Buchinfo

Ab aufs Fahrrad und einmal quer durch Spanien. Diesen Plan fasst Greta, nachdem sich ihr Freund von ihr getrennt hat. Doch allein hätte sie sich nie und nimmer getraut. Erst durch Artjom, den sie zufällig in Berlin kennenlernt, wird der Plan Realität, und gemeinsam machen sie sich auf eine abenteuerliche Reise, die verspricht, der Trip ihres Lebens zu werden. Doch geplatzte Fahrradreifen und Regentage durchkreuzen ihre Pläne. Vor allem aber die ungewohnte Nähe zu Artjom, diesem gut aussehenden, fast Fremden sowie die Bekanntschaft eines faszinierenden Spaniers wirbeln Gretas Gefühlswelt so richtig durcheinander. Ob sie nach diesem Roadtrip weiß, wohin ihre Lebensreise gehen soll?

Autorenvita

© Tabita Rudek

Karolin Kolbe, 1993 in Kassel geboren, denkt sich Geschichten aus, seitdem sie Kassetten aufnehmen und Buntstifte halten kann. Mit der Grundschulzeit begann das Aufschreiben und lässt sie nun nicht mehr los. Nach ihrem Abitur zog sie für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr nach Berlin, wo sie nun studiert. Die Autorin liebt interessante Menschen, gute Gespräche, spannende Bücher und Filme, bunte Farben, blühende Natur und die Sonne.

Granatapfeltage - Mein Roadtrip quer durch Spanien

Mit großem Dank an

Tarabea, Bastie und Kaddi, die mir

ihre Geschichten aus einem für mich fast fremden
Land erzählt haben.

Das war er also.

Der Anfang.

Mein erster eigener Anfang.

Meine Füße schmerzen, die Schuhe, die ich heute Morgen ausgesucht habe, sind zu eng. Aber ich fühle mich glücklich. Zum ersten Mal denke ich, dass ich genau das mache, was ich kann, will und soll. Meine Entscheidung.

Ich stehe am Ufer des Flusses und schließe die Augen. Die Sonne hängt bereits tief am Himmel, die Luft ist klar und riecht nach Frühling. Ich atme tief ein.

Auf der Fahrt raus aus der Stadt haben wir wenig geredet. Das Glücksgefühl, dass Artjom trotz all der Missverständnisse doch noch mitkommt, hat meinen ganzen Tag bestimmt. Ich bin nicht allein. Wir sind zu zweit.

Grinsend stehe ich da, kann es mir nicht verkneifen und komme mir unfassbar kitschig vor.

Es dauerte überraschend lang, bis wir es raus aufs Land geschafft haben. Berlin ist eine wirklich große Stadt. Wenn man, wie ich, dort aufgewachsen ist, dann fühlt man das nicht immer. Heute weiß ich es.

Ich drehe mich um und sehe Artjom zu, wie er unser erstes Lager aufbaut. Wir haben den kleinen See zufällig gefunden, kaum aus der Stadt raus wirkt Brandenburg wie ein Urlaubsparadies, und weil ich doch merkte, dass das Radfahren mit viel Gepäck anstrengender ist als gedacht, haben wir beschlossen, schon jetzt, am späten Nachmittag, Rast zu machen.

Der Fluss ist wunderschön. Er schlängelt sich durch die hohe Wiese und ich denke an meine Eltern, an den Brief, den ich unten auf den Küchentisch gelegt habe. Sie versuchten heute mehrfach, mich auf dem Handy zu erreichen, doch ich wollte nicht mit ihnen reden. Sie würden verlangen, dass ich sofort umkehre, das furchtbare Lehramtspraktikum fortsetze und dann eine staubige Lehrerin werde, die zwar ein geregeltes Einkommen, aber absolut keine eigene Erfüllung mehr hat.

Nicht mit mir!

Mein Handy ist jetzt ausgeschaltet und ich versuche zu vergessen, wie vielen Verantwortungen ich mich mit meinem plötzlichen Aufbruch entzogen habe. Meine Eltern, mein Bruder, mein Praktikum, meine Zukunft?

Immerhin Sophie weiß Bescheid. Ich streiche über die vereinzelten Dreads in meinen Haaren und denke an den Tag, an dem meine beste Freundin sie mir gemacht hat. Da waren wir gefühlt noch so viel jünger. Jetzt ist sie schwanger und ich auf einer unwegsamen Fahrradreise nach Spanien.

