Die Autorin

Katrin Frank – Foto © Privat

Katrin Frank, geboren 1983, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Klagenfurt am Wörthersee. Sie ist leitende Angestellte in einer Autovermietung und Hobbyautorin. Für ihre Liebes- und Fantasyromane holt sie sich Inspiration bei zahlreichen Reisen ins Ausland sowie bei ihrer Nebentätigkeit als Hochzeitsplanerin. Am liebsten liest sie berührende und spannende Romane, Schreiben bedeutet für sie vom Alltag abzuschalten und eigene Welten zu bauen.

Das Buch

Nach einem schweren Verlust lässt sie niemanden mehr an sich heran. Kann er ihren selbst errichteten Schutzwall durchbrechen?

Die 19-jährige Elli liebt es zu flirten und zu feiern und hält nicht viel von festen Bindungen. Für ihr Studium in York zieht sie in eine WG, in der sie sich auf Anhieb wohlfühlt. Nur einer ihrer neuen Mitbewohner, der Medizinstudent Yasin, kommt mit Ellis lockerem Lebensstil nicht klar. Er sieht mit seinen tiefgründigen braunen Augen und den definierten Muskeln unglaublich gut aus, seine reiche Familie, die zu Englands High Society gehört, legt aber viel Wert auf Moral und religiöse Werte. Elli dagegen glaubt nicht mehr an Gott, seit sie vor Jahren einen schweren Verlust erlitten hat. Trotz der Gegensätze führen die beiden immer wieder tiefgründige Gespräche, und Elli fühlt sich mehr und mehr zu Yasin hingezogen. Doch eine Beziehung scheint undenkbar – denn Elli will nie wieder jemanden so nah an sich heranlassen.

Von Katrin Frank sind bei Forever by Ullstein erschienen:
Meet me in L.A.
I kissed the Boss
Faith in Love

Katrin Frank

Faith in Love

Elli & Yasin

Roman

Forever by Ullstein
forever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever
Forever ist ein Verlag
der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Januar 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
Umschlaggestaltung:
zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®
Autorenfoto: © privat
E-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-336-0

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Widmung

Dieses Buch widme ich allen Personen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion diskriminiert werden. Mein tiefstes Mitgefühl gilt euch.

Zitate

Die Liebe ist langmütig,
die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf.
(1. Korinther 13,4)

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
(1. Korinther 13,13)

Kapitel 1


»Also, weshalb hast du dich für das Studium der sozialen Arbeit entschieden?« Der Typ, der sich erst vor wenigen Minuten mit einem freundlichen Lächeln als Simon vorgestellt hat, sieht von seinem Notizheft hoch, das er mit seiner linken Hand festhält. Er führt den Stift, mit dem er bis eben eifrig in sein Heftchen gekritzelt hat, an seine Lippen und wartet gespannt auf meine Antwort. Seine Brille ist ihm ein ganzes Stück in die Mitte der Nase gerutscht, was ihn für mich durch und durch sympathisch macht. Er sieht aus wie Clark Kent. Nur jünger, weniger muskulös und nicht so, als wäre er gerade Superman.

 Nicht nur Simon wirkt nett, die Besichtigung übertrifft auch alle bisherigen. Kein Vergleich zur Wohnung des alten Mannes, der, bis auf seine Hautfarbe, aussah wie 50 Cent und offensichtlich junge Studentinnen als Untermieterinnen suchte. Zu meiner Überraschung traf ich dort tatsächlich zwei junge Frauen an, die keineswegs verstört wirkten. Trotzdem kam das Zimmer nicht infrage. Old 50 Cent war nicht der Grund, es war zu klein und außerdem zu dunkel.

»Schätze, ich will diejenigen, die den alltäglichen Wahnsinn nicht ertragen, begleiten. Wie sieht es bei dir aus? Lass mich raten, Psychotherapie? Nein. Psychologie, nicht wahr?« Ich deute mit dem Finger auf ihn und halte seinem Blick stand, der mich glasig mustert und geheimnisvoller nicht sein könnte. Er hat dieses gewisse, undurchsichtige Funkeln in seinen Augen, doch was sein Studium angeht, habe ich ihn durchschaut. Ganz bestimmt sogar.

»Sie gefällt mir.« Das Mädchen, das so wirkt, als wäre es gerade erst Achtzehn geworden, stößt Simon in die Seite und lacht herzhaft auf. 

»Ich warne dich, Paula«, sagt er, während er sie gespielt bedrohlich anfunkelt. Und wir wissen alle, dass Clark Kent nicht wirklich düster dreinschauen kann, jedenfalls nicht, wenn er Clark ist. Superman kann das natürlich.

Himmel, ich würde alles darauf setzen, dass er unsterblich in sie verliebt ist und sie es nicht mal ahnt. Er könnte ihr Superman sein.

Während mich die Augenpaare eingehend mustern und sich vermutlich unschlüssig darüber sind, wer mit der Befragung weitermachen soll, weil sich Simon nicht sonderlich gut dabei anstellt, meine schäbigsten Angewohnheiten herauszufinden, sehe ich mir über ihre Köpfe hinweg die Wohnung an. Zumindest das, was ich von hier aus erkennen kann.

Dabei fällt mein Blick sofort auf ein märchenhaftes Bücherregal aus Walnussholz, das den ganzen Raum zu wärmen scheint. Das Wohnzimmer ist nicht modern, sondern eine Mischung aus zusammengetragenen älteren Möbelstücken, die mir augenblicklich ein heimeliges Gefühl einhauchen. Ich fühle mich wohl, obwohl ich erst seit wenigen Minuten hier sitze und mir das alles fremd erscheinen müsste. Und als ich zwischen Paula und Simon hin- und hergucke, weiß ich, dass wir uns auf Anhieb verstehen würden.

Doch als mein Blick zu meinem möglicherweise zukünftigen Mitbewohner Yasin schweift, stelle ich das auf der Stelle infrage. Unvermittelt trifft mich seine kühle Ablehnung. Ich bin erleichtert, als sich Paula räuspert und ich einen Grund habe, mich von ihm abzuwenden. Doch zurück bleibt eine bittere Vorahnung. Er will mich hier nicht haben, das steht fest.

 Ich will diese Wohnung unbedingt und hoffe, dass mir Yasin nicht in die Quere kommt. Ich brauche sie so sehr. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist Mitleid. Und noch weniger, dass sie sich über die Beweggründe erkundigen, weshalb ich mich erst unterm Semester nach einer Bleibe umsehe. Ich will nicht darüber sprechen, meine Vergangenheit hinter mir lassen und einen verflixten Neustart. Jetzt.

»Wann könntest du einziehen?«, fragt Simon, der seinen Notizblock inzwischen auf dem schmalen Tisch neben sich abgelegt hat.

»Sofort«, antworte ich, allem Anschein nach zu schnell, denn Paula wirkt erschrocken. »Herrje, du bist obdachlos?«

Ich lache. »Nein, natürlich nicht. Ich lebe etwa zwei Stunden von hier. Ich will nicht mehr pendeln«, erkläre ich, doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Paula atmet erleichtert auf. »Also, könntest du dir die Miete leisten?« Ihre Stimme wird zum Ende der Frage hin dünner, denn das Zimmer ist nicht gerade günstig.

 »Ich nicht«, gebe ich zu, ehe sich ein Lächeln über mein Gesicht ausbreitet. »Aber mein Vater.«

Man könnte meinen, wir würden uns schon eine halbe Ewigkeit kennen, denn wir strahlen einander an, als wären die nächsten Semester auf dem College ein Kinderspiel. Gemeinsam stehen wir das durch, oder so ähnlich.

Während Paula und ich uns anhimmeln, rollt Simon mit den Augen und Yasin stiert uns skeptisch entgegen.

