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FEUERSTURM I

DAVID MACK

Based on
Star Trek
and
Star Trek: The Next Generation
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Susanne Picard

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Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – CORPS OF ENGINEERS: FEUERSTURM I
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Susanne Picard;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust
und Gisela Schell; Cover Artwork: Martin Frei.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – CORPS OF ENGINEERS: WILDFIRE, BOOK 1

German translation copyright © 2016 by Amigo Grafik GbR.

™ & © 2016 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc.,
pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

eISBN 978-3-86425-877-0 (Juli 2016)

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Kapitel 1

Captain Lian T’su umklammerte ihre Armlehnen noch etwas fester. Der Hauptschirm der Orion zeigte wieder eines dieser gigantischen Netze aus Blitzen, die durch die kochenden, rotorangen Wolken des gigantischen Gasplaneten zuckten. Die elektrischen Entladungen ließen die Wolken für etwas mehr als eine Sekunde sichtbar werden. Sofort folgte ihnen ein markerschütterndes Donnern, das sämtliche Decks des Raumschiffs der Steamrunner-Klasse erbeben ließ.

„Haben Sie das Signal schon erfasst?“, wollte T’su von ihrem taktischen Offizier wissen. Sie erhob ihre Stimme, damit er sie über den Lärm der knarrenden Außenhülle des Schiffs hinweg hörte.

„Negativ, Captain“, erwiderte Lieutenant Ryan. „Die atmosphärischen Störungen sind immer noch zu stark. Ich schalte auf eine deltawellenisolierte Frequenz.“

Die Hülle der Orion protestierte bereits kreischend, seit sie zehntausend Kilometer tief in die turbulente untere Atmosphäre des Gasriesen eingedrungen waren. Mittlerweile waren sie schon auf fünfundzwanzigtausend Kilometer gesunken, ein Fünftel des Weges zum Planetenkern, und die unheimlichen Klänge, die das geplagte Metall von sich gab, waren zu einer Konstante geworden. Die Vibrationen der Hülle wurden von Minute zu Minute stärker.

Vor zwölf Jahren, als T’su noch ein Ensign war, hatte sie an der Ops-Konsole der Enterprise-D gesessen, als diese, verfolgt von einer unbemannten Kampfdrohne, die obere Atmosphäre des Planeten Minos berührt hatte. Damals hatte sie gedacht, es sei ein holpriger Flug gewesen. Doch verglichen mit dem, was wir jetzt durchmachen, war das gar nichts, dachte sie und wischte sich den Schweiß von den Handflächen.

T’su wandte sich wieder dem Hauptschirm zu, der nur ein schwaches Abbild der thermalen Störungen in der Atmosphäre wiedergab, auf die sie zurasten. Der Test des Feuersturm-Prototyps hatte gerade beginnen sollen, als Lieutenant Sunkulo, ihr Ops-Offizier, eine unbekannte Energiesignatur entdeckt hatte. Sie war auf mysteriöse Weise in genau dem Augenblick verschwunden, in dem man die Sensoren darauf gerichtet hatte. Wenn es ein anderes Schiff in der Atmosphäre gab, das der Orion folgte, dann stand die Sicherheit der Mission auf dem Spiel. T’su hatte den Befehl, auf gar keinen Fall zuzulassen, dass der Prototyp in die falschen Hände geriet, und sie war sich bewusst, welche Katastrophe es bedeuten konnte, wenn sie versagte.

Doch im Moment war sie besorgter über die Bedrohung, die dieser Planet für ihr Schiff darstellte. „Gegenwärtige Hüllentemperatur und Außendruck?“, fragte sie und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Ein Captain sollte immer Selbstsicherheit vermitteln, rief sie sich ins Gedächtnis.

Sunkulo tippte auf seiner Konsole herum. „Temperatur beträgt elftausendvierhundert Grad Celsius. Druck beträgt zweiundzwanzig Millionen Gramm pro Quadratzentimeter.“ In vorauseilendem Gehorsam fügte er die Antwort auf die nächste Frage des Captains hinzu: „Das strukturelle Integritätsfeld hält.“

T’su nickte. Um sie herum war der Rest der Brückenbesatzung auffällig still und sehr auf seine eigenen Aufgaben konzentriert. Lieutenant Fryar justierte die Steuerung ständig nach, um das Schiff ruhig zu halten, während Ensign Yarrow die Daten seiner wissenschaftlichen Station hinüber zu Ryan schickte, der an der taktischen Station saß. Beide benutzten Tachyonenscans, um die thermodynamischen Ebenen und Ströme der Atmosphäre zu kartografieren, sodass man den Kurs des Feuersturm-Torpedos zum Kern des Planeten vorausberechnen konnte. Die Daten wurden ebenfalls konstant an Lieutenant ch’Kelavar weitergegeben, den andorianischen zweiten Offizier des Schiffs. Er befand sich mit dem Team, das Feuersturm entwickelt hatte, im vorderen Torpedoraum.

