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Wolfgang Kraska – Engel, Hirten, Könige? | 24 Entdeckungen in der Weihnachtsgeschichte | SCM R.Brockhaus

SCM | Stiftung Christlicher Medien

Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-22810-6 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26656-6 (Lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth

© 2015 SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 58452 Witten
Internet: www.scmedien.de; E-Mail: info@scm-verlag.de

Ulrich Parzany (S. 11), aus: Andreas Benda (Hrsg.), Werkbuch Weihnachten, Brunnen Verlag 1981.

Die Bibelverse wurden, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:
Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Außerdem wurde verwendet:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)

Umschlaggestaltung: denksportler, Jürgen Hetz
Titelbild: CSA Plastock/iStockphoto.com
Satz und Innenillustration: Christoph Möller, Hattingen

Inhalt

Weihnachtszeit ist Märchenzeit

 1. Wie finden Sie Weihnachten?

 2. Ganz und gar unheilige Besucher

 3. Ehrliche und sympathische Kerle

 4. Anbetung – das Ziel der langen Reise

 5. Weiße Weihnachten – dieses Jahr ganz bestimmt!

 6. »Jungfrauengeburt«: Muss man daran glauben?

 7. Sollte Gott etwas unmöglich sein?

 8. »Gottes Geist wird über dich kommen«

 9. Maria – eine beeindruckende Christin

10. Eine Zumutung für jeden Mann

11. Josef – Randfigur oder Heiliger?

12. Ein Junge zwischen zwei Vätern

13. Jesus – der einzige Weg zu Gott?

14. Das Wort der Schöpfung wurde Mensch

15. Danke, wir brauchen nichts!

16. Engel fliegen nicht wie Batman!

17. Hirten, Huren, Zollbetrüger

18. Es geht dem Teufel an den Kragen

19. Gehaltserhöhung zu Weihnachten

20. Wie bereits gesagt …

21. Gottes Zukunft findet statt

22. Kopf hoch – Augen auf – wach bleiben

23. Die größte Systemumstellung aller Zeiten

24. Platz für alle in der Herberge

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Weihnachtszeit ist Märchenzeit

Für Kinder und ihre Eltern gehören sie zu Weihnachten einfach dazu, die alten Märchen von Hänsel und Gretel, von Schneewittchen und dem Froschkönig. Wer nicht eine der zahlreichen Theateraufführungen besuchen möchte, wird im Fernsehen reichlich Auswahl finden. Auch moderne Märchenfilme vom Weihnachtsmann oder Santa Claus fehlen natürlich nicht. Trotzdem bleibt für viele die Geschichte vom Jesuskind in der Krippe, von den Engeln, den Hirten und den Weisen aus dem Morgenland die schönste aller Weihnachtsgeschichten. Einfach wunderbar. Und so anrührend. Ein Märchen wie viele andere?

Ich fürchte, zu einem großen Teil muss man die Frage leider mit »Ja« beantworten. Die biblischen Berichte über Weihnachten sind massiv überlagert und übermalt durch Volksfrömmigkeit, kirchliche Tradition oder auch eigene Vorstellungen. Machen wir uns nichts vor: Es gibt Geschichten, die sind so schön, dass es den Leuten eigentlich egal ist, ob sie wahr sind oder nicht. Der Bericht des Evangelisten Matthäus über die Ankunft der Weisen aus dem Morgenland gehört dazu. Ein Stern, der in der Dunkelheit den Weg weist – wie romantisch! Fremd wirkende, weit gereiste Ausländer, wohlriechende Kräuter, herrliche Geschenke – wie exotisch! Und das alles im Stall von Bethlehem – das riecht geradezu nach Weihnachten.

Wen wundert es da, dass die Volksfrömmigkeit vieles über den Bibeltext hinaus zu erzählen weiß. So sind z.B. aus völlig unbekannten Männern die »Heiligen Drei Könige« mit Namen Balthasar, Melchior und Kaspar geworden, und gerade sie leben im Brauchtum üppig weiter. Ist es nicht erstaunlich, dass man dieser biblischen Geschichte, die ja eher eine Episode am Rande darstellt, einen eigenen Feiertag gewidmet hat? Aus theologischer Sicht betrachtet gäbe es viele Begebenheit in den Evangelien, die weitaus bedeutender sind. Aber das interessiert eigentlich niemanden. Wollte man jedoch nachfragen, wer denn ernsthaft überzeugt ist, dass die Geschichte sich tatsächlich so abgespielt hat, würde man wohl meist auf mitleidiges Lächeln stoßen.

