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  Uwe Heimowski– Den Kopf im Himmel, die Füße auf der Erde– 55 Ermutigungen

ISBN 978-3-417-22815-1 (E-Book)

Datenkonvertierung E-Book:
CPI books GmbH, Leck

© 2015 SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 58452 Witten

Die Bibelverse wurden, soweit nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Umschlaggestaltung: Medienagentur Hallenberger,

Inhalt

Einleitung

Großzügig

Vor dem ersten Kaffee

Das Schwimmen und die Religion

Luftballon

Mit Gott in der Sauna

Überraschen lassen

Beten

Zu Gast auf einem schönen Stern

Die Dinge, wie sie sind

Wer hat Schuld?

Der Zimmermann

Fußball-Gott

Der Moment der Versuchung

Schön wär´s gewesen …

Messias

Den Frieden fürchten?

Das Wichtigste an Ostern

Wer verdient, was er verdient?

Was für ein schöner Sonntag!

Not lehrt beten. Und teilen.

Schritt für Schritt

Das eigentliche Fest

Rassistisch

Zwillinge

Tiefgang

Asche über mein Haupt

Wasser für die Blumen

Mein erstes Auto

Zeugnisse

Vorhergesagt

Lebensbrief

Eingeblättert

Was sagt die Bibel dazu?

Solidarität

Theologie am Frühstückstisch

Fliegen

Von besonderer Güte

An deiner Hand

Arbeit und Urlaub

Schlechte Nachrichten

Wenn du blöd bist

Der Sprung ins Vertrauen

Den Papa spielen sehen

Die sieben Weltwunder

Da hilft nur noch beten

Und wer kocht, wenn es brennt?

Ein Leben, das Früchte trägt

Prävention

Verlierer

Standfest

Wie Christus mir – so ich dir

Vom Nikolaus lernen

Fasten im Advent

Eine Socke für Jesus

Weihnachtssegen

 Einleitungimage

Da steht sie – eine Giraffe. Einen Meter hoch wird sie wohl sein. Ihre schmale Statur ist aus leichtem Holz geschnitzt. Ein Kärtchen ist mit einem Geschenkband um ihren Hals gebunden: „Den Kopf im Himmel, die Füße auf der Erde – so habe ich dich kennengelernt. Bleib so in deinem Leben und in deinem Glauben, das wünsche ich dir.“

Es war eines der schönsten Geschenke, die ich jemals bekommen habe.

„Den Kopf im Himmel und die Füße auf der Erde“ – was für ein schönes Bild für einen geerdeten Glauben, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht und dem sich gleichzeitig der Himmel öffnet, weil er mit einem lebendigen Gott rechnet.

Ein Glaube, der vom Himmel her inspiriert ist und im Alltag seinen Ausdruck findet. Ein Alltag, der mitten im Leben, nah dran an den Menschen stattfindet, doch seine Hoffnung immer wieder aus dem Himmel schöpft. Ein Glaube, in dem Himmel und Erde einander bedingen, sich ergänzen, sich durchdringen.

Mit Vernunft und Verantwortung im Leben stehen. Und zugleich den Blick auf den Gott richten, der Wunder tun kann. So will ich leben.

Das Geschenk hat mich ein bisschen mit Stolz erfüllt. Ich selber hätte mich sicher nicht so beschrieben. Nun war es ein Freund, der eine Eigenschaft an mir wahrgenommen und wertgeschätzt hat, die mir selber an anderen Menschen so wichtig ist.

Eine Eigenschaft, die man aber nicht einfach „machen“ kann. Man kann Verantwortung übernehmen, ja. Aber ein lebendiger Glaube ist immer (auch) ein Geschenk.

Insofern machen die Giraffe und das Kärtchen mich „humbly proud“, wie die Amerikaner sagen, „demütig stolz“. Schön, eine solche Rückmeldung zu bekommen. Ermutigend.

In den Texten dieses Buchs spiegeln sich solche „Giraffen-Erfahrungen“. In manchen erzähle ich Geschichten nach, die mich ermutigt haben. Die meisten der Texte stammen mitten aus meinem Alltag. Dem Alltag einer siebenköpfigen Familie. Dem Alltag eines Pastors, der täglich mit Menschen und ihren Erlebnissen zu tun hat, der Freuden und Sorgen teilt. Dem Alltag des wissenschaftlichen Mitarbeiters, der im Bundestag vor allem im Bereich Menschenrechte arbeitet. Und dem Alltag eines Zeitungslesers, dem Alltag eines Freundes, eines Nachbarn, eines Arbeitskollegen.