Wieder wurde der Hauptschirm aufgrund eines Blitzes für den Bruchteil einer Sekunde grellweiß. Wieder ertönte ein Donnerschlag, der von der Dichte der Atmosphäre des Gasriesen noch verstärkt wurde. Das Stöhnen und Knarren der Hüllenplatten der Orion wurde für einige Sekunden von den starken Erschütterungen übertönt. Die Lichter auf der Brücke flackerten, die Bildschirme mehrerer Konsolen flimmerten für einige Augenblicke und fielen dann aus. Sie schalteten sich auch nicht wieder ein, nachdem die Erschütterungen des Schiffs abgeebbt waren. T’su rümpfte die Nase, als ihr der scharfe Gestank durchgebrannter isolinearer Chips in die Nase stieg.

Commander Dakona Raal, der beeindruckende Erste Offizier des Schiffs, legte beruhigend eine Hand auf T’sus Schulter. Sie lächelte ihm zum Dank und statt einer Antwort zu. Er nickte beinahe unmerklich und zog die Hand wieder zurück, bevor jemand auf der Brücke bemerkte, dass sie überhaupt dort gelegen hatte.

Aufgrund seiner Herkunft von Rigel V hatte jedes Mitglied der Besatzung Raal für einen Vulkanier gehalten, als dieser an Bord gekommen war. Er hatte darauf reagiert, indem er sich den Kopf rasiert hatte, sich ein Ziegenbärtchen wachsen ließ und allgemein bekannt machte, einen Singkreis für klingonische Volksmusik zu gründen, als die Besatzung das letzte Mal Landurlaub genommen hatte. Er hatte auch sehr schnell gelernt, ein so scharf gewürztes Hasperat zu kochen, dass es einem Bajoraner den Nasenkamm glättete. Und Dr. Cindrich, der Schiffsarzt, bezeichnete Raals von Herzen kommendes Gelächter als „ansteckend“.

Raal war unkonventionell, oft brüsk und Captain T’su für ihren Geschmack manchmal etwas zu sehr zugeneigt, aber in Zeiten wie diesen war sie froh, ihn an ihrer Seite zu haben. Dies war ihr erstes Kommando und auch wenn ihre Lieblingsaufgabe nicht gerade darin bestand, ein Kontingent Techniker vom Ingenieurkorps der Sternenflotte in der Gegend herumzukutschieren, hatte der letzte Monat ihr dennoch gezeigt, dass das alles andere als langweilig war. Die ganze Zeit über hatte Raal sich als ein idealer Erster Offizier erwiesen, ein Mann, auf den T’su sich in einer Krise immer verlassen konnte.

Doch diese Krise wuchs sich langsam zu einer ausgesprochenen Katastrophe aus.

„Lieutenant Ryan, bereiten Sie sich darauf vor, den Feuersturm-Torpedo auf mein Zeichen abzusetzen. Steuerung, sobald das Ding ausgesetzt ist, bringen Sie uns mit höchstmöglicher Geschwindigkeit von hier weg.“

Sowohl Ryan als auch Fryar bestätigten den Befehl und ließen ihre Finger über die Konsolen huschen. „Wir sind so weit, Captain“, sagte Ryan. T’su beugte sich vor und wollte gerade das Kommando geben, als das Bild auf dem Hauptschirm wechselte.

Das geschäftige Summen auf der Brücke verstummte, aller Augen richteten sich auf den Bildschirm. Ein Netzwerk aus leuchtenden Farben schien sich um das Schiff herum aufzubauen, ähnlich wie ein Korallenriff im Meer. Fäden aus Licht, die sich in waagrechten und senkrechten Linien anordneten, umgaben die Orion schon bald wie ein Käfig.

