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Nr. 2901

 

Das Goldene Reich

 

Die RAS TSCHUBAI in einer fremden Galaxis – Perry Rhodan trifft das verlorene Volk

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Perry Rhodan

2. Die Besatzung

3. Perry Rhodan

4. Die Besatzung

5. Perry Rhodan

6. Die Besatzung

7. Perry Rhodan

8. Die Besatzung

9. Perry Rhodan

10. Die Besatzung

11. Perry Rhodan

12. Die Besatzung

13. Perry Rhodan

14. Die Besatzung

15. Perry Rhodan

16. Die Besatzung

17. Perry Rhodan

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien.

In dieser Situation kommt es zu einem Kontakt, mit dem niemand gerechnet hat. Perry Rhodan wird eingeladen, als Erbe des Wanderers ein neues Bündnis zu schließen. Sein Partner dabei ist DAS GOLDENE REICH ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner betritt das Goldene Reich.

Saaperid – Ein Thoogondu stellt den Erstkontakt her.

Karim Balthasar – Ein Genie besonderer Art überschreitet seine Schrittzahl.

Vogel Ziellos und Lua Virtanen – Die beiden Unzertrennlichen genießen das Leben im Goldenen Reich.

1.

Perry Rhodan

Ankunft

 

»Du siehst schlecht aus, Chef. Irgendwie müde. Unausgeschlafen. Trübselig.«

Ich blickte auf Gucky hinab. Die Augen des Mausbibers waren rot geädert, die Ohren hingen auf Halbmast. »Du siehst selbst nicht gerade wie das blühende Leben aus«, sagte ich und fuhr ihm durchs Kopffell. »Hattest du wenigstens angenehme Träume?«

»Wie man's nimmt. Iltu war bei mir ...«

Ich hätte den Kleinen am liebsten umarmt und fest an mich gedrückt. Er hatte sein Leben als letzter Mausbiber des Universums meist unter Kontrolle. Doch es gab Momente, da erwischten ihn die Erinnerungen. Die Gedanken an Liebe, Familie und Geborgenheit. Die Gedanken an eine Zeit, die niemals wiederkehren würde.

»Aber weg mit diesen Gefühlsduseleien!«, sagte Gucky mit gepresster Stimme. »Ich habe zu tun. Leider sind nicht alle Besatzungsmitglieder gesund und bei Verstand aus dem Suspensionsschlaf erwacht. Ich sehe mich mal in der Medoabteilung um, ob ich helfen kann.«

Er winkte mir zu und teleportierte. Hinab zu Matho Thoveno, dem Chefmediker meines Schiffs.

Um mich drehte sich mit einem Mal alles, ich setzte mich auf meinen Stuhl. Das Erwachen aus der Suspension, in der wir den intergalaktischen Flug verbracht hatten, war jedes Mal mit Problemen verbunden, die selbst uns Zellaktivatorträger nicht verschonten. Aber der abgeschirmte Schlaf war nun einmal die einzige Chance, die tödlichen Triebwerksemissionen zu überleben.

Ich versuchte, mich an meine Träume während des Suspensionsschlafs zu erinnern. Gedanken aus frühester Jugend hatten sich mit späteren verwoben. Ich hatte mit meiner Schwester gespielt, den Aufbruch ins Weltall an Bord der STARDUST nacherlebt, die Begegnung mit kosmischen Wesen gespürt. Verlust war mit Freude einhergegangen, Trauer mit Glücksgefühlen.

Der Schwindel verging, belebende Impulse durchströmten meinen Körper. Der Zellaktivator verrichtete seine Arbeit, und schon bald konnte ich mich wieder auf meine Aufgaben als Expeditionsleiter der RAS TSCHUBAI konzentrieren.

Die Besatzungsmitglieder der Zentrale trafen nach und nach ein, sie wirkten müde, aber entschlossen. Und neugierig auf das, was sie erwartete. Hier, mehrere Ewigkeiten von der heimatlichen Milchstraße entfernt.

 

*

 

NGC 4622 also. Eine Galaxis, deren Licht hundertelf Millionen Jahre unterwegs war, ehe es von der Erde aus gesehen werden konnte.

Ich blickte auf eine Darstellung von NGC 4622 im zentralen Hologlobus, die uns der Bordrechner ANANSI zur Verfügung stellte.

