. Um das Feuer in ihren harten grünen Augen nicht weiter anzufachen, hob er eine Hand und vollführte eine vage Geste der Zustimmung.

»Aha.«

Die beiden schlenderten eine Weile stumm durch die schnurgeraden Straßen der Stadt.

»Fühlst du dich denn wohl hier?«

»Ja, ist ganz nett.«

»Hast du gute Freunde gefunden?«

»Hm. Ja.«

»Das freut mich.«

»Mich auch.«

Seufzend sah Aaron Samantha von der Seite an. Er hasste es, dass ihre Unterhaltung so hölzern und gestelzt war; dass Sam so verbittert auf seine Fragen reagierte. Auf einmal fiel es ihm leicht, die Geschichten zu glauben, die er zu Hause gehört hatte.

Geschichten über eine Person, der ihre Freunde egal waren und die ohne ein Wort des Abschieds abgetaucht war. Er hatte es nie glauben wollen, passte es doch so wenig zu seiner Sam. Aber zu der Frau, die jetzt neben ihm lief, passte es ohne Weiteres.

An der Ecke vor einem gigantischen Wolkenkratzer blieb Aaron abrupt stehen und fasste seine alte Freundin an der Schulter, fest entschlossen mit ihr darüber zu reden.

»Warte mal, Sam, ich –«

»Nein!« Unwillig fegte sie seine Hand von ihrem Arm. »Ich will nicht darüber reden. Über alles. Über Billy und Colorado und Sally und … über alles eben.«

Es gelang ihr nicht, den bitteren Nachgeschmack herunterzuschlucken, den die Namen in ihrem Mund hinterließen.

Drei Jahre lang war alles in Ordnung gewesen und jetzt tauchte Aaron Parker in ihrer Stadt auf, und mischte sich in Dinge ein, die niemanden etwas angingen.

»Schön, du willst nicht reden. Dann hörst du eben zu.«

Samantha stieß ein bitteres Lachen aus, drehte sich auf den Hacken um und stapfte in die entgegengesetzte Richtung. Das musste sie sich nicht bieten lassen. Wenn er reden wollte, bitte. Aber nicht mit ihr. Nicht über dieses Thema.

Sie hatte kaum zehn Schritte gemacht, da tönte Aarons Stimme hinter ihr her. »Dann renn halt wieder weg, Sam. Das kannst du doch eh am besten, oder? Hau ab, wie du es immer tust. Zu Hause braucht dich niemand mehr.«

Indigniert blieb sie stehen und drehte sich um. »Ich renne nicht weg!«, rief sie.

»Ach nein? Was tust du dann?«

Vor Wut schäumend funkelte Samantha ihn an. »Was geht es dich denn an? Ich habe keine Lust, mich mit dir zu unterhalten!«

Aarons Augenbrauen schoben sich über der Nasenwurzel zusammen. »Warum nicht?«

»Weil ich bessere Dinge zu tun habe. Ich kann auf deine Vorhaltungen gut verzichten.«

Müde schüttelte er den Kopf. »Was ist bloß aus dir geworden, Sam?«

Bitter auflachend schüttelte Sam den kurzen schwarzen Haarschopf. »Ich bin überhaupt nichts geworden. Herrgott noch mal. Was gibt dir das Recht hier aufzutauchen und mein Leben zu kritisieren?«

Zielstrebig stakste Aaron auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand. »Wir sind Freunde, Sam!«

Samantha stolperte einen Schritt zurück. Die Arme hielt sie fest vor der Brust verschränkt. »Wir sind seit langer Zeit keine Freunde mehr!«, stieß sie zornig hervor.

»Und wessen Schuld ist das?«

»Es ist mir egal, wer schuld daran ist. Mich interessiert es nicht mehr!«

»Interessiert dich überhaupt noch irgendetwas, Sam?«

Sam schloss kurz die Augen. »Geh nach Hause, Aaron. Geh einfach nach Hause.« Dann drehte sie sich um und stapfte durch die Dunkelheit davon.

Lediglich die Geräusche der Stadt und das leise Klappern ihrer Pumps auf dem Asphalt begleiteten Samantha auf ihrem Heimweg.

Der Weg war weit und sie hätte vermutlich ein Taxi nehmen sollen, um die Strecke zurückzulegen, aber ihre Wut machte es ihr unmöglich stillzusitzen. Mit jedem Schritt, den sie tat, bauschte ihr Zorn sich weiter auf.

Aaron hatte kein Recht, nach all den Jahren hier aufzutauchen und sie zu zwingen, über etwas zu reden, von dem sie nie wieder hatte sprechen wollen. Es war Vergangenheit. Abgeschlossen. Vorbei. Sie schuldete niemandem eine Erklärung für ihr Verhalten. Schon gar nicht Aaron Parker.

Er sollte wieder dorthin verschwinden, von wo er hergekommen war, und all diese unerträglichen Gefühle, die sein Wiedersehen in Samantha wachgerüttelt hatte, mit sich nehmen.

Es dauerte ein paar Minuten, bis ihr auffiel, wie weit sie in der letzten Stunde gelaufen war. Die taghellerleuchteten Straßen Manhattans lagen lange hinter ihr und die Szenerie hatte sich gewandelt. Statt teurer Nobelschlitten glitten bescheidenere Autos durch die Straßen, verpesteten die Luft, ihre Fahrer hupten und fluchten. Die Häuser waren niedriger als die Wolkenkratzer der 5th Avenue, heruntergekommener und weniger glamourös.

Harlem zeigte sich in dieser Nacht in all seiner Hässlichkeit.