Andere Berichte, etwa der von der »Jungfrauengeburt« oder richtiger: von der jungfräulichen Empfängnis Marias, werden achselzuckend ignoriert. Die Heiligen Drei Könige gehören einer fremden, exotischen Welt an, mit der wir uns nicht so richtig auskennen. Aber wie das mit dem Kinderkriegen vor sich geht, darüber wissen wir Bescheid. Da macht man uns so schnell nichts vor. Und so verziehen die in der Regel nur das Gesicht zu einem vielsagenden Grinsen.

Die Geburt von Jesus ist also für uns und unsere Zeitgenossen von vornherein mit Fragezeichen und strittigen Behauptungen überschattet. Wen wundert es, dass auch das, was später noch über ihn berichtet wird, auf große Skepsis stößt, etwa seine Auferstehung von den Toten oder seine Himmelfahrt. Oder sein Sterben, das Rettung für die Welt bedeuten soll. Irgendwie klingt das alles sehr mythisch und unglaubwürdig. Nichts für denkende Menschen unserer aufgeklärten Welt. Das gilt auch für Weihnachten. Aber was soll’s? Solange Weihnachten so nett und gemütlich ist, kann es uns auch egal sein, was wirklich dahinter steckt. Hauptsache, es macht Spaß. So genau wollen wir es auch gar nicht wissen.

Oder etwa doch? Interessiert es Sie vielleicht doch, wie die biblischen Berichte zu verstehen sind und auch für skeptische Zeitgenossen nachvollziehbar und glaubhaft werden? Dann gehören Sie zu den Menschen, für die dieses Buch gedacht ist.

Lassen Sie uns miteinander auf Spurensuche gehen, was Weihnachten wirklich passiert ist. Dazu müssen wir die vertrauten Krippenfiguren allerdings abbeizen und ohne ihre bunten Lackierungen betrachten. Sie werden merken, es sind Menschen aus Fleisch und Blut, Menschen wie Sie und ich. Und auf einmal werden sie uns zu Freunden und bringen uns das Wunder von Weihnachten ganz neu nah. Abbeizen und neu hinschauen lohnt sich, denn dann werden wir aus gutem Grund fröhliche, ja mehr noch, gesegnete Weihnachten feiern können.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1. Wie finden Sie Weihnachten?

»Öffnet euch weit, ihr ehrwürdigen Tore! Der König will einziehen, dem alle Macht gehört!«
»Wer ist dieser mächtige König?«
»Es ist der Herr, der Starke und Gewaltige! Der Herr, der Sieger in jedem Kampf! – Öffnet euch weit, ihr ehrwürdigen Tore! Der König will einziehen, dem alle Macht gehört!«
»Wer ist dieser mächtige König?«
»Es ist der Herr über Himmel und Erde! Er ist der höchste König, ihm gehört alle Macht!«

Psalm 24,7-10

Wie finden Sie Advent und Weihnachten? Ich meine: Mögen Sie das ganze Drumherum? Freuen Sie sich auf diese Zeit mit ihrer besonderen Stimmung, den Lichterketten, der besonderen Duftmischung aus Bratapfel und Zimt in der Innenstadt? Mögen Sie die Weihnachtslieder beim Sockenkauf, die vielen Menschen an der Kasse, die einen hautnah erleben lassen, dass etwas Besonderes in der Luft liegt? Das hat ja etwas, und man kann es ja durchaus schön finden. Muss man aber nicht!

Den Kopf voller Sorgen?