Die Galaxis war wunderschön. Die äußeren Spiralarme reichten weit in den freien Raum hinaus, als wollten sie nach anderen Sterneninseln fischen und sie berühren. Einer der inneren Arme jedoch rotierte gegenläufig und verzerrte das Bild der Perfektion.

Terranische Astronomen mutmaßten seit Jahrtausenden, dass NGC 4622 einst von einer anderen Galaxis durchdrungen worden war und es dabei zu einem Millionen Jahre währenden Kampf zwischen unterschiedlichen Schwerkrafteinflüssen gekommen war.

ANANSI zeigte uns, was damals geschehen sein mochte, ich achtete nicht weiter auf die animierte Darstellung. Meine Gedanken waren nach wie vor bei der Besatzung und bei den Erweckungsvorgängen. Ich hatte dem Schiffsrechner aufgetragen, nur diejenigen Zentralemitglieder in Dienst zu stellen, die hundertprozentig einsatzfähig waren. Es herrschte ebenso wenig Not an Personal wie Eile bei der Wiederherstellung des Maximalbetriebs in der RAS TSCHUBAI.

Der Hypertrans-Progressor, jener besondere Antrieb, der uns binnen weniger Wochen durch den Leerraum transportiert hatte, war für lebende, aktive Wesen gefährlich. Daher musste die Besatzung die Reise in Suspensions-Alkoven verbringen.

Und nun waren wir dort, wenige Tausend Lichtjahre von den Außengrenzen unserer Zielgalaxis entfernt, von der aus ein kosmisches Leuchtfeuer gelockt hatte.

Doch woher genau stammte dieses Leuchtfeuer? Wie akkurat waren die Messungen, die wir von der Erde aus angestellt hatten?

Kommandant Cascard Holonder war auf seinem Posten und gab Anweisungen. Der Ertruser tat seit Jahrzehnten Dienst auf der RAS TSCHUBAI. Er hatte das Bordleben geprägt. Früher als Pilot, der unter der SERT-Haube gewirkt hatte und dabei mit dem Schiff eins geworden war. Nun als umsichtiger Befehlshaber, der seine typisch ertrusischen Eigenschaften einbrachte.

Er unterhielt sich leise mit den Mitgliedern seines engsten Beraterstabs. Auch meine Frau gehörte dazu.

Ich wandte mich ab. »ANANSI – ist der Sterngucker schon wieder auf dem Damm?«, fragte ich die Semitronik.

»Ja, Perry«, antwortete sie und legte mir eine Leitung in die Astronomische Abteilung des Schiffs.

Voltto Hakanler starrte mir entgegen. Er wirkte zerknautscht, wie immer. In den Händen hielt er ein Säckchen mit Luftnüssen, wie immer. »Du willst genauere Informationen von mir?«, fragte er ohne ein Wort der Begrüßung. Auch das wie immer.

»Richtig, Voltto.«

»ANANSI hat mir bereits Rohmaterialien geliefert. Es wird allerdings eine Weile dauern, bis ich dir exakte Auskünfte liefern kann.« Er blickte zur Seite und unterhielt sich leise mit jemandem, den ich im Holo nicht zu sehen bekam. »Wir haben in der Abteilung Diskussionen zum Thema laufen und sind uns leider uneins. Meine nervtötende Erste Assistentin und mein schrecklich aufmüpfiger Zweiter Assistent weigern sich, meiner Meinung zu sein.«

Ich unterdrückte einen Seufzer. Volttos Erste Assistentin war dessen Ehefrau Karima Hakanler. Der Zweite Assistent, Konkko Xhasa, war der gemeinsame Liebhaber. Diese Konstellation hatte bereits wegen ihrer wogenden und teilweise lautstarken Dynamik zu Beschwerden von anderen Besatzungsmitgliedern geführt.

Um diese Dinge sollte sich der Bordrat kümmern. Mir waren ausschließlich die Ergebnisse der Astronomischen Abteilung wichtig. Und die lieferte das Triumvirat stets rasch und zuverlässig.

»Worum geht es bei euren Diskussionen?«, hakte ich nach.

