Tu mir weh

M.C.B.

Ich würde gern ganz wenig brauchen

und brauche doch so viel!

Ich würde gern nur wenig nehmen

und nehme doch so viel!

Binde mich fest!

Fessle mich!

Leg mich in Ketten!

Nimm mich an die Leine wie einen Hund!

Leg mir Handschellen an!

Halte mich fest,

damit mein Herz nicht immer fliehen kann.

Binde mich an,

damit ich nicht weglaufen kann.

Verarzte mich,

wenn mein Herz blutet.

Tu mir weh,

damit ich den Schmerz vergessen kann. Ferdinand und ich führten fünf Jahre lang eine vorbildliche, harmonische Ehe. Wir hatten eine identische Auffassung unserer Lebensziele, wir dachten über die meisten Dinge gleich. Und wenn wir einmal unterschiedlicher Meinung waren, profitierten wir von der jeweils differierenden Meinung des anderen. Jeder ging seinen Weg und doch beschritten wir einen gemeinsamen Pfad. Wir zogen an einem Strang. Wir verstanden uns. Wir führten ein gutes, ein sehr gutes Leben. Wir hatten Spaß. Wir waren vergnügt. Es herrschte Eintracht.

Alles war perfekt. Zumindest war das mein Empfinden. Wir liebten uns auch nach fünf Jahren noch immer leidenschaftlich. Wenn Ferdinand mich berührte, war ich sofort erregt. Ich liebte es, wenn er meinen Busen massierte.

Ich liebte es, wenn seine Finger interessiert mit meiner Muschi spielten. Und ich liebte es, wenn er in mich eindrang. Ich liebte es, wenn er mich von hinten nahm. Und ich liebte es, wenn wir uns gegenseitig leckten.

Es war ein Freitag. Ich werde diesen Tag niemals in meinem Leben vergessen – leider. Das Bild hat sich mir eingebrannt wie ein Brandmal. Es vergilbt nicht. Es verblasst nicht. Im Gegenteil. Es scheint immer schärfer und klarer zu werden. Ich bring es nicht mehr aus meinem Kopf. Ich kann tun, was ich will. Das Bild ist zu meinem Damoklesschwert geworden. Es hängt wie eine drohende Gewitterwolke über meinem Leben. Sie kann sich jederzeit entladen.

Ich hatte mein Handy zu Hause vergessen und konnte Ferdinand deshalb nicht anrufen. Ich hatte mit meiner langjährigen Freundin Monika ausgemacht, dass ich abends zu ihr komme, wir uns gemütlich etwas kochen und danach einen lustigen Film angucken. Ich wollte die Nacht bei ihr bleiben, weil wir bestimmt wieder einige Gläschen Wein trinken würden. Ich genoss diese Abende bei Monika und freute mich sehr darauf.

Als ich abends bei ihr an der Tür klingelte, dauerte es lange, bis sie mir öffnete. Mit einem durchnässten Taschentuch unter ihrer roten Nase, mit geschwollenen Augen und zerzausten Haaren öffnete sie mir schließlich zitternd in eine flauschige Decke gehüllt. Sie war krank, schwer erkältet und hatte den ganzen Tag versucht mich auf dem Handy zu erreichen.

Ich kochte ihren einen heißen Tee, besorgte ihr Medikamente aus der Apotheke und brachte sie schließlich mit einer Wärmflasche ins Bett. Ich küsste sie zum Abschied auf die Stirn, wünschte ihr eine gute Besserung und versprach ihr, am nächsten Tag wiederzukommen, um nach ihr zu sehen.

Also fuhr ich nach Hause und freute mich auf einen gemütlichen Abend mit meinem Mann. Ich besorgte unterwegs noch eine Flasche Rotwein und ein paar Dinge zum Knabbern und wollte ihn überraschen.

Als ich die Wohnungstür aufschloss, überkam mich augenblicklich ein komisches Gefühl. Ich konnte es nicht definieren, aber ich realisierte, dass irgendetwas anders war. Es roch ein wenig anders. Und ich hatte den Eindruck, dass etwas seltsam ungewohnt war.

Die Schlafzimmertür war geschlossen. Durch die milchige Glasscheibe oben sah ich, dass drinnen nur ein wenig Licht war.

Ich trat näher an die Tür heran und lauschte. Dann hörte ich diese Geräusche. Zunächst konnte ich gar nichts mit ihnen anfangen. Aber dann war mir sofort klar, dass es sich dabei um lustvolle Laute handelte. Okay, dachte ich mir, keine Panik, Ferdinand schaut sich in aller Ruhe einen Porno an und holt sich dabei einen runter. Warum nicht?! Ich bin eine tolerante Frau und – um ehrlich zu sein – ich liebe Pornofilme. Ferdinand und ich sahen uns zusammen immer gerne diese Filme an und besorgten es uns dann leidenschaftlich gegenseitig. Anderen Menschen dabei zuzusehen, wie es sie treiben, hat mich schon immer angeturnt. Ich schäme mich nicht dafür. Und mein Mann teilte diese Vorliebe mit mir.

Und ich musste ehrlich sein. Auch ich schaute mir gelegentlich alleine einen Pornofilm an und befriedigte mich dabei ausgiebig selbst. Warum auch nicht. Ich tat es gern. Und Ferdinand hatte das gleiche Recht. Er dachte, dass ich nicht nach Hause komme. Also wollte er es sich selbst einfach etwas gemütlich machen. Ich hatte Verständnis dafür und war nicht böse. Selbstbefriedigung war immer eine nette Abwechslung zum ehelichen Sex. Es war okay für mich.