Die frohe Botschaft für alle Weihnachtsmüden lautet: Sie müssen nicht Weihnachten feiern! Wir werden ausdrücklich aufgefordert, das Abendmahl zu feiern. Wir lesen von der Urgemeinde, dass sie den Auferstehungstag Jesu feiert, den Sonntag. Aber Weihnachtsfeiern kommen nicht vor. Weihnachten ist total freiwillig. Wir bringen Gott kein Speiseopfer, wenn wir Spekulatius verzehren, und nirgends werden wir aufgefordert, unsere Häuser mit Tannengrün auszustatten, um eine Art Laubhüttenfest im Wohnzimmer feiern zu können. Also geben wir es zu: Wir feiern Advent und Weihnachten so lang und üppig, nicht weil Gott es geboten hätte oder weil Jesus dabei besonders geehrt würde, sondern weil wir daran Freude haben. Das heißt aber auch: Der Glaube nimmt wahrhaftig keinen Schaden, wenn sich die heimelige Adventsstimmung nicht so richtig einstellen will.

Vielleicht geht es Ihnen ja eher so: Sie haben den Kopf voller Gedanken und Sorgen, wie es wohl weitergeht mit Ihrer Arbeit, ob nicht demnächst auch Ihr Betrieb geschlossen wird, Ihr Arbeitsplatz wegrationalisiert wird. Sie haben zurzeit eigentlich nur Ihre Krankheit im Sinn und was Sie dagegen wohl tun können. Sie sind am Boden zerstört, weil Ihre Freundschaft zerbrochen ist oder Ihre Ehe vor dem Aus steht. Sie fragen sich, wie man angesichts der täglich neuen Terrormeldungen Weihnachten feiern soll. Na dann: Fröhliche Weihnachten! Denn Sie haben durchaus gute Chancen, dass es dieses Jahr so richtig Weihnachten bei Ihnen wird.

Die Ungemütlichkeit der Welt

Ich meine das keineswegs zynisch, und ich will schon gar nicht Ihre Nöte einfach übergehen. Im Gegenteil. Aber machen wir uns doch einmal klar, wie das damals war, als Jesus geboren wurde. Ulrich Parzany hat das einmal phantasievoll ausgemalt: »Es waren Tage voller Hektik. Die römische Besatzungsmacht hatte eine Volkszählung zum Zwecke der Neufestsetzung der Steuern angeordnet. An jeder Straßenkreuzung römische Militärkontrollen. Reine Schikane, dass alle Leute sich an ihrem Geburtsort registrieren lassen sollten. Wut lag in der Luft. Die Menschen ballten die Fäuste in der Tasche. Und die jüdischen Terroristen – die Zelotenbewegung – nahmen die Gelegenheit wahr, ein paar Kollaborateure meuchlings zu ermorden. Die Straßen waren nicht sicher – vor allem nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Viele machten dabei Bombengeschäfte. Die Hotels waren überfüllt. Jeder Schuppen wurde zu Wucherpreisen vermietet.« Zu Recht gibt er seinen Ausführungen die Überschrift »Unsere Welt – eine typische Weihnachtswelt«.

Gott wird ja nicht Mensch, um uns ein paar Tage voller sentimentaler Stimmung zu bescheren. Weihnachten feiern wir ja nicht trotz der Krisen und Konflikte in dieser Welt und nicht trotz Stress, Streit und Hektik in unseren Familien. Sondern gerade deswegen. Das Thema von Weihnachten ist nicht die Gemütlichkeit, sondern die Ungemütlichkeit der Welt. Wenn alles in Ordnung wäre, wenn wir in einer heilen Weihnachtswelt lebten, hätte Gott seinen Sohn überhaupt nicht den Weg auf die Erde und ans Kreuz zumuten müssen.

Noch so viele Fragen

Gott kommt in diese Welt, weil sie krank ist und es in ihr finster aussieht. Er kommt zu den Menschen mit ihrer Ratlosigkeit und Widersprüchlichkeit, Dummheit und Arroganz, mit Not und Schuld. Gott kann es nicht länger mit ansehen, dass wir uns selbst einen Reim auf das Leben machen und dabei scheitern. Er mischt sich ein, um aufzuzeigen, wie er das Leben gemeint hatte, als er uns erschuf, und was davon heute noch drin ist, wenn wir nur wieder zu ihm zurückfinden. Deshalb schickt er Jesus. Deshalb wird er einer von uns und macht all das durch, was uns das Leben so unerträglich erscheinen lässt. Bis zum bitteren Ende. Bis zum Verrecken am Kreuz.