»Hauptsächlich um den zweiten und den dritten Stern des Leuchtfeuers, das uns hierher geführt hat«, antwortete Voltto. »Wann wurden sie ... hm ... platziert? Wurden die seither erfolgten Drehungen der Galaxien mit einbezogen, um uns die richtige Richtung für unser Ziel zu weisen? Muss durch die mittleren Masseschwerpunkte der Sterne gemessen werden oder durch die mittleren geometrischen Schwerpunkte? Wie exakt sind diese Schwerpunkte bestimmbar, wie sieht es mit den Eigenbewegungsvektoren der Leuchtfeuer-Sonnen aus ...«

»Könnt ihr mir Näherungswerte liefern? Könnt ihr das Zielgebiet innerhalb von NGZ 4622 einschränken?«

»Selbstverständlich können wir das!«, hörte ich eine tiefe Stimme von außerhalb des Aufnahmebereichs sagen.

»Natürlich können wir das nicht!«, widersprach eine wesentlich höhere Stimme.

Voltto verdrehte die Augen. »Wie du hörst, sind wir uns noch nicht ganz einig. Gib mir eine Stunde. Dann bekommst du Datensätze, die uns auf den richtigen Weg schicken. ANANSI sammelt brav weitere Informationen, die wir analysieren können.«

»In Ordnung.« Ich unterbrach die Verbindung und sah mich nochmals im Oval der Zentrale der RAS TSCHUBAI um.

Mittlerweile waren beinahe alle Plätze besetzt. Einige der Besatzungsmitglieder waren noch blass um Nase, um Schnauze oder Rüssel. Doch die meisten von ihnen taten bereits hoch konzentriert ihre Arbeit.

Sichu löste sich aus einer Gesprächsgruppe, die sich um Kommandant Holonder gebildet hatte, und kam auf mich zu. Sie wirkte frisch wie der junge Tag. Wie schaffte sie das bloß, nach all den Anstrengungen, die der Aufenthalt im Suspensions-Alkoven mit sich brachte?

»Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen«, sagte sie und küsste mich auf die Wange.

»Einhundertacht Tage lang, um genau zu sein.«

Wir blickten auf den Kalender des Hologlobus. Er zeigte den 26. September 1551 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Es war acht Uhr morgens. Die RAS TSCHUBAI war am 10. Juni dieses Jahres aus dem Orbit von Terra gestartet.

»Ich fühle mich wie ein Priester im Zölibat«, sagte ich und umfasste Sichus Hüften.

»Du hast mir den Begriff Zölibat bereits mehrmals erklärt, aber ich verstehe ihn immer noch nicht.« Sie blickte belustigt auf mich hinab. »Die Menschen deiner Jugend hatten sonderbare Sitten.«

»Nicht bloß deshalb bin ich froh, im Hier und Jetzt zu leben.« Ich genoss Sichus Nähe, zumal uns nur wenige Sekunden Zeit blieben, bis wir uns wieder unseren Pflichten widmen mussten.

Ein kleiner Alarm schnitt mir das Wort ab.

»Wir haben Kontakt«, sagte ein überrascht klingender Funker. »Es scheint, als wären wir erwartet worden.«

 

*

 

Ich überlegte. Wer konnte wissen, dass die RAS TSCHUBAI ausgerechnet an dieser Position auftauchen würde, mehrere Tausend Lichtjahre von den Außenbereichen von NGC 4622 entfernt? Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem riesigen Stück Leerraum jemand auf uns wartete?

ANANSI meldete sich zu Wort, unhörbar von den anderen Besatzungsmitgliedern. »Mag sein, dass es einen Informanten an Bord gibt, der mit den fremden Mächten dieser Galaxis in Kontakt steht.«

»Hast du einen Beweis dafür?«, fragte ich im Schutz eines Dämpfungsfeldes. »Gingen Funksprüche oder Signale von uns aus, seit der Suspensionsschlaf beendet worden ist?«

»Ich konnte nichts feststellen. – Der unbekannte Gesprächspartner wartet übrigens auf einer für dich reservierten Leitung.«

»Die Kennungen wurden ausgetauscht, ein Grundwortschatz zur Verständigung existiert?«

»Selbstverständlich«, antwortete ANANSI. Ihre Stimme klang ein klein wenig beleidigt.