Und in diesen Texten kommt der Himmel zu seinem Recht. Meist sind es kleine Begegnungen mit dem großen Gott. Sie wollen anstecken und Mut machen, diesen Satz als Motto, ja, als Lebenskonzept zu entdecken:

„Den Kopf im Himmel, die Füße auf der Erde“.

 Großzügigimage

Sonntagmorgen. Wir frühstücken gemütlich, plaudern ein bisschen und kommen schließlich auf den Gottesdienst, den wir gleich besuchen wollen. Heute gibt es eine Besonderheit: Es soll für ein Kinderheim in Indien Geld gesammelt werden.

„O nein, das habe ich ja ganz vergessen!“ Meine Tochter Talitha springt vom Tisch auf, rennt buchstäblich in ihr Zimmer und holt ihren Geldbeutel. Sie nimmt eine Zwanzigernote heraus, legt sie vor sich auf den Tisch und verkündet, dass sie dieses Geld komplett für die Kinder in Indien spenden wolle. Sie ist acht, wird bald neun, bekommt zwar ein Taschengeld, aber nur ein paar Euro im Monat – da ist ein Zwanziger schon richtig viel Geld.

Ich freue mich über ihre Großzügigkeit – es ist schön, wenn unsere Kinder früh lernen zu teilen. Und doch habe ich etwas gemischte Gefühle. Sie muss natürlich auch den verantwortungsbewussten Umgang mit Geld lernen und nicht alles auf einmal ausgeben, egal wie gut der Zweck sein mag. Entsprechend ist mein Kommentar: „Talitha, überleg noch mal. Willst du wirklich so viel geben? Dann hast du ja gar nichts mehr übrig.“

Wie aus der Pistole geschossen kommt es zurück: „Doch“, sie greift in den Geldbeutel und schwenkt einen weiteren Zwanziger. „Ich habe ja noch das Geld von Oma!“ Sie strahlt, wir lachen alle.

Ist das nicht ein wundervolles Beispiel für Großzügigkeit? Genau so funktioniert es. So können wir unseren Kindern beibringen, zu teilen. Und nicht nur unseren Kindern. Auch uns selbst. Nicht durch Appelle und erhobene Zeigefinger, nicht durch schlechtes Gewissen oder durch Strafe. Nein, in der Bibel lesen wir: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (2. Korinther 9,7). Diese Freude wurzelt in der schlichten und zugleich so schweren Erkenntnis: Ich bin beschenkt, darum schenke ich. Ich habe genug, darum gebe ich gerne.

Ein Schema, das für den Umgang mit Geld ebenso funktioniert wie für viele andere Lebensbereiche: Ich bin geliebt, darum liebe ich. Mir ist vergeben worden, darum vergebe ich. Mir geht es gut, darum bin ich gütig. Gott sorgt für mich, darum kann ich teilen.

Es ist eine leichte Gleichung. Eigentlich gar nichts Besonderes – und doch schon das ganze Geheimnis von Großzügigkeit.

 Vor dem ersten Kaffeeimage

Wenn es in einer großen Zeitschrift die Rubrik gäbe: „Die großen ungelösten Lebensfragen – was uns seit Langem beschäftigt“, würde ich mich glatt hinreißen lassen, diese, mich seit Jahren quälende Frage einzuschicken: „Wie kann man eigentlich morgens vor dem ersten Kaffee schon wach genug sein, um die Kaffeemaschine überhaupt zu bedienen?“

Für alle, die gerade nicht schmunzeln: Es sollte ein Scherz sein, zumindest der Versuch … Na ja, nicht nur ein Scherz, denn ein bisschen Wahrheit, wie oft bei Scherzen, sollte durchaus darin mitschwingen. Manchmal steckt ja in den banalsten Situationen und blödesten Sprüchen noch ein Körnchen Erkenntnis.

Wenn ich erst durch den Kaffee wach werde, wie kann ich dann wach genug sein, um Kaffee zu kochen? Wie gesagt, das ist banal. Aber heben wir es mal auf eine „höhere“ Ebene.

Theologisch: Manchmal höre ich die Klage über schrumpfende Kirchen und den schwindenden Einfluss des „christlichen Abendlandes“. Doch wie kann ich die „Gottlosigkeit“ einer Gesellschaft beklagen, wenn ich theologisch davon überzeugt bin, dass niemand zum Glauben kommen kann, ohne dass Gott selbst ihm diesen Glauben schenkt, sich ihm persönlich offenbart? Wenn Glaube ein Geschenk ist, wie kann ich ihn von Menschen einfordern?