Vielleicht könnte ich ihm heimlich dabei zusehen, wie er sich einen runterholte. Oder vielleicht könnte ich mich gleich zu ihm legen und den Porno gucken. Die Gedanken erregten mich.

Leise drückte ich die Klinke der Tür nach unten. Vorsichtig spähte ich in den Raum. Es brannte nur eine Nachttischlampe. Der Fernseher war aus. Es lief kein Porno. Und in unserem Schlafzimmer roch es nach einem Parfüm, das ich nicht kannte.

Es waren nur Bruchteile von Sekunden, in denen ich mir dachte, dass das nicht sein kann. Ich träume. Oder so ähnlich. Das ist nicht wahr. Ich geh jetzt wieder raus und dann wieder rein und dann ist alles anders. Aber dann wurde mir genauso schnell klar, dass das, was ich sah, Realität war. Schreckliche Realität. Traumatisierende Realität. In meinem Mund entwickelte sich ein bitterer Geschmack.

Das Stöhnen kam nicht aus dem Fernseher. Wer da im Raum lustvolle „Ahs“ und „Ohs“ und „d-a-s t-u-t s-o g-u-t“ von sich gab, waren keine professionellen Pornodarsteller. Das ekstatische weibliche Quietschen kam nicht aus dem Mund einer Porno-Queen. Und das lang gezogene, männliche Stöhnen drang nicht aus dem Mund eines Porno-Stars. Wer hier quietschte und stöhnte, das waren mein Mann und seine Sekretärin.

Ich war versucht die Tür schnell wieder zuzumachen. Immer noch in der Hoffnung, dass es sich hier irgendwie um einen Irrtum handelte. Aber leider konnte die Sache durch ein Türschließen nicht wieder ungeschehen gemacht werden. Und ein Irrtum war es leider auch nicht. „W-a-s …?“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Scheiße … Das gibt’s doch nicht …“ Ich öffnete die Tür weit, blieb einfach stehen und stammelte Zusammenhangloses. „Wie kannst du nur … Das darf nicht wahr sein … Du Mistkerl … Frau Müller … Ich … Du … Sie … Zum Henker …“ Mein Mann lag rücklings im Bett und Frau Müller saß auf ihm. Sie ritt ihn und ich wusste, wie sehr er darauf stand. Ihr langes, glattes, vanillefarbenes Haar fiel ihr wie Seidenpapier über den schlanken, langen Rücken. Ich schaute auf ihre Titten, die im reitenden Rhythmus wippten. Ein wenig zu groß für meinen Geschmack, dachte ich mir sarkastischerweise. Dann sah ich in das Gesicht meines Mannes. Und dieses Bild ist es, das ich nie mehr in meinem Leben vergessen werde. „Schatz? Du? Jetzt? Du wolltest doch … Aber … Oh … Ah … Nein … Ja … Oh Gott …“ Er konnte nicht mehr sprechen. Denn in dem Moment, als ich die beiden in flagranti erwischte und ihn ansah, kam er. Er war gefangen in seiner Lust. Er wurde in dem Moment, als ich die schlimmsten Sekunden meines Lebens erlebte, von einer Welle der Lust hinweggespült. Er spritzte, während ich ihn ertappte. Und auch ihr schien es zu kommen. Ihr Körper zuckte wie wild, sie quietschte, drehte den Kopf zu mir und dann schnell wieder weg, weil auch sie einen Orgasmus hatte. Ihre Brustwarzen waren dunkel und steil aufgerichtet. Ihre Haare schwangen hin und her. Ich sah den beiden dabei zu, wie sie kamen. Sie kamen. Ich ging. Dieses absurde Bild hat sich in mein Gedächtnis eingeprägt wie ein böser Fluch. Ich glaube, dass das verständlich ist. Oft hört oder liest man davon, wie Ehefrauen ihre Männer beim Fremdgehen erwischen, wie sie sie beim Sex mit einer anderen ertappen. Aber dass der eigene Mann in einer anderen Frau stöhnend abspritzt, während man unschuldig die Tür öffnet, das ist entweder Ironie des Schicksals oder ein Ereignis im Parallel-Universum. Wie gern hätte ich mich in solch ein Parallel-Universum gebeamt …

Die Scheidung war traurig und unschön. Nachdem Ferdinand die üblichen hanebüchenen Ausreden daherbrachte („Es war nicht das, wonach es aussah!“), gestand er schließlich das Verhältnis mit Frau Müller, das zwar noch nicht lange ging, aber ihm doch irgendwie Befriedigung zu verschaffen schien. Für mich war die Sache klar und für ihn dann schließlich auch. Bei einem bösen Streit gestand er mir, dass der Sex mit Frau Müller sowieso besser sei als mit mir, was ich ihm doppelt übel nahm.

Heute, zwei Jahre später, hat sich Frau Müller, wie ich hörte, einen 30 Jahre älteren, wohlhabenden Unternehmer geschnappt und lebt mit ihm seitdem abwechselnd in Monte Carlo und New York und darf ein flottes Auto, diverse Designer-Klamotten samt passender Designer-Handtaschen und ein kleines, weißes Hündchen mit einem pinkfarbenen D & G Halsbändchen ihr eigen nennen. Viel Geld schien ihr schlussendlich wichtiger zu sein als richtig guter Sex. Und Ferdinand versucht wieder mich anzurufen, seit Frau Müller Teil der High Society ist. Und immer, wenn ich seine Telefonnummer im Display meines Handys sehe, schicke ich einen Fluch in seine Richtung und lasse es einfach weiterklingeln.