Ich sammelte meine Gedanken und konzentrierte mich. Ich erhielt ein kleines Holobild vor die Nase gesetzt. Es zeigte das Gesicht eines Humanoiden mit weißer Hautfarbe, die von blauen Äderungen durchzogen wurde. Sie wirkten wie dunkle Maserungen auf hellem Marmor.

»In den Globus!«, befahl ich. »Deine Bildaufnahme konzentriert sich ausschließlich auf mich, ANANSI. Mein Gesprächspartner darf bloß mich sehen und nichts sonst, das auf die technische Ausstattung der RAS TSCHUBAI schließen lässt.

Alle Mitglieder der Zentrale sollen der Unterhaltung folgen. Ebenso die Xeno-Abteilungen. Sie sollen während der Unterhaltung mit den Auswertungen beginnen. Was sie von meinem Gegenüber halten, wie sein Gehabe einzuschätzen ist, wie die fremde Sprache strukturiert ist und so weiter. Für das gesamte Schiff gilt Voralarm. Die Beiboote sollen sich startbereit halten und das Erste Raumlandebataillon in Bereitschaft gehen.«

ANANSI bestätigte.

Ein Countdown zählte von fünf auf null. Das vor meine Augen gespiegelte kleine Bild erlosch, stattdessen blickte ich dem Fremdwesen in einer wesentlich größeren Darstellung in die Augen.

Du weißt, was du zu tun hast, Perry: freundlich, entspannt und reserviert bleiben. Keine Abwehrposition einnehmen. Achte auf die Stimme, die Gesten, die Zwischentöne der Unterhaltung.

Ich hatte unzählige Erstbegegnungen erlebt und besaß einen großen Erfahrungsschatz. Dennoch war ich bis jetzt noch jedes Mal von meinem Gegenüber überrascht worden. Ich hatte empathische Nähe und Sympathie erlebt, aber auch völliges Unverständnis und lodernden Hass auf mich, auf das Andersartige.

Wir betrachteten uns gegenseitig, stumm und abwartend. Die blaue Äderung meines Gegenübers war insbesondere im Wangenbereich stark ausgeprägt. Die Augen waren groß, dunkel und tief liegend, das Kinn spitz. Die Nase ähnelte der eines Menschen, ebenso die Ohren. Mit ein wenig Schminke wäre dieses Wesen auf der Erde als Kolonialterraner durchgegangen.

Die Darstellung erlaubte mir, den Oberkörper meines Gegenübers zu betrachten. Der Unbekannte hatte zwei Arme mit Ellbogengelenken und Händen, die in jeweils sechs Finger mit zwei Außendaumen ausliefen. Er bewegte beide Hände unruhig und hielt sie immer wieder vor den nackten, nur von einer dünnen und transparenten Gazeschicht umschlossenen Oberkörper.

Ich vermutete, dass mein Gegenüber auf einer heißen Welt aufgewachsen war – und auf einer unwirtlichen noch dazu. Denn von der Stirn weg breitete sich über Kopf, Nacken und Rücken ein grauer Knochenpanzer in Form von sechseckigen, etwa daumennagelgroßen Platten aus. Er gab dem Fremden ein martialisches Aussehen, das mir Unbehagen bereitete. Zumal sich auf Höhe des Nackens eine Art Narbe zeigte. Absplitterungen im Panzer, die ihm womöglich im Kampf zugefügt worden waren.

»Ich bin der Kommandant dieses Schiffs«, sagte ich, »und ich komme in Frieden.«

»Ich grüße dich und deine Begleiter, Perry Rhodan«, sagte der Fremde und nickte mir freundlich zu. »Es ist schön, dass du den Weg nach Sevcooris gefunden hast.«

2.

Die Besatzung

Dezio Gattai

 

Er kroch aus dem Suspensions-Alkoven und streckte sich gemächlich. Rings um ihn brach Hektik aus. Andere Besatzungsmitglieder stellten sich bereits für den Gesundheits-Check an, den die Medoroboter in einem nahe gelegenen Untersuchungszentrum anboten.

Dezio ließ sich Zeit. In der Ruhe lag die Kraft, wie er nur zu gut wusste. Er hörte auf seinen Körper und orientierte sich.