»Meine Lieben, das hier ist noch nicht entschieden.« Simons Worte lassen mich von Wolke sieben plumpsen. Er deutet zwischen uns hin und her. »Es gibt noch Fragen«, vermeldet er, während seine Braue eindrucksvoll noch oben wandert. Yasin stößt unterdessen ein genervtes Brummen aus, das wohl verdeutlichen soll, wie viel er von den Fragen hält.

»Ach, Simon, können wir nicht gleich entscheiden?« Paula klimpert mit den Wimpern und zieht eine Schnute.

Zu meiner Überraschung bleibt Simon hart und lässt sich nicht darauf ein, obwohl ich ihm anmerke, dass er sich alle Mühe geben muss, nicht einzuknicken.

»Pizza oder Burger?«

»Pizza«, antworte ich und gleichzeitig bezweifle ich, ob er jemals ein guter Psychologe werden wird. Was zum Teufel soll das eigentlich?

»Nachthemd oder Pyjama?«

Ich runzle die Stirn. »Äh, weder noch.« Als ich das sage, bemerke ich Yasins Blick, der mich von meinen Beinen aufwärts scannt. Nicht auf die gute Art.

»Warum sollte sie zum Schlafen was tragen, sie läuft ja auch so halbnackt rum.«

»Yasin, du Chauvi! Lass deine schlechte Laune nicht an Elli aus«, rügt Paula ihn, dabei blickt sie ihn äußerst streng an. Diese kraftvolle Stimme und Souveränität hätte ich ihrer mädchenhaften Gestalt nicht zugetraut. »Hör nicht auf ihn. Er ist heute mies drauf, sonst ist er nicht so, nicht wahr, Yasin?«

»Nein, so bin ich wohl nicht. Wenn Paula das sagt …« Seine Aura trifft mit einer brachialen Wucht auf mich und lässt mich hart schlucken. Er ist so vollkommen anders als ich.

»Hört zu, ich esse für mein Leben gerne, lieber Pizza als Burger, aber eigentlich mag ich beides. Vielleicht sieht man das auch an meinen Hüften. Ich kümmere mich regelmäßig um den Haushalt, und als Zuhörerin bin ich spitze. Als Partybegleitung eigne ich mich übrigens auch ganz gut.« Ich mache eine flüchtige Pause und hole erneut tief Luft. »Mein Gefühl verrät mir, dass ich hier unbedingt einziehen muss. Also, ich würde gerne hier wohnen. Überlegt es euch in aller Ruhe und gebt mir Bescheid.«

Ich warte ihre Erwiderung nicht ab, erhebe mich und lächle ihnen entgegen, ehe ich mich zur Tür wende. 

Als ich im Vorraum meine Schuhe anziehe, höre ich tapsende Schritte näherkommen. »Du hast das Zimmer«, flüstert Paula euphorisch. Im nächsten Moment räuspert sie sich. »Gut, dann rufen wir dich morgen an und teilen dir unsere Entscheidung mit«, sagt sie viel zu laut, während sie mir kichernd entgegenstrahlt. 

Ich kann nicht anders, ich ziehe sie freudig an mich und hauche ihr ein Danke entgegen.

Als die Eingangstür hinter mir zufällt und ich in den strahlend blauen Himmel hinaufblicke und die frische Herbstbrise inhaliere, weiß ich, dass es von nun an besser wird. Bestimmt sogar. Beflügelt vom Glück drehe ich eine Pirouette und grinse der Sonne entgegen.


Die Besichtigung liegt erst zwei Tage zurück. Gestern habe ich die offizielle Zusage für das Zimmer erhalten. Wie vereinbart hatte sich Simon bei mir gemeldet. Ich konnte meine Freude kaum zurückhalten und mir ein Kreischen nur schwer verkneifen.