Ich merke, dass meine Gedanken zu sehr ins Kreisen geraten, und versuche nur noch die Wolken zu sehen, die am Himmel Richtung Süden ziehen. Die Richtung, in die wir fahren.

Langsam werde ich hungrig und höre Artjom mit den Töpfen und dem Gaskocher hantieren.

Ich reiße mich vom Anblick des Himmels los und stapfe zu unserem Lager. Das hellgrüne Wurfzelt zu kaufen war eine gute Idee gewesen! So unkompliziert habe ich noch nie ein Zelt aufgebaut. Innerlich lobe ich mich für den klugen Einfall, bei diesen kleinen Komfortdingen nicht gespart zu haben.

Als ich hinter das Zelt trete, hockt Artjom am Boden und rührt in dem kleinen Topf. Es spritzt und riecht nach heißen Tomaten. Er blickt auf und sieht mich aus seinen dunklen Augen an. Der blaue Stein um seinen Hals hebt sich vom braunen T-Shirt ab, das er auf seinen schmalen Schultern trägt. Er lächelt.

»Nostalgisch?«, fragt er.

»Gar nicht«, sage ich.

»Du warst lange am Fluss. So lange, dass ich fast schon das gesamte Menü alleine zusammengestellt habe.«

Ich grinse und denke an unser erstes Treffen, als er mir ein fulminantes Herbstessen zubereitet hat, um mich kennenzulernen, während ich versucht habe, ihm zu verstehen zu geben, dass ich absolut kein Interesse an ihm habe. Und jetzt bin ich hier gelandet: auf der aufregendsten Reise meines Lebens mit einem guten Freund, den ich vor Kurzem noch nicht einmal wirklich kennenlernen wollte.

Ich lasse mich neben ihm ins Gras fallen und linse in den Topf.

»Das bist du doch gewohnt«, sage ich und atme den Duft ein. »Darf ich raten?«

»Bitte, bitte!«

»Dosenravioli.«

Er legt den Löffel aus der Hand und applaudiert. »Sag ich doch: ein absolutes Festmahl.«

Ich kichere und komme mir schon wieder selten dämlich dabei vor. Schnell lasse ich aus dem Kichern ein Husten werden und beeile mich, »Riecht gut« zu sagen.

Er guckt mich mit schräg gelegtem Kopf an, doch ich wende den Blick ab. Nicht dass ich irgendwelche falschen Signale sende!

»Nur um das noch mal klarzustellen …«, beginne ich und reiße einen Grashalm neben dem Gaskocher aus.

»… du willst nichts von mir, wir sind Freunde, eine zweckmäßige Reisegemeinschaft und das wird sich auf keinen Fall ändern«, beendet er meinen Satz.

Ich gucke ihn ein wenig verdutzt an. So direkt hat er meinen Wunsch selten formuliert.

»Ja …«, erwidere ich, »… genau.«

Ich reiße einen zweiten Grashalm raus.

»Immer noch wegen Lukas?«, fragt Artjom und rührt weiter in der roten Soße.

»Ist doch egal«, sage ich, eine Spur zu ruppig vielleicht. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber es ist mir peinlich, über Gefühle zu reden. Außer mit Sophie. Mit Sophie rede ich über absolut alles.

»Hör zu, du musst endlich aufhören, an ihn zu denken …«, beginnt Artjom, doch ich unterbreche ihn.

»Das geht dich nichts an, in Ordnung? Lass uns das Thema wechseln, sonst artet dieses Gespräch noch in einen Streit aus.«

Eine große Blase steigt im Topf auf. Als sie platzt, riecht es nach Oregano und Käse.

»Na gut, dann ein anderes Mal«, sagt Artjom und greift nach zwei tiefen Tellern hinter sich.

»Meine liebe Greta«, er schüttet den Inhalt des Topfes in beide Teller, die rote Suppe schwappt ein wenig den Rand hoch, »es ist angerichtet.«

Der erste Abend ist so, wie ich es mir vorgestellt habe: Wir sitzen mit Campingbechern voll heißem Tee vor dem Zelt und starren in den Himmel. Die Spanienkarte ist vor uns ausgebreitet, sie wölbt sich über dem langen Gras, doch die gemeinsam eingezeichnete Route können wir erkennen. Jetzt, nach dem ersten Tag, bin ich unsicher, wie schnell wir sein werden. Brauchen wir Tage, Wochen, Monate?

Der Tee in meiner Hand dampft, während ich mir die Route ansehe. Wir müssen ganz Frankreich durchfahren, wir wissen nicht, wie die Wege sein werden. Schon im Vorhinein hatten wir beschlossen, an einigen Stellen, wie den Pyrenäen, ein Stück mit dem Zug oder dem Reisebus abzukürzen. Und trotzdem merke ich, dass mein überschwänglicher, optimistischer, fluchtartiger Plan doch etwas naiv war.

Wir brauchen mehr als nur einen Helm, ein Zelt und Proviant. Wir brauchen Durchhaltevermögen, Glück und Zeit.

Vorsichtig puste ich über meine Tasse, mein Atem trägt den Dampf in die Nacht. Ich bemerke, wie Artjom mich ansieht. Als ich ihm in die Augen blicke, schlürft er hastig Tee aus seiner Tasse und verbrennt sich die Kehle. Während er fluchend aufspringt und nach der Wasserflasche greift, streiche ich den Faltplan glatt.

Artjom hustet, trinkt einen großen Schluck Wasser und fragt dann mit schwacher Stimme: »Was ist los?«

Ich schaue auf und zucke mit den Schultern.

»Gerade bin ich so unsicher mit allem.«

»Was meinst du?«

Wieder ziehe ich die Schultern hoch. Meine eigenen Wiederholungen stören mich. »Wir sind erst einen Tag unterwegs und gerade mal draußen in Brandenburg gelandet«, meine ich und deute mit meinem Kopf auf die eingezeichnete Route.

»Aber das war doch zu erwarten! Wolltest du heute etwa bis zur französischen Grenze radeln?«

Ich ignoriere seinen Einwand.

»Ich will das schaffen, weißt du? Muss es allen beweisen, die ich jetzt wegen der Reise zurückgelassen habe: Meine Eltern sollen merken, dass ich erwachsen bin und eigene Entscheidungen treffen kann. Lukas soll wissen, dass ich nicht nur mit ihm reisen kann, sondern …«

»… auch mit mir, einem anderen Kerl?«

»Ach Quatsch, das meine ich nicht.«

Ich trinke einen Schluck Tee.

»Er soll merken, dass ich ihn nicht mehr brauche. Für nichts. Dass ich allein sein kann.«

»Du bist aber nicht allein.«

Er hat recht.

»Dass ich ohne ihn sein kann«, verbessere ich mich. »Und Sophie soll stolz auf mich sein können. Ich will, dass sie merkt, dass ich alles schaffe, was ich mir vornehme. Sie war immer die Starke von uns, die kleine, zierliche, blonde Sophie. Ich will, dass sie sieht, dass ich auch stark für sie sein kann.«

Artjom nickt und setzt sich wieder. »Du hast dir ziemlich viel vorgenommen.«

»Hab ich das?« Ich blicke ihn zweifelnd an. »Am wichtigsten ist mir Sophie.«

»Weil sie schwanger ist?«

»Auch. Sie soll sehen, dass sie sich auf mich verlassen kann, dass ich durchziehe, was ich mir vornehme. Dass ich auch bei dem Kind für sie da bin.«

Er rückt ein Stück näher an mich heran und streicht mir kurz über den Rücken. Als ich zusammenzucke, legt er seine Hand hinter mir auf dem Gras ab.

»Hat sie Markus inzwischen etwas gesagt?«

»Nein, hat sie nicht.« Ich denke nach. »Sie will es notfalls auch allein hinkriegen. Sie muss diesen Gedanken erst mal vollkommen verinnerlichen, ehe sie ihm davon erzählen wird.«

Artjom blickt auf die Fahrradkarte.

»Aber wir haben doch Zeit«, meint er. »Das ist ja gerade das Tolle: Wir haben Zeit.«

Ich schüttle den Kopf. »Bei mir stimmt das leider nicht mehr«, sage ich. »Zuerst dachte ich, ich hätte Zeit, aber ich habe Sophie versprochen, für sie da zu sein und nicht zu lange fortzubleiben.«

»Aber sie wollte doch, dass du fährst!«

»Ja, aber ich will sie nicht ewig allein lassen. Das kann ich nicht.«

Wir blicken beide in unsere Tassen.

Artjom trinkt, dieses Mal ohne sich zu verbrennen. Der Himmel ist inzwischen dunkelblau geworden und ich merke, dass ich müde bin.

»Möchtest du schlafen?«, fragt Artjom sofort und ich nicke.

Während er das Geschirr wegräumt, falte ich die Karte zusammen und lege sie ins Zelt.

Ehe ich selbst hineinkrieche, sehe ich hoch zu den Sternen. Die Sterne, die über Berlin und über Spanien die gleichen sind.

In der ersten Nacht träume ich viel wirres Zeug. Artjom kommt darin vor und unsere erste Begegnung vor ein paar Monaten, als er mir die Luft aus dem Reifen ließ, um mir eine Luftpumpe leihen zu können. Im Traum versucht er mich auch kennenzulernen, doch ich renne dieses Mal weg auf eine Wiese, die plötzlich erscheint, Sherlock, unser Familienhund, tanzt dort im grünen Gras gemeinsam mit Sophie, die einen riesigen Bauch vor sich trägt, Flamenco. Ich blicke auf meine Beine und trage meine selbst genähte Stoffhose mit dem Granatapfelfleck. Meine Zehen zerreißen Fotos von Lukas.

Als das alles zu seltsam wird, wache ich auf und starre gegen die Zeltwand. Ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren. Dann fällt es mir ein: Ich habe die Reise begonnen. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Trotz der Sorgen am Abend ein warmes Gefühl. Das beruhigt mich. Ich hatte schon Angst, dass meine Zweifel überhandnehmen würden.

Erst dann bemerke ich den Arm um meine Hüften und es durchfährt mich heiß. Ob Artjom gemerkt hat, dass er mich plötzlich festhält? Vorsichtig rutsche ich in meinem Schlafsack nach vorne. Er grunzt. Jetzt bin ich hellwach. Ich beginne, seine Finger einzeln von meiner Hüfte zu lösen, ohne ihn dabei aufzuwecken. Als ich endlich den letzten Finger von mir schiebe, gräbt er erneut seine Hand in meinen Schlafsackstoff.

Ich denke an Lukas und versuche mir den Gedanken an ihn aus dem Kopf zu schlagen. Artjom hat recht. Ich muss akzeptieren, dass es vorbei ist.

Was nicht heißt, dass ich gleich Artjoms Hände auf meinem Körper gebrauchen kann! Für mich ist es klar: Wir sind Freunde. Wir reisen zusammen. Ich mag ihn sehr. Mehr nicht.

Nach zwei weiteren Versuchen habe ich es endlich geschafft und lege mich mit dem Kopf auf die andere Seite, damit er höchstens noch meine Beine umarmen kann. Leider liegt mein Kopf jetzt etwas abschüssig, doch das ist nicht zu ändern. Ich warte eine Weile, aber der Schlaf kommt nicht. Je mehr ich mich zwinge zu schlafen, desto wacher werde ich. In dem Moment, in dem ich akzeptiert habe, dass ich heute Nacht kein Auge mehr zutun und stattdessen Artjom beim Atmen zuhören werde, merke ich, dass meine Lider schwer und mein Kopf weich werden.

Mir wird bewusst, dass ich eingeschlafen sein muss, als ich am nächsten Morgen von der stickigen Hitze im Zelt geweckt werde.

»Guten Morgen, liebe Greta«, ruft Artjom mit schiefem Lächeln, als ich meinen zerzausten Kopf aus dem Zelt schiebe. Sein dunkles Haar ist nass, offenbar hat er im Fluss gebadet. Ich fühle mich klebrig und erhitzt, aber erstaunlich ausgeschlafen. Der blaue Himmel erstreckt sich wolkenlos über dem Fluss und dem angrenzenden Waldstück und als mir der Geruch von Kaffee in die Nase steigt, krieche ich hinaus. Auf allen vieren krabble ich die wenigen Meter zu ihm und dem Campingkocher hinüber und bin nun wieder so überzeugt von unserer Tour, von unserer Gemeinschaft und von dem Weg, der vor uns liegt, dass ich ihn anstrahle und er mich leicht überrascht anblickt.