Überall ploppten Holos auf. ANANSI leistete großartige Arbeit und gab individuelle Informationen an die Besatzung der RAS TSCHUBAI weiter. Welche Resultate die Gesundheitsüberprüfungen gebracht hatten, wo sie sich wann einzufinden hatten, welche Aufgaben auf sie warteten.

All dies war bereits besprochen worden, bevor sie allesamt in den langen Schlaf gegangen waren und der Hypertrans-Progressor angesprungen war. Doch es gab immer wieder Probleme mit Besatzungsmitgliedern, die an Desorientierung litten. Es half enorm, wenn die Semitronik Anweisungen ins Gedächtnis zurückrief und sie mehrmals wiederholte. Die Erinnerungsschwächen ließen bald nach, jedenfalls hatte ein Mediker dies Gattai vor Reiseantritt gesagt.

Er war neu auf der RAS TSCHUBAI. Zuletzt hatte er als Archäologe auf dem Merkur die HaLem-Armee erforscht. Er hatte Zusammenhänge zwischen den sonderbaren beweglichen Statuen und jenem kosmischen Leuchtfeuer entdeckt, das sie an diesen Ort geleitet hatte. Gattai war mitgekommen, um die Zusammenhänge zwischen den rötlich schimmernden Figuren der HaLem-Armee und den Geheimnissen der Galaxis NGC 4622 aufzudecken.

Gattai zog das Oberteil seiner Bordkombinationen über und rief einige Information über den Ablauf der Reise der RAS TSCHUBAI auf.

Alles hatte wie am Schnürchen geklappt. Sie waren wenige Tausend Lichtjahre vor NGC 4622 in den Normalraum zurückgekehrt. Gut so.

Perry Rhodan meldete sich über Interkom zu Wort. Er hielt eine kurze Ansprache und bedankte sich für Disziplin sowie Vertrauen. Mehr als zehntausend Besatzungsmitglieder waren bereits an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt oder hatten ihre Bereitschaftsposten eingenommen. Rhodan hoffte, dass bald alle vollständig dienstbereit waren.

Gattai kam mit dieser Hektik an Bord eines Raumschiffs nicht zurecht. Einige Minuten, die jetzt in Ruhe und Kontemplation investiert wurden, zahlten sich im Verlauf eines Arbeitstages aus. Sie verhalfen zu innerer Ruhe und zu einem entspannten, offenen Geist.

Er stellte sich zur Erstuntersuchung an. Er war einer der Letzten, die sich in der Reihe einfanden. Es kümmerte ihn nicht. Die Arbeit lief ihm nicht davon.

Er ließ die Prozedur mit dem ihm eigenen Fatalismus über sich ergehen, erhielt die Dienstbefähigung ausgestellt und begab sich in seine Privatkabine, die nur wenige Meter von seinem Suspensions-Alkoven entfernt war. Er war für einen Bereitschaftsdienst eingeteilt worden.

Gattai machte sich Notizen über die sonderbaren Träume, die er im Inneren des Schutzbehälters erlebt hatte, und rief Informationen über die beiden mitgebrachten Statuen der HaLem-Armee auf. Sie waren unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen an Bord der RAS TSCHUBAI geschafft worden und lagerten in einer eigens für sie präparierten Kammer, im Paratron-Verlies. Ihnen galt der Großteil seines Interesses.

Die beiden Figuren waren sicher versorgt, es gab keinerlei Auffälligkeit zu berichten. ANANSI versicherte ihm, dass sich die Statuen während der Zeit der Reise nicht bewegt hatten.

»Werde ich gebraucht?«, fragte er die Semitronik.

»Nein, Dezio«, antwortete sie. »Du stehst weiterhin auf der Bereitschaftsliste. Mag sein, dass Perry Rhodan oder Sichu Dorksteiger in absehbarer Zeit Kontakt mit dir aufnehmen. Bis dahin steht es dir frei, dich in den gekennzeichneten Schiffsbereichen zu bewegen.«

Wie er diese Bevormundungen hasste! Dezio tu dies, Dezio tu das; dorthin darfst du nicht, hierhin aber schon ... Du bist eine Schachfigur, die beliebig hin- und hergeschoben wird.