T’su rief ihre Mannschaft mit einem scharfen Befehl in die Wirklichkeit zurück. „Taktik, was ist das? Ist das tholianischen Ursprungs?“

„Negativ, Captain. Die Energiesignatur ähnelt keiner uns bekannten Konfiguration.“

T’su wandte sich an ihren wissenschaftlichen Offizier: „Yarrow, erzählen Sie mir etwas Nützliches.“

Yarrow betrachtete seine Anzeigen. T’su konnte immer erkennen, wenn etwas nicht in Ordnung war. War Yarrow beunruhigt, sträubte sich seine Mähne und seine Schnurrhaare zuckten. Im Augenblick schien seine Mähne den doppelten Umfang zu haben. „Das ist ein Netz aus Photonenenergie, Captain. Die Quelle ist unbekannt. Ich kann ihren Ursprung nicht …“

„Es schrumpft“, unterbrach Sunkulo. T’su wirbelte rechtzeitig zum Hauptschirm, um zu sehen, dass sich das Bild in Statik auflöste, dann blinkten auf Sunkulos Konsole eine ganze Reihe von Warnlampen auf. „Wir verlieren die Kontrolle über das Schiff!“

T’su biss die Zähne aufeinander, als eine gewaltige Schockwelle die Orion ergriff. „An alle Decks! Schadensbericht!“

„Wir haben gerade die Kommunikation verloren“, meldete Ryan. Er tippte vergeblich auf seiner Konsole herum, die nur noch gelegentlich aufflackerte, genau wie jede andere Station auf der Brücke. Aus allen Richtungen brachen nun Meldungen über T’su herein. Die Steuerung war ausgefallen, die Hilfsenergie ebenfalls, die Taktik war deaktiviert. Die Stimmen überschlugen sich, sie klangen panisch und heiser im Bemühen, über den Lärm des immer stärker knarrenden Metalls hinweg Gehör zu finden.

Dann drang eine Stimme, fest und ruhig, durch den ganzen Aufruhr.

„Captain“, sagte Raal ernst. „Wir sind dabei, das strukturelle Integritätsfeld zu verlieren.“

T’su warf einen Blick auf Raal. Die Härte in seinem Gesichtsausdruck verriet ihr, dass sie sich nun in einem dieser Szenarien befand, vor denen man sie vor all den Jahren auf der Akademie gewarnt hatte und die man nicht gewinnen konnte.

„Ich empfehle, dass wir eine Boje mit unserem Logbuch aussetzen, Sir.“

T’su nickte kurz und spürte, wie ihre Gedanken sich auf sie selbst richteten, während Raal Sunkulo den Befehl dazu gab. Sekunden später verließ eine Boje die Orion. T’su wurde von einem Adrenalinrausch erfasst, als die Lichter auf der Brücke erloschen und es vollkommen dunkel wurde. Sie legte die Hände auf die Ohren, als das Kreischen der Hüllenplatten unerträglich wurde. Das Schiff war nun endgültig hilflos den tobenden Stürmen der Atmosphäre ausgesetzt.

Ein Blitz, der hundertmal heller war als alles, was T’su jemals auf der Erde erlebt hatte, zuckte auf und tauchte die Brücke in blendendes Licht.

Das Letzte, was sie fühlte, war eine warme Hand auf ihrer Schulter.

Kapitel 2

Bart Faulwell schlenderte in die Messe der da Vinci und kam auf dem Weg zum Replikator an Carol Abramowitz vorbei. Er warf einen kurzen Blick auf die kleine, dunkelhaarige Frau, die so sehr in das vertieft war, was sie auf einem Sternenflottenpadd älteren Datums las, dass der Rosinen-Haferbrei in der Schüssel vor ihr bereits kalt und zäh geworden war.

„Der Butler war’s“, sagte er.

Carol schien die Feststellung nicht zu bemerken. Nur mit Mühe riss sie sich von ihrem Text los.