Es gibt aber nicht nur die oben beschriebene Blockade, dass der Heile-Welt-Rummel, der um Weihnachten gemacht wird, nicht zu ihrer Lebenssituation passt. Es kann ja auch sein, dass Sie zu der Botschaft und den Inhalten von Weihnachten einfach keinen Zugang finden. Gott wird Mensch, von einer Jungfrau geboren – und das alles mit dem Ziel, die Welt zu retten. Das ist schon einiges an Zumutung für unseren Verstand, und ich kann verstehen, wenn Sie damit nicht klarkommen. In den folgenden Kapiteln werden Sie deshalb ja auch zu vielen der schwierigen Aspekte Gedankenanstöße und Argumente bekommen, »Futter fürs Hirn«. Aber letztlich ist das nicht der Weg, der einem Weihnachten wirklich nahebringt. Dazu braucht es noch einen anderen Zugang.

Ein anderer Zugang

Kennen Sie Steckwürfel für kleine Kinder? Solch ein Würfel hat verschiedene Ausschnitte wie Kreis, Dreieck und Quadrat. Dazu gibt es entsprechende Figuren, die immer nur genau durch einen der Ausschnitte gesteckt werden können. Die Kinder lernen auf diese Weise die verschiedenen geometrischen Formen kennen. Was sie auch lernen, ist, dass man nicht alles Beliebige durch die Ausschnitte stecken kann. Der kleine Teddy passt einfach nirgends hindurch.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir Menschen mit der Frage nach Gott ähnlich umgehen wie die Kinder mit ihrem Teddy. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, etwas zu erkennen und in uns aufzunehmen. Das sind vor allem unser Verstand, die Sinnesorgane und unsere Emotionen. Diese Zugänge sind wie die Ausschnitte beim Steckwürfel. Was nicht durch eine dieser Schablonen passt, lassen wir nicht in uns hinein. Aber bei Gott will das einfach nicht gelingen. Er ist zu groß, zu andersartig. Er passt nicht hindurch. Dabei wäre es durchaus attraktiv, an Gott glauben zu können. Aber als denkender Mensch kann man sich doch nicht auf etwas einlassen, das man nicht zweifelsfrei beweisen kann. Oder doch? Es gibt tausend Gründe, an Gottes Existenz zu zweifeln. Die Frage ist: Wie genau muss alles bewiesen sein, damit ich glauben kann? Wieviel Zweifel kann ich tolerieren, um mich auf Gott einzulassen?

Sich öffnen für das Geheimnis

Lassen Sie mich noch einmal auf den Steckwürfel zurückkommen. Ein kleines Kind hat mir nämlich etwas Wichtiges beigebracht. Es machte den Würfel einfach auf. Und siehe da, auf einmal passte der Teddy doch hinein. – Sich öffnen, das ist der Weg! Die übernatürliche Wirklichkeit Gottes erschließt sich nicht, indem wir ein logisches Fazit ziehen. Es kann aber passieren, dass Gott selbst sich uns offenbart, den Schleier lüftet, uns eine Begegnung mit sich schenkt. Wenn wir uns danach sehnen, uns darauf einlassen und dafür öffnen. Dann ist auf einmal klar, dass Gott da ist. Auch wenn der Verstand längst nicht auf alle Fragen eine Antwort hat. »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …« Nicht umsonst gehört die Aufforderung, sich zu öffnen, seit Jahrhunderten zum Beginn der Advents- und Weihnachtszeit.

Die Adventszeit bietet uns die Chance, über die Bedeutung von Weihnachten nachzudenken. Ich kann offene Fragen klären. Ich kann durchbuchstabieren, was Gottes Ankunft in dieser Welt für mich und mein Leben bedeutet. Ich kann mir Zeit nehmen zum Lesen und Nachdenken, zum Singen und Musikhören und nicht zuletzt zum Beten. Und wenn das bei Spekulatius, Tannenduft und Kerzenschein besser gelingt – warum nicht. Aber ich will dieses Jahr einen echten Grund haben, Weihnachten zu feiern. Ich will Jesus feiern, weil ich ihn neu verstanden habe und er mir nahe gekommen ist.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich an Rat.

Georg Weißel (1623)