Deshalb sortiere ich die Kleidungsstücke aus, die ich unbedingt in meine neue Bleibe mitnehmen will. Mein neues Zimmer ist nicht gerade groß, weshalb ich nur einen meiner Kleiderschränke mitnehme. Auch die Kommode, in der ich allerlei Krimskrams aufbewahre, bleibt hier. Lediglich das Bett, der Kleiderschrank und der Schreibtisch kommen mit. Und meine Nähmaschine, für die ich bestimmt ein passendes Plätzchen finden werde. Für die anderen Dinge lasse ich mir was einfallen. Vielleicht fahre ich an den Wochenenden hierher, immerhin ist das mein Zuhause. Und wenn Caleb auch kommen würde, wäre das schön. Doch er ist immer seltener hier. Es kommt schleichend, wie bei Dad.

»Meine kleine Schwester breitet also die Flügel aus«, höre ich eine mir allzu bekannte Stimme vom Korridor aus rufen. Ich habe ihn bereits zwei Wochen nicht zu Gesicht bekommen, und hätte ich nicht um seine Hilfe gebeten, wären vermutlich weitere Wochen dazugekommen.

Mein Bruderherz ist Chief Marketing Officer in der Marketingfirma Englands. Zumindest behauptet er das. Gut möglich, dass er schlicht und einfach keine Lust hat, sich öfter sehen zu lassen, um mit seiner kleinen Schwester abzuhängen.

Als er mich vor drei Jahren mit seinem besten Kumpel beim Sex erwischt hat, änderte sich diese Ich-muss-meine-kleine-jungfräuliche-Schwester-beschützen-Nummer schlagartig. Zugegeben, der Anblick war vermutlich nicht gerade ohne, denn während mich sein Kumpel von hinten nahm, leckte meine beste Freundin, die meinem Bruder vor allem als meine unschuldige Verbündete aus der christlichen Zukunftswerkstatt bekannt war, meine Nippel.

Die Szenen, die dann folgten, waren wenig reizvoll. Caleb hat seinem Kumpel, ich glaube er hieß Charles, ein blaues Auge verpasst, meine Freundin von mir weggezogen, und ich blieb unbefriedigt im Zimmer zurück.

Nach dem Abend haben wir kein Sterbenswörtchen mehr darüber verloren. Bis heute nicht. Ich weiß, dass er meine Begeisterung für Sex nicht gutheißt. In erster Linie deshalb, weil ich eine Frau bin. Ich kann mir vorstellen, dass er sich durch Londons Betten schläft, doch für eine Frau, noch dazu seine Schwester, schickt sich das nicht. Jedenfalls nach der Erziehung, die wir beide genossen haben.

Meine Röcke waren immer zu kurz, selbst wenn sie bis zum Knie reichten. Mein Shirt zeigte meist zu viel Ausschnitt. Dass ich obenrum eben etwas mehr zu bieten habe, interessierte niemanden. Meine Brüste ließen sich schon mit Dreizehn kaum verstecken.

Es ist nicht so, dass ich ein lausiges Verhältnis zu meinem Bruder hätte. Wir telefonieren regelmäßig, aber es gibt Themen, über die wir nicht sprechen. Mein Sexleben ist tabu, und das ist gut so. Vermutlich liefen sonst einige Jungs am College mit blauen Veilchen rum. Und das wäre nun wirklich unschön anzusehen.

»Du wirst begeistert sein, die Wohnung ist nur wenige Minuten vom College entfernt.« Aufgeregt gehe ich auf ihn zu und drücke ihn an mich. Es tut gut, ihn endlich wiederzusehen. »Du siehst fabelhaft aus, aber meinst du nicht, dass du ein wenig overdressed bist?«

»Und du siehst für deine Verhältnisse underdressed aus«, gibt er locker zurück, während er sein Sakko auszieht und über die Stuhllehne legt.

Ich rolle mit den Augen und stoße ihn in die Seite. »Ich trage Hotpants und einen ockerfarbenen Pulli. Das perfekte Outfit zum Umziehen. Du hast doch keinen Schimmer.«

»Zum Glück nicht.« Er lacht laut auf.