Ethisch: Wie kann man vom Leben oder von Situationen oder von Menschen etwas erwarten oder gar einfordern, wenn wir doch alle von Voraussetzungen leben, die wir nicht selbst schaffen können? Es gibt dafür einen Fachbegriff, das sogenannte „Böckenförde-Diktum“. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Richter am Bundesverfassungsgericht, hat festgehalten, dass wir alle, auch die Justiz, von Voraussetzungen leben, die wir selbst nicht garantieren können (wie z.B. die Freiheit des Einzelnen, die der Staat nicht erzwingen kann, sonst wäre der Einzelne ja nicht mehr frei). Moral, Rechtsbewusstsein und Religion setzen voraus, dass Menschen verantwortliche Wesen sind. Verantwortung wiederum setzt voraus, dass Menschen zuerst angesprochen werden vom Leben oder von Gott und dann darauf eine Antwort geben, also ver-antwortlich sind.

Das Leben verdanke ich meinen Eltern. Die freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie verdanke ich unseren Vorfahren. Meinen Glauben verdanke ich Gott. Und so weiter.

Und nun, auf diesem Fundament, das andere gelegt haben, ist es an mir, für mein Leben Verantwortung zu übernehmen – und für andere wiederum gute Startbedingungen zu schaffen.

Um im Bild zu bleiben: Den ersten Kaffee haben mir längst andere gekocht.

 Das Schwimmen und die Religionimage

Im Judentum, so erzählte mir ein jüdischer Professor, lehrt jeder Vater seinen Sohn zwei Dinge: das Schwimmen und die Religion.

Warum diese beiden? Das Schwimmen, um im Wasser überleben zu können. Die Religion, um das Leben an sich zu meistern.

Ist das nicht eine schöne Definition von Religion? Eine Hilfe zum Leben wie das Schwimmen im Wasser.

Kann man Religion aber wirklich „lernen“? Ich glaube, das geht nur bedingt. In das äußere Kleid einer Religion kann man hineinschlüpfen. Vieles lässt sich erlernen: die Rituale, die Texte und Gebete, regelmäßige Abläufe und Feiertage. Das innere „Ja“ zur Religion, den eigenen Glauben dagegen kann man nicht einfach anziehen und erlernen. Unsere Kinder brauchen die Freiheit, sich für oder gegen die Religion ihrer Eltern zu entscheiden.

Doch jeder Mensch wird geprägt, jedes Lebensmuster wird früh gezeichnet, jede Rolle wird im Elternhaus vorgelebt. Eltern können die Religion „schmackhaft“ machen – oder sie gehörig versalzen.

Und so möchte ich gerne diese jüdische Einsicht für meine Erziehung und meine Kinder fruchtbar machen. Durch nichts lernen Kinder mehr als durch das Vorbild der Eltern.

Ich möchte meinen Glauben so natürlich und lebensbejahend gestalten wie möglich. Ich möchte ihn offen leben, Mut und Kraft für den Alltag daraus schöpfen und genügend Raum für Fragen und Zweifel lassen.

Ich möchte, dass meine Kinder erkennen, dass meine Religion mich trägt, in guten wie in schlechten Tagen. Mein Glaube lässt mich vertrauen, schenkt mir Hoffnung, öffnet mich für Vergebung und neue Anfänge.

Wie sehr wünsche ich meinen Kindern diese Kraft der Religion. Sie kann im Leben tragen wie das Schwimmen im Wasser. Und so wie einen guten Schwimmer kein Sturm und keine Welle überwältigen können, so trägt ein lebendiger Glaube durch die guten und die schlechten Zeiten des Lebens.

 Luftballonimage

Der Tag war lang gewesen. Auch die Abendveranstaltung zog sich schon eine Weile hin. Doch noch immer riss der Strom der Grußworte nicht ab.

Der nächste Redner ging ans Pult. Er zog einen roten Luftballon aus der Tasche und blies ihn mit vier, fünf gewaltigen Atemstößen zu einer beachtlichen Größe auf. Langsam nahm er die Arme auseinander, den Ballon hielt er zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand.

„Wissen Sie, wovor ich als Kind am meisten Angst hatte?“ Er führte seine Hände etwas näher zusammen. Ein leichtes Raunen ging durch das Auditorium, die gesamte Aufmerksamkeit war wieder erwacht. „Richtig, nichts konnte mich mehr erschrecken, als wenn jemand einen Luftballon platzen ließ. Und um ehrlich zu sein, bis heute macht es mir Angst. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.“ Mit einem Ruck führte er die Hände zueinander. Einige Zuhörer hielten sich die Ohren zu.

Doch der Redner stoppte mitten in der Bewegung, öffnete theatralisch die Hand, und schon zischte der Luftballon in Schlangenlinien über die Bühne, bis alle Luft aus ihm entwichen war.

„Wenn es mir solche Angst macht“, fuhr der Mann fort, „warum sollte ich den Luftballon dann jetzt platzen lassen? Warum sollte ich mir selber etwas Übles tun