»Du hast wohl gut geschlafen«, meint er und gießt Milch in eine Tasse.

»Na ja«, grinse ich und warte, bis er Kaffee dazugibt.

»Koffeinhaltiges Heißgetränk?«, fragt er und ich nicke begeistert.

»Oh ja!«

»Ich wusste nicht, dass man dich so leicht glücklich machen kann«, erwidert Artjom. »Dann habe ich hoffentlich noch eine weitere freudige Kleinigkeit für dich.«

Ich atme tief den Duft des Kaffees ein und setze mich auf die Decke, die er neben dem Gaskocher ausgebreitet hat.

»Und die wäre?«

»Schokomüsli mit frisch gehackten Walnüssen, optimiert mit Bananenscheiben.«

Ich nicke. »Das macht wirklich glücklich!« Und wieder denke ich, dass es aus mehr als einem Grund wunderbar ist, ihn bei mir zu haben.

Das Wetter ist am zweiten Tag noch schöner als am ersten und wir fahren kleine Radwanderwege entlang, grüßen entgegenkommende Gruppen und machen bei einem kleinen Café Rast, um ein Eis zu essen. Es kommt mir alles fast bilderbuchhaft paradiesisch vor.

Während ich meinen Löffel tief in der Sahne des Fruchtbechers versenke, spüre ich an meiner Hüfte mein Handy vibrieren.

»Du hast es wieder eingeschaltet?«, fragt Artjom und wischt sich Schokoladensoße von der Lippe. Die Soße hat die Farbe seiner Haare, wie mir auffällt.

»Darf’s noch etwas sein?«, fragt die dickliche Kellnerin, die mit rundem Tablett und Blumenschürze vor den Bauch gespannt auf unseren Tisch zuwatschelt.

»Nein danke«, sage ich und ziehe mein Handy aus der Tasche.

Sie wendet sich zum Gehen, als Artjom ruft: »Einen frisch gepressten Orangensaft bitte!« Doch sie ist bereits bei einem ähnlich dicken Ehepaar mit Mops angekommen, die zwei Stücke Sahnetorte vor sich stehen haben und von ihr noch ein drittes verlangen.

Ich streiche meinen braunen Dread hinters Ohr und betrachte das Display.

»Meine Eltern«, sage ich und in meinem Bauch zieht sich alles zusammen. Die Sahne schmeckt plötzlich nicht mehr, das Eis ist zu kalt, die Melone zu matschig. Das Handy in meiner Hand vibriert erbarmungslos, aufdringlich und anklagend.

»Geh ran«, sagt Artjom.

»Was?«

»Sie sind deine Eltern.«

Ich lege das Telefon herausfordernd auf den Tisch. Die weiße Plastikplatte verstärkt das Geräusch um ein Vielfaches.

»Sie sind die Einzigen, die mir die Reise verboten haben.«

Artjom nickt.

»Du bist einfach gefahren, sie haben ein Recht, sich wenigstens keine Sorgen mehr machen zu müssen.«

Ich überlege.

Die Vibration hört auf. Entspannt lehne ich mich zurück.

»Jetzt ist es zu spät.«

Artjom isst einen weiteren Löffel Schokoladeneis.

»Sie werden es noch mal versuchen.«

Er behält recht. Kaum zwei Minuten später, gerade hatte ich wieder Gefallen an dem Geschmack des Eises gefunden, geht es von vorne los.

Ich atme tief durch, greife nach dem Gerät und nehme das Gespräch an.

»Margarethe, Herzchen, wo steckst du?!«, schreit meine Mutter panisch aus dem Hörer, sodass ich das Handy schnell vom Ohr weghalte.

»Alles gut«, sage ich beschwichtigend. »Ich habe doch geschrieben, dass ich auf eine Reise gehen werde.«

»Allein?! Margarethe, dort draußen gibt es Ganoven, Mörder und Vergewaltiger. Du kehrst sofort um und kommst zurück!«

»Nein, Mama.«

»Ich befehle es dir!«

Jetzt muss ich doch lachen, was meine Mutter zum Weinen bringt. Sofort höre ich auf.

»Wofür bestrafst du uns, Margarethe?«, schluchzt sie und jetzt bekomme ich ein wirklich schlechtes Gewissen.