»Wer hilft uns?«, fragt er, und ehe er die Worte zu Ende gesprochen hat, stößt Josh, den ich zu Semesterbeginn in einem meiner Kurse am College kennengelernt habe, zu uns. Josh und Caleb könnten nicht unterschiedlicher sein. Josh ist mit seinen langen Haaren, die er zu einem Dutt zusammengebunden hat, verschlissenen Jeans und Vollbart das genaue Gegenteil meines Bruders, dessen Gesicht nicht den Ansatz eines Bartes zeigt und dessen Hemd und Krawatte perfekt sitzen.

Für das Hundertstel einer Sekunde scheint die Zeit stillzustehen, als sie sich gegenseitig mustern und im Stillen ihre Ablehnung kundtun.


Als wir Stunden später vor meinem neuen Zuhause halten, spähe ich aus dem Fenster hoch zu dem Backsteingemäuer und weiß, dass ich hier in York richtig bin. Ich erinnere mich an die Zeit zurück, als ich ein Kind war und vor der Church of Saint Peter stand. Ich liebte den Anblick dieser Kirche schon damals. Ich ging noch nicht mal zur Schule und wusste bereits, dass ich in York studieren wollte. Allerdings gab es auch eine Zeit, da konnte ich mir nicht vorstellen hierher zu gehen, obwohl ich das immer wollte. Denn so sehr ich dieser Stadt verfallen bin, gleichzeitig löst sie einen unheilbaren Schmerz in mir aus.

»Und ich dachte, du würdest in die Winkelgasse ziehen und Harry Potter heiraten«, scherzt Caleb, ehe er aus dem Wagen steigt. Damit zaubert er mir ein Lächeln auf die Lippen. Das konnte er schon immer, also mich ablenken und auf andere Gedanken bringen.

Caleb hat sich von einem Freund einen Transporter geliehen. Erst dachte ich, dass meine Möbel niemals reinpassen würden, aber die Jungs haben es doch tatsächlich geschafft, die Ladefläche bis obenhin zu füllen. Den Rest habe ich vor meinen Beinen verstaut.

»Ich bin so aufgeregt«, rufe ich freudig, lasse die Wagentür hinter mir zufallen und stelle mich euphorisch und voller Tatendrang neben meinen Bruder.

Der jedoch sieht mich völlig entgeistert an. »So wie vorhin, als du uns Befehle erteilt hast und nur Sorge um deine Nähmaschine hattest?« Er zieht eine Braue nach oben. 

»Du hast sie eindeutig zu grob angefasst!«, antworte ich vorwurfsvoll und deute auf die alte hölzerne Eingangstür. »Das hier ist es.«

Er mustert das Gebäude. »Sieht passabel aus.« Dabei blickt er mich einen Moment zu lange an, sodass sich meine Augen mit Tränen füllen. Ich schaffe es gerade noch, sie wegzublinzeln, als ich mich von ihm abwende.

Im richtigen Augenblick oder im falschen, wie man es nimmt, gesellt sich Josh zu uns, der mit seinem Wagen hinter uns hergefahren war. Ich schmunzle, denn Caleb und Josh mögen einander immer noch nicht. Ich dachte zuerst, sie würden sich während der gemeinsamen Arbeit anfreunden, doch, wie so oft, lag ich vollkommen daneben. 

»Jungs, dritter Stock. Kein Lift.« Ich zucke mit den Schultern und klimpere unschuldig mit den Wimpern.

Ihre Mienen wirken entgeistert, während ich ihnen die tolle Neuigkeit offenbare. Als ich mich zur Tür wende, um sie aufzusperren, spüre ich einen leichten Widerstand und trete einen Schritt zurück. Dann sehe ich in dieses finstere Augenpaar, das mir pure Ablehnung entgegensprüht. Ich verenge meine Augen zu Schlitzen, denn ich will ihm die Stirn bieten. Doch meine Lider geben augenblicklich nach, als mich ein herber Rosenduft erfasst und ich ihm mit offenem Mund hinterherstarre. Es dauert kurz, bis ich mich wieder fange, den betörenden Duft aus meiner Nase bekomme und mir klar wird, dass Yasin mich noch nicht mal begrüßt hat. Happy Wohngemeinschaft!