Er zog ein einfaches Behältnis aus der Lade seines Schranks und betrachtete es. Darin steckte der wertvollste Besitz, den er mit an Bord genommen hatte. Auch wenn er nicht so recht wusste, wie er dieses Gefühl von Wertigkeit definieren sollte.

Dezio öffnete das Behältnis, holte seinen Inhalt mithilfe winziger Prallfelder ins Freie und legte ihn vor sich auf dem Schreibtisch ab.

Er blickte auf eine hölzerne Box. »Acht mal acht mal vier Zentimeter Seitenlänge«, sagte er zu sich selbst. »Ceylon-Ebenholz. Schwarz. Poliert, mit feinster Maserung und ohne wahrnehmbare Poren.«

Er streichelte vorsichtig über den Deckel, der fest aufsaß und keinen erkennbaren Verschlussmechanismus besaß.

Dezio wusste, dass sich etwas im Inneren der Box befand, ohne sich dieses Wissen erklären zu können. Denn bislang war er jedes Mal davor zurückgeschreckt, nach dem Inhalt zu suchen, danach zu greifen.

Auch diesmal streichelte er bloß mit den Fingern über den schwarzen Deckel. Dezio schnupperte eine olfaktorische Veränderung – nein, eher eine reine Verstärkung. Der angenehme, nicht einzuordnende Geruch wurde intensiver, ohne aufdringlich zu wirken.

Er starrte einige Minuten lang auf die Box und legte sie dann zurück in ihr Schutzbehältnis.

»Eines Tages«, sagte Dezio leise, »eines Tages werde ich mich um dich kümmern.«

3.

Perry Rhodan

Der Thoogondu

 

»Du kennst meinen Namen?« Ich hatte Mühe, angesichts dieser Eröffnung ruhig zu bleiben.

»Selbstverständlich.« Er starrte mich, ohne zu zwinkern, aus den tief liegenden Augen an. »Entschuldige, dass ich mich nicht gleich vorgestellt habe: Mein Name ist Saaperid und ich bin ein Thoogondu. Die Thoogondu sorgen für Ordnung und Zufriedenheit in dieser Sterneninsel.«

»Ordnung und Zufriedenheit?«, hakte ich nach. »Das sind zwei Begriffe, die nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sind.«

Saaperid stutzte kurz und sagte dann: »Stör dich nicht an Worten, solange die Parameter einer einwandfreien Übersetzung nicht fixiert sind. Unsere Rechner kommunizieren miteinander. Es gibt Anpassungsschwierigkeiten.«

»Selbstverständlich.« Ich nickte, der Thoogondu schien die Bewegung zu verstehen. »Aber die Sprachprogramme sind gewiss schon so weit synchronisiert, dass du mir eine Frage beantworten kannst: Du schickst mir deine Begrüßung über hochkonzentrierten Richtfunk. Du hast uns also erwartet. Woher wusstest du, dass mein Schiff genau hier auftauchen würde?«

»Das erklären wir dir bei passender Gelegenheit«, wich Saaperid einer Antwort aus. »Vorerst brauchst du bloß zu wissen, dass wir uns tatsächlich auf dich und die Ankunft deines Schiffs vorbereitet haben. Gäste aus der ehemaligen Mächtigkeitsballung des Wanderers sind uns hochwillkommen. Und wir freuen uns, dass du persönlich mit an Bord bist. Als Mitverantwortlicher für die Flucht des Wanderers bist du für uns von großer Bedeutung.«

Mit dem Wanderer war unzweifelhaft ES gemeint, die Superintelligenz, die uns so lange zur Seite gestanden hatte und nun gezwungen war, unsere Milchstraße zu meiden.

»Das ist eine zweifelhafte Ehre ...«

»Mach dich nicht kleiner, als du bist, Perry Rhodan! Dir ist es zu verdanken, dass der alte Feind der Thoogondu vertrieben wurde. Deswegen soll dir ein großer Empfang bereitet werden. Auf Thooalon. Jener Welt, die im Fokus jenes kosmischen Leuchtfeuers steht, dessen Ruf ihr gefolgt seid.«

So viele Andeutungen, so viele Unbekannte. Ich brauchte Zeit, um die Informationen zu durchdenken und meine Schlüsse zu ziehen.

»Du hast die Nachricht im Kopf, die dir übermittelt wurde, Perry Rhodan?«

»Selbstverständlich.«