„Hm?“

„Ich sagte, der Butler war’s.“ Er bemerkte das völlige Unverständnis in der Miene der Kulturspezialistin. „Sie waren so gefesselt“, erklärte er. „Ich dachte, Sie lesen sicher einen Krimi oder einen Thriller.“

„Nein, nein. Um ehrlich zu sein … mich fasziniert die keorganische Kunst, seit wir vor ein paar Monaten mit Soloman für unsere Mission dort waren. Ich hatte keine Ahnung, dass die photonischen Wolkenskulpturen der Keorganer so verästelt und raffiniert konstruiert sind. Ihre Ästhetik zu verstehen ist, als öffne man eine Tür in ihre kollektive Psyche.“

„Klingt faszinierend“, sagte er. „Soll ich Ihnen mal etwas ganz anderes zeigen?“

Carol blickte auf den Kryptografen und Linguisten mittleren Alters. Offenbar war er sehr begeistert über das, was er zuletzt getan hatte, und überzeugt, dass er platzen würde, wenn er es niemandem zeigte. Carol legte ihr Padd ab und seufzte.

„Es ist egal, was ich antworte, nicht wahr?“

„Ich fürchte, so ist es.“ Faulwell wandte sich an den Replikator: „Computer: Faulwell Test eins.“

Mit einem beinahe melodischen Summen formte sich ein Strudel von Molekülen auf der Ausgabeplattform des Replikators. Ein paar Sekunden später lag dort eine eselsohrige und in Leder gebundene Ausgabe von Melvilles Moby Dick, auf der einige Kaffeeflecken prangten.

Faulwell nahm das Buch, schlug es auf der Titelseite auf und reichte es Carol. Sie betrachtete es genau und erkannte seine Signatur darauf. Die Tinte war offenbar noch frisch, so als habe er es gerade erst unterschrieben. „Perfekt, was?“, fragte er. „Es ist akkurat, sogar die Kratzer auf dem Papier, die vom Füller stammen, sieht man. Es riecht auch genau wie das Original!“ Er fügte vergnügt hinzu, dass es sich um eine Mischung aus altem Papier und abgetragenem Leder handele.

Sie sah zu Faulwell. „Na und?“

Er nahm ihr das Buch mit einer theatralischen Geste ab und klappte es zu.

„Was ich sagen will, werte, ignorante Dame, ist, dass ich das ganze letzte Jahr über ein Narr gewesen bin.“

„Das hätte ich Ihnen auch sagen können.“

Faulwell ignorierte die Bemerkung. „Um genauer zu sein, habe ich meine Briefe an Anthony immer auf Papier geschrieben und sie ihm in den Subraumnachrichten vorgelesen. Dann habe ich ihm bei den seltenen Gelegenheiten, in denen ich ihn persönlich treffen konnte, die Briefe, die ich ihm bereits vorgelesen hatte, selbst gegeben.“

„Stattdessen lesen Sie ihm nun Kapitel aus Moby Dick vor? Das ist ja mal romantisch“, witzelte sie.

Er nahm ihr gegenüber Platz und hielt das Buch nun in beiden Händen.

„Was, wenn ich Ihnen sagen würde, dass dieses Buch gerade immer noch in meinem Quartier liegt? Oder, vielleicht sollte ich besser sagen, dass das Original immer noch in meinem Quartier liegt.“

Carol ging darauf ein. „Sie haben also für den Replikator ein Muster Ihres Buches erstellt.“

„Richtig. Und genau das kann ich auch mit meinen Briefen an Anthony machen … und sie ihm, angehängt an die Subraumnachrichten, schicken.“

Sie nahm ihm das Buch wieder ab und blätterte es durch. „Sehr schlau. Haben Sie das selbst ausgetüftelt?“

Faulwell zuckte mit den Achseln. „Diego hat mir ein wenig geholfen.“ Damit meinte er den Transporterchief der da Vinci, Diego Feliciano. „Er schien ganz zufrieden damit, ein Projekt zu haben, an dem er arbeiten konnte“, meinte Faulwell. „Ich glaube, er ist so gelangweilt wie der Rest von uns, der einfach nur vor sich hin arbeitet.“

„Sehen Sie, das ist Ihr Problem: Sie wissen einfach nicht, was Sie mit Ihrer Freizeit anfangen sollen.“

Sie legte das Buch ab, stand auf und stellte ihre Schüssel mit dem mittlerweile steinhart gewordenen Haferbrei wieder in den Replikator, um die Materie recyceln zu lassen. Sie berührte eine Kontrolle und die Schüssel verschwand in einem Strudel sich auflösender Atome.

Dann wandte sie sich wieder an Faulwell. „Gomez und ihr Team haben gerade viel Spaß dabei, ihr … na ja, was auch immer es sein soll, zusammenzustoppeln.“

„Es ist eine mobile Minenstation und Raffinerie.“