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Platon

Kritias

Übersetzung von Heinz-Günther Nesselrath

Vandenhoeck & Ruprecht

Dr. Heinz-Günther Nesselrath ist ordentlicher Professor für Klassische Philologie an der Universität Göttingen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.
www.v-r.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Printed in Germany.

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

UTB-Nr. 4150
ISBN 978-3-8463-4150-6 (UTB-Bestellnummer)

Inhalt

Platon, Kritias oder die Geschichte von Atlantis

Platon, Kritias oder die Geschichte von Atlantis

TIMAIOS: Wie erleichtert bin ich, Sokrates, wie bei erreichter Rast nach [106a] einem langen Weg, so jetzt aus der Durchwanderung meines Logos endlich entlassen zu sein! Und zu dem in Wirklichkeit bereits in einer lange zurückliegenden Zeit, jetzt aber soeben auch in meinen Worten entstandenen Gott bete ich: Möge er von allem, was vorgetragen wurde, soweit es in rechter Weise vorgetragen wurde, mir dessen Erhaltung gewähren; [106b] wenn ich aber über diese Dinge – ohne es zu wollen – etwas unstimmig gesagt habe, so möge er mir eine Strafe auferlegen, die angemessen ist. Richtig aber ist eine Strafe, wenn sie den aus der Melodie fallenden wieder in sie hineinbringt; um folglich in Zukunft die Darlegungen über die Entstehung der Götter in zutreffender Weise vortragen zu können, bete ich, er möge mir als Arznei die vollkommenste und beste der Arzneien schenken, fundiertes Wissen; und nach diesem Gebet übergebe ich gemäß unserer Übereinkunft die weiteren Ausführungen an Kritias.

KRITIAS: Wohlan, Timaios, ich übernehme; was jedoch auch du am Anfang für dich in Anspruch nahmst – du batest um wohlwollendes Verständnis, [106c] da du im Begriff seist, über große Dinge zu sprechen –, genau darum möchte auch ich jetzt bitten; und ich halte es für noch mehr recht [107a] und billig, dieses Verständnis in noch höherem Maße zu erlangen, mit Hinsicht auf die Dinge, die vorgetragen werden sollen. Dabei bin ich mir durchaus bewußt, daß ich im Begriff bin, eine Bitte auszusprechen, die reichlich anspruchsvoll ist und grobschlächtiger, als sie sein sollte; dennoch muß sie vorgetragen werden.

Deine Ausführungen sind sicherlich vorzüglich gewesen – wer würde bei klarem Verstand das Gegenteil behaupten? Daß jedoch das, was nun ausgeführt werden soll, eines noch größeren Verständnisses bedarf, weil es mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist – dies muß ich versuchen, noch etwas zu erläutern. Wenn man nämlich über Götter etwas vor Menschen vorträgt, Timaios, kann man leichter als ein kompetenter Redner erscheinen, als wenn man dies über Sterbliche vor uns tun möchte. Mangelnde [107b] Erfahrung nämlich und große Unwissenheit der Zuhörer sorgen bei allen Themen, bei denen diese Voraussetzungen auf das Publikum zutreffen, dafür, daß derjenige leichtes Spiel hat, der über diese Themen etwas sagen will; und hinsichtlich der Götter wissen wir ja doch, auf welchem Kenntnisstand wir uns befinden. Um aber noch klarer zu erläutern, was ich meine, bitte ich euch, mich bei folgender Überlegung gemeinsam zu begleiten: